Erdgas Gaskraftwerke werden zur Last

Vor gar nicht all zu langer Zeit hätschelten Energieversorger ihre Gastkraftwerke. Warum die emissionsarmen Anlagen jetzt zum Stiefkind der Branche mutieren.

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Unterfordert - Gaskraftwerke wie dieses in Isching (Oberbayern) laufen derzeit schwach Quelle: dpa

„Gaskraftwerke hängen uns wie ein Klotz am Bein“, klagt ein Energiemanager in diesen Tagen. Der Seufzer lässt aufhorchen. Denn eigentlich sind die emissionsarmen Gaskraftwerke die Lieblinge von atomausstiegswilligen Politikern, gleich nach Windrädern und Solarmodulen. Die Versorger jedoch halten sich mit neuen Investitionen zurück, erste Werke werden abgeschaltet. Jürgen Tzschoppe, Chef der deutschen Tochter des staatlichen norwegischen Energiekonzerns Statkraft, sagt es etwas gewundener. „Wir sehen derzeit keine Marktsignale für den Aufbau zusätzlicher Gaskraftwerkskapazitäten in Deutschland.“

Denn die 53 deutschen Gaskraftwerke sind derzeit – Stichtag 8. August – nur zu circa 60 Prozent ausgelastet, meldet die Leipziger Strombörse EEX. Vor der Energiewende waren es gut 80 bis 90 Prozent. Das alarmiert die Energiebranche und ihre Lobby, den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft: „Die Zahlen bedeuten, dass ein wirtschaftlicher Betrieb von Gaskraftwerken zunehmend infrage gestellt wird“, sagt Verbandssprecher Frank Brachvogel.

Sinkende Auslastung

Der Rollenwechsel der Gaskraftwerke vom Hätschel- zum Stiefkind hat zwei Gründe: Es gibt zurzeit zu viel Strom aus Wind- und Sonnenenergie in Europa, der zum Teil sogar kostenlos über die Grenzen gedrückt wird. Zudem ist Erdgas zu teuer für viele Kraftwerksbetreiber.

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Zur sinkenden Auslastung trägt auch eine technische Eigenart der Gaskraftwerke bei: Sie sind Spitzenlast-Kraftwerke, die nur zugeschaltet werden, wenn die erneuerbaren Energien aus Wind und Sonne je nach Wetterlage stark nachlassen, aber große, kontinuierliche Strommengen etwa für Industriebetriebe benötigt werden. Dann springen gasbefeuerte Anlagen ein. Sie lassen sich anders als schwerfällige Stein- oder Braunkohlekraftwerke innerhalb von wenigen Minuten hochfahren. Doch durch den Ausbau von Solar- und Windanlagen strömt immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien in die Netze. Mittags zwischen 12 und 14 Uhr ist der Strombedarf besonders hoch, dann liefert Fotovoltaik an Sonnentagen bereits ein Viertel des Strombedarfs. Gaskraftwerke werden nur noch selten zugeschaltet.

Das macht bei einem hohen Erdgaspreis den Einsatz von Gaskraftwerken zunehmend unwirtschaftlich. Das Problem trifft alle großen Betreiber von Gaskraftwerken in Europa: E.On, RWE, Nuon und Statkraft.

Die Norweger haben bereits ein Gaskraftwerk in Deutschland heruntergefahren. „Emden IV ist durch ein hohes Aufkommen von Ökostrom im Netz in Kaltreserve gestellt“, sagt Statkraft-Geschäftsführer Torsten Amelung. Er klagt über hohe Preise für Erdgas, die bei geringen Auslastungen auf die Rechnung drücken: „Der Einkaufspreis für Erdgas ist zu hoch, er beträgt 23 Euro pro Megawattstunde. Wirtschaftlich für uns wäre er bei unter 15 Euro.“

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