Auch Goldthau tauscht sich in diesem Forum mit Gleichgesinnten aus. Was das Fachpublikum erregt, sind etwa die weißen Zeilen, welche die OPEC in manchen ihrer Statistiken lässt. Als die OPEC im vergangenen November etwa die Förderkürzung beschloss, ließ sie die Zeilen zu ihren Mitgliedsländern Libyen und Nigeria einfach leer. Weil die beiden Krisenstaaten von den Förderkürzungen ausgenommen waren, wurden sie in der Statistik ignoriert.
Besonders trickreich sei laut Goldthau der „Referenzwert“ der OPEC-Förderstatistik von November 2016. Dieser sei nämlich keineswegs ident mit der monatlichen Förderung der einzelnen Mitgliedsländer, sondern liege etwa im Fall von Angola oder dem Iran deutlich darüber. „Die Senkung der Ölförderung wird aber von diesem Referenzwert berechnet. De facto senkte etwa der Iran in diesem Zeitraum seine Förderung überhaupt nicht, sondern erhöhte sie sogar“, schlussfolgert Goldthau. So könnten etwa dem Iran, der nach dem Wegfall der Sanktionen wenig Interesse an einer Förderreduktion hatte, durch solche Zahlenspiele laut Goldthau die Förderkürzungen schmackhaft gemacht worden sein.
Die OPEC ließ eine schriftliche Anfrage der WirtschaftsWoche zu den fragwürdigen Zahlen unbeantwortet.
Was den Ölpreis bestimmt
Der Ölbedarf hängt stark von der Konjunktur ab. Mit zunehmenden Wirtschaftswachstum steigt auch der Ölverbrauch. So ist der Bedarf nach Öl in den boomenden Schwellenländern China, Indien und Russland in den vergangenen Jahren massiv gestiegen und hat diese Länder zu den größten Ölverbrauchern der Welt gemacht. Hinzu kommen saisonale Einflüsse, etwa vor dem Winter mit steigendem Heizölbedarf oder der so genannten „Driving Season“ in den USA, weil dann der Benzinverbrauch sprunghaft steigt.
Der Ölpreis hat kaum Auswirkungen auf die Nachfrage, da der Ölverbrauch bei steigendem Ölpreis nicht einfach so eingeschränkt werden kann – man spricht von einer preisunelastischen Nachfrage.
Der Verbund der Erdöl fördernden Länder spricht sich regelmäßig bezüglich der Fördermenge ab, was natürlich Auswirkungen auf den Ölpreis hat. Sollten sich vor allem die arabischen Länder auf ein Senkung der Fördermenge einigen, verknappt dies das Angebot und treibt den Preis für Rohöl.
Erdöl ist grundsätzlich ein knappes Gut, aber es herrscht auch viel Unsicherheit darüber, wie lange die Vorkommen reichen. Hinzu kommt, dass mit steigendem Ölpreis auch der Abbau nur zu höheren Produktionskosten abbaubarer Ölvorkommen eher lohnt, z.B. die Ölgewinnung aus Ölschiefer, Ölsand oder durch Tiefsee-Bohrungen. Außerdem neigen die großen Raffinerien ebenso wie Staaten dazu, ihre Lagerhaltung auszuweiten, wenn der Ölpreis starken Schwankungen unterliegt. Stocken diese Marktteilnehmer ihre Lagerbestände massiv auf, sorgt die erhöhte Nachfrage kurzfristig für neue Preishochs.
An den Börsen wird Öl in Form von Terminkontrakten gehandelt. Die Marktteilnehmer kaufen also Öl, das erst zu einem späteren Zeitpunkt zum vereinbarten Preis geliefert wird. Vom Spotpreis wird gesprochen, wenn es sich um kurzfristige Terminkontrakte handelt, bei denen das Öl innerhalb von zwei Wochen geliefert wird. Längerfristige Terminkontrakte können auch für Spekulanten attraktiv sein.
Der US-Dollar ist die Standardwährung im Rohstoffmarkt. Eine Änderung des Dollar-Kurse hat somit Einfluss auf die Ertragslage des Erdölexporteurs. Auf Staatenebene spielt dabei eine Rolle, wie viele Güter in der Handelsbilanz stehen, die in Dollar bezahlt werden. Die erdölexportierenden Länder haben daher Interesse daran, bei einem fallenden Dollarkurs die Exportpreise für Erdöl etwa durch Angebotsverknappung anzuheben.
Zwei Engländer haben unterdessen ein Start-up gegründet, mit dem sie Ölförderung durch täglich aktualisierte Daten der weltweit verkehrenden Öltanker darstellen.
„Uns langweilten die OPEC-Gerüchte und auch ihre Verzögerung der Daten. Deshalb beschlossen wir, die Daten selbst zu tracken und zu analysieren“, sagte Samir Madani gegenüber der WirtschaftsWoche. Zusammen mit Lisa Ward entwarf Madani die Website tankertrackers.com, die einmal täglich die weltweiten Daten zur Ölverschiffung publiziert. Bis zu sechs Millionen Menschen pro Tag verfolgen laut Madani die Analysen der kleinen Projektplattform.
Begonnen hatte das Duo – Madani arbeitet in der Verbraucherindustrie, Ward ist in der Finanzbranche tätig – dabei relativ klein: Zuerst analysierten sie aus Interesse die Daten des Ölhafens von Louisana. Mittlerweile fließen die Daten von Häfen und Schiffen rund um den Globus in ihre Daten ein. Mit der Aufbereitung dieser Informationen über Twitter wollen sie Analysten und Investoren helfen, ein „größeres Bild“ zu bekommen.
Obwohl das Projekt noch die Züge eines Hobbys hat, konnten die Gründer schon erstaunliche Erfolge verbuchen: So sagte Tankertrackers in diesem Jahr laut eigenen Aussagen die Reduzierung der Exporte von Saudi Arabien in die USA voraus – und zwar zehn Tage, bevor die Reduzierungen griffen. Zudem habe Tankertrackers als erste über die Reduktion der schwimmenden iranischen Öllager berichtet.
Markant unterscheiden sich Tankertrackers auch in ihren monetären Zielen von der angestammten Ölbranche. Zwar plant das Duo, seine Website künftig kostenpflichtig zu machen. Doch noch werden Besucher auf ihrer Internetseite kostenfrei bedient. Für Kunden, die jetzt schon unbedingt etwas zahlen wollen, haben Madani und Ward einen Hinweis auf ihrer Seite platziert. „Wir wollen euer Geld nicht. Wir fühlen uns viel besser, wenn ihr es Einrichtungen für Kinder in Konfliktzonen spendet.“