Streit um staatliche Hilfen Was steht in der Solarindustrie auf dem Spiel?

Quelle: imago images

Der Streit um Hilfen für die deutsche Solarindustrie geht in Berlin in die entscheidende Runde. Worum geht's? Welche Rolle spielt China? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:


Um was geht’s bei den Solarhilfen?

Im Kern geht es um die Frage, ob und in welcher Form deutsche und europäische Hersteller von Solarzellen und Solarmodulen, aber auch etwa Solarglas oder Wechselrichtern, staatliche Hilfe bekommen, um der Konkurrenz vor allem aus China trotzen zu können. In Deutschland sind die größten Hersteller von Zellen und Modulen das Schweizer Unternehmen Meyer Burger, Solarwatt in Dresden und Heckert Solar in Chemnitz, alle mit Werken in Sachsen. Dort wird Anfang September gewählt. Unter anderem diese Tatsache macht die Auseinandersetzung politisch heikel.

Warum soll der Staat einspringen? Die Solarbranche boomt doch.

Das stimmt. Laut dem Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE wurden in Deutschland im vergangenen Jahr 14,1 Gigawatt Kapazität neu installiert – ein Rekord, sodass jetzt insgesamt in etwa eine Kapazität von 81 Gigawatt installiert ist, verteilt auf etwa 3,7 Millionen Anlagen. Und das soll in dem Tempo weitergehen. Spätestens ab 2026 sollen jedes Jahr allein in Deutschland 22 Gigawatt an Fotovoltaik-Leistung zugebaut werden. Dafür sind Solarmodule, Wechselrichter, aber auch Fachkräfte für die Installation notwendig.

Wo also ist das Problem?

Dass Deutschland, kurz gesagt, Gefahr läuft, seine Energiewende von China abhängig zu machen. Dieses Risiko allerdings, kann man durchaus unterschiedlich bewerten. Chinesische Hersteller, ob JinkoSolar, JA Solar oder Jolywood haben mit einem Überangebot im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass die Preise für Module in Europa drastisch gefallen sind, binnen eines Jahres um bis zu 40 Prozent auf Preise, je nach Qualität des Moduls, zwischen 10 und 25 Cent pro WattPeak, manche Kritiker sprechen von „Dumping“, behaupten, die Chinesen verkauften ihre Module unterhalb der Produktionskosten. Laut einer Analyse der Agentur Rystad Energy lagerten in Europa im vergangenen Oktober unverkaufte Module mit einer Kapazität von 80 Gigawatt, ein großer Teil davon aus China. Um einen Eindruck zu vermitteln, wie viel Kapazität in etwa gebraucht wird: 56 Gigawatt Solar-Kapazität baute Europa 2023 in etwa zu, Deutschland, wie erwähnt, 14,1 Gigawatt. Das bedeutet: In den Lagern befindet sich deutlich mehr als der der gesamteuropäische Jahresbedarf. 

Nimmt man mal an, dass die Module aus China qualitativ in gleichwertig sind, ist das ein Vorteil für Verbraucher: Sie müssen weniger für ihre Solaranlage zahlen. Für die Hersteller hier sind die Folgen natürlich problematisch. Die erste Welle deutscher Industrieproduktion ist in den Zehnerjahren verebbt, nachdem die Förderung beschnitten worden ist. Herausragendes Beispiel ist das Unternehmen Solarworld, das 2017 Insolvenz anmelden musste. Übernommen hat: China. 2022 importierten die Deutschen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 87 Prozent ihrer Solaranlagen aus dem Land. Eigentlich wollten Firmen wie Meyer Burger in den vergangenen zwei Jahren für eine Renaissance sorgen. Aber die günstigen chinesischen Preise können sie nun kaum schlagen, die Produktion hier gerät unter Druck. Meyer Burger hat angekündigt, in der zweiten Februarhälfte entscheiden zu wollen, ob das Modulwerk in Freiberg geschlossen wird, Solarwatt-Chef Detlef Neuhaus sagte dem Handelsblatt: „Wenn gar nichts passiert, müssten wir darüber nachdenken, wie es mit unserer Produktion weitergeht“. Bis Ende des Jahres müsse man sich entscheiden, ob die Fabrik geschlossen wird. Auch Heckert Solar drosselt seine Produktion. Die Forderung aus der Branche lautet: Helft uns.

Wer könnte etwas gegen eine Bonus haben?

Mindestens zwei Gruppen: Die eine, die staatliche Hilfen aus grundsätzlichen Überlegungen ablehnt. Die zweite, die ihr eigenes Geschäft davon bedroht sehen könnte. Und da kommen so genannte „Cleantech“-Start-Ups ins Spiel, Unternehmen wie das Berliner Unternehmen Enpal, aber auch das Hamburger Start Up 1Komma5°. Deren Geschäftsmodell beruht darauf, dass sie Solaranlagen im Paket vermieten oder verkaufen oder sogar ganzheitliche Energielösungen anbieten, von der Solaranlage über die Ladestation fürs E-Auto, die Wärmepumpe bis hin zum Stromvertrag mit dynamischen Tarifen. Es gibt hier auch die Begrifflichkeiten „Upstream“ und „Downstream“, um die verschiedenen Teile der Solarbranche zu beschreiben. „Upstream“-Unternehmen bilden die Wertschöpfungskette bis hin zur Installation. Dazu gehören die Hersteller von Polysilizium, Solarglas, die Erzeuger von Zellen und Modulen, aber auch die Hersteller etwa von Wechselrichtern, unter denen es mit SMA Solar auch einen großen deutschen gibt.

Die „Downstream“-Unternehmen sind jene, die für die Installation und die Kombination von Komponenten sorgen. Diese Unternehmen haben zwei Probleme: Erstens ist besonders im Vermietungsgeschäft viel mit Krediten finanziert. Die gestiegenen Zinsen erschweren das Geschäft. Und zweitens haben viele dieser Unternehmen bisher vor allem chinesische Solarmodule und Komponenten gekauft und verkauft. Es gibt mitunter enge Verbindungen mit chinesischen Unternehmen. Wenn man ehrlich ist, muss man auch sagen: Was ist diesen Firmen bisher auch anderes übrig geblieben? In Europa gab es absehbar nicht ausreichend Kapazitäten, um den Bedarf zu decken. Und Kunden ist es auch schwer vermittelbar, warum sie keinen Zugriff auf die günstigste Variante haben sollten. Enpal und 1Komma5° haben sich in den vergangenen Wochen als Gegenspieler zu jenen Unternehmen profiliert, die auf eine bestimmte Form von  Subventionen dringen: so genannte „Resilienzboni“.

Aber warum gibt es dieses chinesische Überangebot überhaupt?

Zum einen produzieren chinesische Firmen grundsätzlich viel größere Mengen – und können so einfacher skalieren. Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass China bis Ende 2024 eine Produktionskapazität bei Solarmodulen in der Größenordnung von 600 Gigawatt aufgebaut haben wird. Zum Vergleich: im Europäischen Wirtschaftsraum gibt es laut einer Karte des europäischen Verbands Solar Power Europe bei den Modulen derzeit nur eine Kapazität von 14,1 Gigawatt, in Deutschland bei acht Herstellern eine Kapazität von 3,9 Gigawatt. Im Vergleich sind das homöopathische Dosen.

De facto ist also völlig klar, dass es ohne chinesische Produkte nichts wird mit der Energiewende in Europa und Deutschland. Die Frage ist, ob es nicht gleichzeitig eine heimische Produktion geben muss, die zumindest eine Art Grundversorgung garantiert. Denn was, wenn Peking den Fluss der Solarmodule von heute auf morgen abdreht, wie Wladimir Putin 2022 den Gashahn? Was, wenn ein möglicher Taiwan-Konflikt die deutsche Energiewende hemmt? Das chinesische Überangebot ist auch dadurch entstanden, dass etwa die USA ihren Markt für chinesische Produkte verschließen – etwa mit Zöllen, aber auch mit den Vorgaben des Subventionspakets IRA, der Förderung nur gewährt, wenn Produkte aus heimischer Produktion stammen. Spätestens dadurch gelangen viele der für den US-Markt bestimmte Produkte nach Europe und lassen mit diesem Überangebot die Preise fallen – auf durchschnittliche Kosten, je nach Qualität des Moduls, von 10 Cent bis 25 Cent pro Wattpeak.

Wie sehen diese Preisunterschiede genau aus?

Der ganz konkrete Vergleich ist immer schwierig, weil die Produkte im Detail unterschiedliche Produktspezifikationen haben. Aber Preisvergleiche gehen davon aus, dass man für deutsche Module im Schnitt 20 bis 30 Prozent pro Wattpeak mehr bezahlt als für chinesische Module. Bei einer typischen Zehn-Kilowattpeak-Dachanlage kann die Preisdifferenz so schnell bei mehreren Hundert Euro liegen. Das kann durchaus den Ausschlag bei einer Kaufentscheidung geben.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%