Erdöl-Exporte Ölmarkt in Angst nach Gewalt in Libyen

Die Eskalation in Libyen lässt den Ölpreis hochschnellen. Anleger flüchten in Gold und Silber und treiben dort die Preise. Experten schätzen, dass ab einem Preis von 120 Dollar pro Barrel akute Gefahr für die Weltwirtschaft besteht.

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Das Verteilerkreuz einer Quelle: dpa

Die Furcht vor einer Ausbreitung der Unruhen auf andere erdölexportierende Länder in Nordafrika und am Persischen Golf sorgte am Ölmarkt für den höchsten Stand seit zweieinhalb Jahren. Auch die Aktien- und Devisenmärkte reagierten nervös auf die zunehmend außer Kontrolle geratene Lage in Libyen. Insbesondere US-Leichtöl der Sorte WTI verteuerte sich drastisch: mit 94,49 Dollar stieg der Ölpreis binnen nur eines Tages um zeitweise 9,6 Prozent und kostete damit so viel wie seit Oktober 2008 nicht mehr. Nordseeöl der Sorte Brent kostete mit 108,18 Dollar je Fass 2,3 Prozent mehr als am Vorabend.

Öllieferanten Deutschlands

Damit hat Brent den höchsten Stand seit September 2008 erreicht. Der Preis für Brent kletterte seit Jahresbeginn um über 13 Prozent. Investoren und Händler sorgten sich vor allem um mögliche Lieferengpässe. „Libyen allein produziert nicht soviel Öl, als dass es dadurch Engpässe geben könnte, selbst wenn das Land völlig kollabiert“, sagte Rohstoffanalyst Carsten Fritsch von der Commerzbank. Das nordafrikanische Land fördere rund 1,6 Millionen Barrel Öl am Tag, während die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) Reserven von sechs Millionen Barrel habe. “Es geht also mehr um die Angst, dass die Unruhen auf Länder wie Algerien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate überspringen.“

Ernste Gefahr für die Konjunktur

Der Chefvolkswirt der Internationalen Energie-Agentur (IEA), Fatih Birol, warnte vor weiter steigenden Ölpreisen, wenn sich die Unruhen in der arabischen Welt ausbreiteten. „Die Ölpreise sind eine ernste Gefahr für die weltweitere Konjunkturerholung“, sagte Birol, dessen Agentur ihre 28 Mitgliedsländer in Energiefragen berät. Die Industriestaaten seien nach Einschätzung der IEA aber bereit, bei Lieferengpässen wegen der Libyen-Krise ihre Ölreserven anzuzapfen. Der Delegierte eines Opec-Staates aus der Golfregion sagte, die Organisation habe die klare Haltung, alle Produktionslücken zu schließen.

Wintershall-Mitarbeiter fahren Quelle: dpa

Sollte Birol recht behalten und der Ölpreis weiter steigen, könnte das die gesamte Wirtschaft bedrohen. Experten gehen davon aus, dass insbesondere China, Indien, Korea, die Türkei und Brasilien massiv unter den steigenden Preisen leiden müssten. Da dies große, aufstrebende Nationen mit immensem Wirtschaftswachstum sind, könne sich deren negative Handelsbilanz auch auf die westlichen Nationen auswirken. Dann wären auch Deutschland, China und Japan stark betroffen. Laut den Volkswirten der BAML Capital Partners, einem Zusammenschluss aus der Bank of America und Merrill Lynch, werden auch Japan, China und Deutschland mit steigendem Ölpreis an Handelsmacht verlieren. So stürzten nicht nur junge, sondern auch alte, starke Wirtschaftsnationen ab, wenn das Öl teurer wird. Als magische Preishürde nennen sie 120 Dollar pro Barrel, danach gehe die internationale Ökonomie den Bach runter. Laut Experten bliebe nur die USA vom Sog relativ unbeschadet. Grund dafür sei, dass der Energiesektor nur einen sehr geringen Teil der US-Wirtschaft ausmacht, Tendenz fallend. 

Angst vor Eskalation

Bislang sieht es nicht so aus, als würde sich die Lage in Libyen bald entspannen oder als würde Gaddafi es Mubarak gleichtun und zurücktreten. Viel eher sieht es so aus, als sei Gaddafi bereit, sein Volk mit Gewalt zurückzudrängen. Dass sein Clan es auf einen Kampf zwischen Herrschenden und Untertanen ankommen lässt, steht für arabische Medien bereits fest. Sie fürchten, dass es viele weitere Tote geben könnte. Ein Szenario, das den westlichen Anleger noch nervöser machen und den Ölpreis auf den magischen Preis von mehr als 120 Dollar pro Barrel heben könnte.

Riesige Ölreserven

Libyen hat mit 5,7 Milliarden Tonnen die größten nachgewiesenen Reserven in ganz Afrika und ist einer der größten Erdölförderer der Welt. Wegen der Unruhen fiel die Förderung um geschätzte 100.000 Barrel am Tag, also sechs Prozent der Gesamtproduktion. Europäische Mineralölkonzerne wie Eni Spa, Total SA, OMV AG und die BASF-Tochter Wintershall haben mit dem Abzug ihrer Mitarbeiter aus Libyen begonnen. Ein einflussreicher Stammesführer hatte damit gedroht, die Öllieferungen in den Westen binnen 24 Stunden einzustellen, sollte die Gewalt gegen die Aufständischen nicht aufhören. Das OPEC-Mitglied Libyen produziert täglich rund 1,6 Millionen Barrel Rohöl. Allein Eni fördert in Libyen ein Viertelmillion Barrel (Fässer à 159 Litern) pro Tag. Libysches Öl gilt als sehr hochwertig, viel davon wird nach Europa exportiert. Derzeit gibt es nach Angaben eines Delegierten eines Opec-Staates aus der Golfregion aber noch keine Lieferengpässe.

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