Auslistungen Händler gegen Hersteller: Was hinter den Preiskämpfen steckt

Kunden gehen durch die Edeka-Filiale in der Rindermarkthalle in Hamburg. Nach der Einigung auf einen neuen Liefervertrag mit Mars wird die Auswahl künftig wieder größer sein. Quelle: dpa

Edeka und Mars einigen sich nach langem Streit auf einen neuen Liefervertrag. Zuvor mussten Edeka-Kunden lange auf die Produkte des Herstellers verzichten. Eskalation oder ganz normal?

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Mars und Edeka einigen sich nach eineinhalbjährigem Ringen auf einen neuen Liefervertrag. Der Preisstreit zwischen Händler und Hersteller war nicht nur lang, sondern wurde auch mit harten Bandagen geführt: „Tschüss Miracoli. Hallo Delverde“, hieß es seinerzeit in einem Edeka-Prospekt. Da sich beide Seiten nicht auf neue Warenpreise einigen konnten, verschwanden die Mars-Produkte aus den Edeka-Regalen.

Das ist Vergangenheit: „Unser Interesse ist es, partnerschaftlich und erfolgreich mit allen Handelsunternehmen zusammenzuarbeiten“, teilt eine Mars-Sprecherin mit. Edeka meldet derweil Vollzug: „Für alle Kategorien sind bereits die Bestell- und Lieferzeitpunkte definiert“. Schritt für Schritt sollen die Produkte des Herstellers zurückkehren, dies könne jedoch ein paar Wochen dauern. Bereits Mitte Januar hatte die „Lebensmittelzeitung“ von einer bevorstehenden Einigung berichtet.

Diese Art von Streit ist keine Seltenheit: Zuletzt hatte Kaufland einen Teil der Produkte von Dr. Oetker aus den Regalen genommen. Zur Begründung hieß es lediglich: „Grund hierfür sind Differenzen in der weiteren Ausrichtung der Zusammenarbeit.“ Der Hersteller hüllte sich derweil in Schweigen. Die Ursache lässt sich jedoch leicht erahnen: Es geht ums Geld.

Für Tomaso Duso, Leiter der Abteilung Unternehmen und Märkte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin, sind derartige Konflikte nicht überraschend: „Das ist nicht neu, es gab immer wieder Kämpfe in den Verhandlungen zwischen Lebensmittelherstellern und Einzelhändlern um die Verteilung der Margen.“ Im vergangenen Jahr waren es Rewe, Edeka und Aldi, die sich mit dem Lebensmittelgiganten Nestlé angelegt hatten.

Duso sieht die Kostenverteilung in der Lieferkette als Auslöser solcher Preiskämpfe. „In den letzten Jahren waren die Gründe für solche Preiskämpfe die Inflation und höhere Energiepreise, die durch Spannungen in der Lieferkette infolge der Corona-Krise und dann des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine verursacht wurden“, sagt er. Von den gerade von der Politik beschlossenen Subventionskürzungen für Landwirte erwartet er neuen Preisdruck, der in der Wertschöpfungskette weitergegeben werde: Ob die Positionen der Beteiligten legitim seien oder nur der Gewinnmaximierung dienten, sei von außen schwer zu beurteilen, so der Experte.

Die bekannten Beispiele stützen diese These. Einem Bericht der Lebensmittelzeitung zufolge erwartete Kaufland nach den Preiserhöhungen des Vorjahres deutliche Preissenkungen von Dr. Oetker, die der Hersteller nicht zulassen will. Beim Konflikt zwischen Edeka und Mars machte dem Fachblatt nach dagegen der Hersteller mit einer geforderten Preiserhöhung um mindestens 20 Prozent Druck. Laut Edeka hatte auch nicht der Markt die Produkte aus dem Regal genommen – wie bei Kaufland – sondern Mars hatte die Lieferungen gestoppt.

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Aus Sicht von Jörg Funder vom Institut für Internationales Handels- und Distributionsmanagement ist dies allein schon wegen des üblichen Machtgefälles zwischen Handel und Hersteller eine Besonderheit. Es gebe nur wenige Lebensmittelunternehmen, die sich diesen Schritt zutrauten. Diese seien in der Regel global aufgestellt und der jeweilige Markt habe für sie keine so zentrale Bedeutung – so wie bei Mars.

Duso sieht in der starken Position von Mars darüber hinaus einen Grund, der die Auseinandersetzung in die Länge gezogen haben könnte. Zudem habe der Händler – angesichts der hohen Inflation – wohl allzu große Preissprünge für die Verbraucher vermeiden wollen. Ein Grund also, dem Druck des Herstellers nicht nachzugeben.

Doch wie kam es dann zur Einigung? Funder nennt zwei mögliche Faktoren: Zum einen habe die nachlassende Inflation den Kostendruck auf den Hersteller verringert, zum anderen sei Mars in bestimmten Segmenten so stark, dass Edeka kaum Ausweichmöglichkeiten gehabt habe.

Prinzipiell sind solche Konditionsgespräche aus Expertensicht jedoch nichts Außergewöhnliches. Einmal im Jahr verhandeln Händler und Hersteller über die Listenpreise und die darauf gewährten Rabatte. Bei diesen Verhandlungen lassen die Akteure Funders Worten nach die Muskeln spielen: Es geht darum, wer der Mächtigere ist und wer seine Interessen durchsetzen kann. Beim Konflikt zwischen Kaufland und Dr. Oetker sei dies daran zu erkennen, dass nicht alle Produkte des Herstellers ausgelistet wurden, sondern typischerweise solche, bei denen dieser sehr dominant ist. Ein weiteres Motiv kann sein, dass das betreffende Produkt für das Unternehmen von strategischer Bedeutung ist.

Bei der Frage, ob mit den gesunkenen Energiepreisen nun auch die Hersteller ihre Preise senken sollten, gibt es nach Ansicht des Experten zwei Seiten der Medaille. Einerseits sei das Argument aus Händlersicht berechtigt: Sehr viele Hersteller hätten die Chance genutzt, bei den Preissteigerungen der letzten Jahre – insbesondere bei Rohstoffen und Energiekosten – über das notwendige Maß hinauszugehen. Damit wollten die Unternehmen laut Funder den Effekt der sogenannten Margendrift ausgleichen. Dieser führe erfahrungsgemäß dazu, dass sich die Marge bei bestehenden Produkten im Zeitablauf tendenziell von den Herstellern zu den Händlern verschiebe.

Hintergrund ist, dass einmal gewährte Rabatte in den Preisverhandlungen zwischen Handel und Hersteller in den Folgejahren nicht zurückgenommen werden können. Dies liege an der Marktmacht der Handelsketten, so der Experte: „Der größte Konsumgüterhersteller in Deutschland ist etwa zehnmal so klein wie der größte Händler“. Staatliche Eingriffe hält er aber weder für möglich noch für ratsam. Den Handel bezeichnete er zwar als enges Oligopol, jedoch gelte er den bestehenden Regularien nach noch als ein funktionierender Markt.

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Produkte im Handel werden also tendenziell immer möglichst günstig angeboten. Für die Verbraucher in jedem Fall schön zu hören, oder? Aus Sicht des Handelsexperten ist das zu kurz gedacht. „Dabei wird vergessen, dass Hersteller auch Innovationen leisten müssen“, erklärt er. Neue Produkte, die die Bedürfnisse der Verbraucher besser befriedigen könnten, blieben ohne entsprechende Mittel möglicherweise aus. „Es ist also immer eine Frage, wie viel ich tatsächlich an Marge und an Gewinn bei Herstellern brauche, um eben diese Innovationsleistung auch zu gewährleisten.“

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Transparenzhinweis: Dieser Beitrag erschien erstmals am 19.1.2024. Wir haben ihn aktualisiert und neu publiziert.

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