Erste Filiale in Deutschland Abercrombie & Fitch flüchtet nach Düsseldorf

Die US-Bekleidungsfirma Abercrombie & Fitch hat mit viel nackter Haut ihren ersten Laden in Deutschland eröffnet. Die Expansion ins Ausland gleicht einer Flucht, in den USA nutzt sich ihre rebellische Masche ab.

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Männliche Models vor der Abercrombie & Fitch Filiale auf der Königsallee in Düsseldorf im Vorfeld der Eröffnung. Quelle: dpa

Düsseldorf "Nur noch sieben Minuten" sagt ein elfjähriger Junge in sein HTC-Smartphone mit erwartungsfroher Stimme. Er wartet vor einem mit Jalousien verhangenen Laden, nur ein kleines rechteckiges Schild neben dem Eingang weist darauf hin, um welchen Laden es sich handelt: Abercrombie & Fitch (A&F). Die amerikanische Bekleidungskette eröffnet ihre erste Filiale in Deutschland, zwei weitere in Hamburg und München sollen 2012 folgen

"Nur noch sechs Minuten" ruft eine Zwölfjährige in Ugg-Boots und mit auf dem Arm hängender "George, Gina und Lucy"-Tasche. Mit ihr warten noch rund 300 andere junge Menschen in teuren Klamotten darauf, dass es zehn Uhr wird und der Laden öffnet.

Dann treten ein sehr gut aussehender blonder junger Mann und eine sehr hübsche braunhaarige junge Frau vor den Eingang. Ihr "Welcome to A and F" geht fast unter. Die ersten Teenager gehen in den Laden. Das Dutzend Security-Personal ist gar nicht nötig, die Deutschen werden ihrem Ruf gerecht und warten brav, bis sie an der Reihe sind.

 „Deutschland ist ein Schlüsselmarkt für uns“, sagt Richard Collyer, der bei Abercrombie & Fitch für die Planung neuer Shops zuständig ist. Dennoch, das Unternehmen expandiert behutsam. Nach dem Laden in Düsseldorf sollen im nächsten Jahr gerade einmal zwei weitere in München und Hamburg eröffnet werden. Städte, in denen die Leute das nötige Geld für die teuren Jeans und Shirts haben. Und Orte, die die erklärte Zielgruppe von Abercrombie & Fitch beherbergen: junge, hübsche, gestylte Schüler und Studenten aus gutem Hause.

„Wir wollen den All-American Jugendlichen mit einer tollen Einstellung und vielen Freunden“, sagt A&F-Chef Michael Jeffries. Der 61-Jährige ist so auffällig wie sein Unternehmen selbst: Blondierte Haare, sichtbar geliftetes Gesicht, sein Markenzeichen sind Flip Flops, die er zu jeder Gelegenheit trägt. Der Mann hat Abercrombie & Fitch gerettet. Er machte sie zu der coolen, rebellischen und beliebten Marke, die sie heute ist.

Doch der Erfolg in den USA lässt nach. „Das Unternehmen hat dort bisher verschlafen, sich neu zu erfinden“, sagt die Marketingexpertin Silvia Danne. Immer mehr Kunden finden andere Marken angesagter. Doch das Unternehmen geht das Problem in den USA nicht an, sondern verschiebt es erstmal - mit einer Expansion im Ausland.


Über allem wabert ein süßlich-herber Geruch

"Von der Presse darf keiner rein", weist einer der Aufpasser den anderen an, "vor allem keine Kameras!" Rein kommen Journalisten nur ohne Kamera, wer keine Lust oder keine Zeit hat in der Schlange zu stehen muss draußen bleiben. Am Eingang empfängt ein durchtrainierter blonder junger Mann die Kunden oben ohne. Fünftklässler schmiegen sich an den drei Köpfe größeren halbnackten Jungen und strahlen in die Kamera, das Foto gibt's als Erinnerung gratis. Das zeigen die Mädchen dann ihren Freundinnen, die noch in der Reihe stehen. Die Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert.

Drinnen erinnert vieles an eine Art Religion. Die um die 20 Jahre alten Verkäuferinnen und Verkäufer tragen alle dieselbe Farbkombination: Roter Karo, blau und weiß, sie wirken wie uniformiert. Sie wippen im Takt mit der lauten Musik, strahlen die Besucher an und rufen immer wieder "Hey, what's going on" - "hey, was geht?". Und über allem wabert ein süßlich-herber Geruch: Das Parfüm "Fierce", das Erkennungszeichen der Marke A&F.

Über vier Etagen werden die recht schlichten Klamotten von A&F verkauft, in einer Umgebung, die von der Außenwelt abgeschnitten sein zu scheint. Das Licht ist abgedunkelt, schwarzer Hochglanzfußboden, schwarze Decken, an den Wänden Bilder und Gemälde von durchtrainierten, halbnackten Männern.

Draußen warten die Journalisten. Kamerateams von Pro Sieben, RTL und WDR stürzen sich auf die ersten Teenies, die den Laden verlassen, Blitzlichter leuchten auf. Was die Jugendlichen den Reportern strahlend in die Mikrofone sprechen, hätte sich ein Pressesprecher nicht schöner ausdenken können: "Es lohnt sich für die Klamotten mehr Geld auszugeben", sagt eine 14-Jährige strahlend, "sie sind weich, die Farben sind toll, die Sachen haben eine gute Qualität." Einzig die Beleuchtung im Laden sei ein bisschen unpraktisch, aber dann halte man die Sachen eben näher ans Licht.

A&F versteht es, zu inszenieren. Schon die Show im Vorfeld war interessant, eine Woche lang standen 40 hübsche Männer vor der Filiale. Bei den Eröffnungen in Paris und Madrid in diesem Jahre waren es sogar mehr als 100 von ihnen.

Inzwischen betreibt das Unternehmen 14 Läden unter dem Namen A&F, 63 unter dem Namen Hollister und einen Gilly Hicks-Laden außerhalb seines Heimatmarktes. Allein im vergangenen Quartal wuchs der Auslandsumsatz um 56 Prozent auf 256 Millionen Dollar.

Die neuen Läden haben geholfen, den Umsatz wieder zu stabilisieren. Der war 2009 kräftig abgestürzt: Von 3,5 Milliarden Dollar auf 2,9 Milliarden Dollar. Im vergangenen Jahr setzte A&F zwar wieder 3,5 Milliarden Dollar um, der Nettogewinn ließ wegen der Kosten für die Expansion jedoch zu wünschen übrig. Während er 2008 noch 272 Millionen Dollar betragen hatte, brach er 2009 auf nur noch 254.000 Dollar ein. 2010 erholte sich der Nettogewinn zwar wieder, lag mit 150 Millionen Dollar jedoch immer noch weit unter den Werten aus besseren Zeiten.

Die Analysten jedenfalls sind positiv gestimmt: Zur Zeit empfehlen mehr als die Hälfte von ihnen die Aktie des Unternehmens zu halten, fast ein Viertel rät sogar zum Kauf.

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