Rote Haare und quietschgrüne Schuhe – Stefan Kneer hebt ab, verzögert kurz und hämmert dann die Kugel kraftvoll in die Maschen. Auf der Anzeigentafel leuchtet sein Treffer auf: Deutschland liegt 18 zu 17 vorn gegen Russland. Am Ende gewinnt Kneers Team und stößt die Tür zur Zwischenrunde der Handball-WM auf.
Die Leistungsschau der Wurfstars, die noch bis kommenden Sonntag im Wüstenstaat Katar läuft, ist zugleich auch eine Sportartikelmesse der gehobenen Art: Von Asics über Adidas und Hummel bis Kempa sind alle Marken vertreten. Dennoch stechen sie hervor, die grellen Kneer-Treter: Der Rückraumschütze trägt Schuhe von Salming, einer kleinen schwedischen Marke, die clever die WM-Bühne nutzt, um auf sich aufmerksam zu machen.
So tragen neben Kneer in Katar auch Teamkollegen wie Michael Kraus oder Schwedens Torhüter Mattias Andersson Salming-Schuhe. Auf dem Bezahlsender Sky, der die WM überträgt, laufen Salming-Werbespots.
Der Zwerg aus Göteborg ist drauf und dran, in dem nach Fußball mit fast 800.000 Aktiven beliebtesten Sport der Deutschen Marktanteile zu erobern. Neben dem Design setzen die Schweden vor allem auf eine neuartige Sohlenkonstruktion, die besonders stabil und leicht sein soll. In der Handballbundesliga statten sie neben MT Melsungen künftig mit dem Bergischen HC aus Wuppertal den zweiten Verein aus; bei den Damen läuft der deutsche Meister Thüringer HC in Salming auf.
Mit den Stars entdecken immer mehr Freizeitsportler bis runter in die Kreisliga den Exoten. „Finanziell können wir mit den Großen nicht mithalten“, sagt Alex Kluge, Geschäftsführer Salming Deutschland, „aber die Spieler kommen auf uns zu, und so können wir Nadelstiche setzen und legen mit jeder Saison sehr stark zu.“
Tatsächlich ist Salming, 1991 vom früheren Eishockeyprofi Börje Salming zunächst als Marke für Unterwäsche und Bademode gegründet, noch ein Winzling: Knapp zehn Millionen Euro setzte die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft Salming Sports 2014 um. Sie konzentriert sich neben Handball und Laufen auf Nischen wie Squash und Floorball, eine Art Hockey. Aber das Unternehmen wächst schnell: 2015 will Vorstandschef Tomas Solin den Erlös auf 13,5 Millionen Euro steigern – das wäre doppelt so viel wie vor zwei Jahren.
Tempogegenstoß
Salming setzte erst vor Kurzem im deutschen Handballmarkt – dem größten der Welt – zum Tempogegenstoß an. Anfang 2014 übernahm Solin seinen Vertriebspartner Spreefabrik. Neben den USA, wo sich Salming auf Laufschuhe konzentriert, sind die Berliner die einzige direkte Tochter. In 60 Ländern betreiben Partner das Geschäft.
Seitdem wächst die Marke hierzulande stark: In diesem Jahr sollen 215 Händler die Schuhe und Trikots der Schweden verkaufen – 2012 waren es gerade zehn. Im Vergleich zu Europas Branchenprimus Adidas, der 2013 knapp 15 Milliarden Euro umsetzte, zwar ein Klacks: Die Franken beliefern in Deutschland, Österreich und der Schweiz 1.600 Geschäfte. Doch anders als beim Fußball, wo neun von zehn Schuhen das Adidas- oder Nike-Logo tragen, ist der Handballmarkt zersplittert.
200 Stiche im Gesicht
Hinter Marktführer Asics tummeln sich Hummel, Kempa, Adidas und Mizuno, mit Abstand folgen Puma und Nike. Doch die Amerikaner bieten Handballern nur flache Basketballschuhe an – die Sportart ist für sie global gesehen zu klein, um eigens aufwendig Produkte zu gestalten. So entstehen Chancen für Neulinge wie Salming. „Wir haben das Potenzial früh erkannt“, sagt Jan Ebeling, bei der Händlergemeinschaft Sport 2000 für den Schuheinkauf verantwortlich, „die Entwicklung der Abverkäufe ist erfreulich positiv.“
Allerdings schreckt einige Händler der Preis ab. Der Kneer-Schuh etwa kostet 139 Euro und liegt damit am oberen Ende der Preisskala: „Für eine neue Marke ist das sehr teuer“, sagt Sporthändler Filippo Raccuglia aus der Handballhochburg Gummersbach.
Dennoch hat auch Marktführer Asics den Neuling registriert und räumt Salming Chancen ein, so Deutschland-Chef Carsten Unbehaun – wohl auch wegen der Geschichte des Gründers: Börje Salming kurvte als einer der ersten Europäer in der US-Profiliga NHL übers Eis. 1986 erwischte den Abwehrrecken der Schlittschuh eines Gegners im Gesicht.
Die Wunde musste mit mehr als 200 Stichen genäht werden. Auch deshalb wirbt seine Marke heute mit dem Spruch „No Nonsense“.