Tatsächlich hört der Kult ums Tier und das Geschäft damit längst nicht mehr bei Futter, Spielzeug und Gesundheitsvorsorge auf. In anderen Bereichen fängt es erst richtig an. Zu den Gewinnern der Tier-Vernarrtheit zählen für Wirtschaftswissenschaftlerin Ohr derzeit die Dienstleister. Auf rund 700 Millionen Euro beziffert sie den Markt für Dienstleistungen für Heimtiere. Tendenz stark steigend.
Etwa 80 Euro kostet allein der Tagesaufenthalt im Münchner Fünf-Sterne-Hotel Canis Ressort. Buchen Herrchen oder Frauchen noch die Trainings- und Pflege-Angebote hinzu, wird es schnell doppelt so teuer. Und auch ohne Tagesaufenthalt kostet ein Besuch beim Hundefrisör inklusive Krallenschneiden schnell 70 Euro und mehr.
Hunde als Prestigeobjekt
Wer sein Tier föhnt und zum Urlaub ins Wellness-Hotel schickt, verhätschelt und verweichlicht es schnell und kann ihm sogar schaden, warnen Tierschützer und Psychologen unisono. "Menschliche Bedürfnisse sind artspezifisch, und stehen daher mitunter sogar konträr zu dem, was gut für die Tiere ist", sagt Wechsung.
Die Psychologin sorgt sich nicht nur um die Nichtwisser, die ihre eigenen Bedürfnisse unreflektiert auf das Tier übertragen, ohne es böse zu meinen. Sondern vor allem um die, die ihr asymmetrisches Machtverhältnis zum Tier ausnutzen. "Es gibt Menschen, die egoistisch mit ihren Tieren umgehen", sagt Wechsung. Dann werde aus dem Hund schnell ein bloßes Prestigeobjekt, ein Statussymbol, mit dem man sich schmückt.
Die Rechte der Haustierhalter
Das Landgericht Mainz (AZ 6 S 87/94) hat entschieden, dass auch auf dem Land ein Hundehalter darauf achten muss, dass die Nachbarn zwischen 22 Uhr abends und sieben Uhr morgens sowie zwischen 13 und 15 Uhr mittags nicht durch übermäßiges Bellen gestört werden – wie der Hundehalter diese Ruhezeiten einzuhalten hat, beantworteten die Richter allerdings nicht.
Lebt der bellende Vierbeiner in der Stadt Tür an Tür mit dem Nachbarn, so kann das für den Besitzer auch einmal dramatischer ausgehen. So haben das Amtsgericht Rheine /AZ 14 C 731/97), das Amtsgericht Hamburg (AZ 49 C 165/05) und auch das Amtsgericht Potsdam (AZ 26 C 76/00) entschieden, dass in besonders drastischen Fällen von Dauer-Gebell auch eine Mietminderung wegen Hundegebells aus der Nachbarwohnung vertretbar sei. Auch der Vermieter ist gegenüber solchen Dauerkläffern nicht machtlos: Ist der Hundehalter uneinsichtig oder gelingt es nicht, seinen Vierbeiner mit normalen Umgangsformen auszustatten, dann kann der Vermieter dem Mieter samt ständigem Dauerkläffer das Mietverhältnis fristlos kündigen.
Doch nicht nur die bellenden Hausgenossen geben Anlass zum Ärger, auch Samtpfoten können für Auseinandersetzungen in der Nachbarschaft sorgen. Nachbarn müssen frei laufende Katzen im Garten in gewisser Anzahl zwar erdulden – das gilt allerdings nicht immer. Das Landgericht in Bonn entschied (AZ 8 S 142/09), dass die Kläger Verunreinigungen auf Gemeinschaftsflächen nicht hinnehmen müssen, weil die Katzen auf den großen Terrassenflächen ihre Hinterlassenschaften nicht verscharren können.
Ist im Mietvertrag beispielsweise die Katzenhaltung ausdrücklich erlaubt, so schützt dass den Mieter nicht vor einer Wohnungskündigung, wenn sich herausstellt, dass in der besagten Wohnung 15 Katzen gehalten werden. Die Eröffnung eines privaten Tierasyls fällt nach Ansicht des Landgerichts Aurich (AZ 1 S 275/09) nicht unter die ursprünglich erteilte Erlaubnis der Katzenhaltung.
Doch nicht nur Haustiere sorgen für Ärger beim menschlichen Miteinander - auch bei der Nutztierhaltung gilt es, einige Regeln zu beachten. So hat das Oberlandesgericht in Celle entschieden (AZ 4 U 37/87), dass das Gegacker von Hühnern eine unzumutbare Belästigung sein kann. Ähnliches gilt auch für das morgendliche Krähen eines Hahnes, urteilten sowohl das Landgericht in Hildesheim (AZ 7 S 541/89) als auch das Landgericht München (AZ 23 O 13352/86). Aber es gibt auch Federvieh-freundliche Richter. So urteilte das Landgericht Kleve (AZ 6 S 311/88), dass der Weckruf eines Hahnes früh um 3 Uhr morgens auf dem Land durchaus zumutbar sei.
Ist Bello das Strass-Halsband vermutlich noch egal, schränken Kleider und Kostümchen die Bewegungsfreiheit der Tiere ein. Parfüm und Hygiene-Artikel können dem Tier sogar gefährlich werden. Auch wenn Renate Ohr den Trend zu Premiummarken und Luxus für Haustiere bestätigen kann, die ganz bizarren Ausprägungen der Schmuck- und Luxus-Hundehalter hält die Ökonomin für eine kaufkräftige, aber kleine Gruppe.
Immer größer wird hingegen die Gruppe der Halter, die ihren Tiere auch noch nach dem Tod menschlich behandelt. Hund und Katze werden längst nicht mehr immer im eigenen Garten vergraben oder dem Tierarzt überlassen. Zu den schon etablierten Tierfriedhöfen ist ein neues Geschäftsfeld hinzugekommen. Die Zahl der offiziellen Tierbestattungen hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht. Und auch die Anzahl der Tier-Krematorien wächst rasant.
Eine einfache Internetsuche zeigt Dutzende Anbieter. Das Neusser Tierkrematorium "Im Rosengarten" zum Beispiel. Etwa 90 Euro kostet die Einzelkremierung für ein Kleintier bis zu einem Kilogramm. Für größere Hunde ab 22 Kilogramm werden 270 Euro fällig. Zusätzliche Dienstleistungen wie Abholung, Schmuckzertifikat oder die "Ascherückführung per DPD oder DHL" kosten extra.
Nach Schätzungen von Renate Ohr setzten Tierbestatter und -krematorien zuletzt 40 Millionen Euro um. Die Liebe zum Tier geht über den Tod hinaus. Das Geschäft mit ihm auch.