H&M So sichern sich die Schweden die Macht über die Einkaufsstraßen

Ob Gerry Weber, Tom Tailor oder Hugo Boss. Es rumort in der Modebranche. Geschäfte werden geschlossen, Mitarbeiter entlassen. Doch Hennes & Mauritz expandiert. Ein Grund: Das Unternehmen ist mehr als nur H&M.

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Hennes & Mauritz, Cos und Monki. Quelle: imago, Montage

Ein Kleidungsstück hängt fein säuberlich und geordnet auf der Stahlkonstruktion neben dem anderen. An den Wänden liegen Pullover penibel gefaltet auf dem hellen Holzregal. So wie die Einrichtung, ist auch das Design der Kleider von Cos: puristische Schnitte und hochwertige Materialien in gedeckten Farben. Auf der Ehrenstraße in Köln reiht sich Modeladen an Modeladen. Dabei ist die Vielfalt nicht so groß, wie es vielleicht den Anschein macht.

Nur ein paar Meter neben Cos wird fündig, wer es zwar schick, aber nicht ganz so konservativ möchte. &Other Stories ist genauso akribisch geordnet, aber komplett in Weiß gehalten. Zur Zielgruppe gehören vor allem modeaffine Frauen, die sich den Shoppingrausch im Billigladen immer häufiger verkneifen und sich dafür hier und da ein Teil von mittelteuren Marken gönnen. Wer stilmäßig hier nicht hineinpasst, läuft kurz die Straße hinunter zu Weekday. Jung, sportlich, hip. Kunden kombinieren North Face-Jacken mit Leggings und Turnschuhen. Das Totenkopf-Label bietet ihnen dafür Sandalen, Sport-Bhs und Hipster-Zubehör. Für wen immer noch nichts dabei ist, der geht einfach zum guten alten H&M nebenan.

Vier völlig unterschiedliche Läden, alle in einer Straße, nur ein paar Meter voneinander entfernt. Was viele nicht wissen: Ob H&M, &Other Stories, Cos oder Weekday. Alle Labels gehören zu ein und demselben Unternehmen: zum schwedischen Textilriesen Hennes & Mauritz.

Die umsatzstärksten Modehändler der Welt

H&M gilt als Pionier des Konzepts „Mode zu erschwinglichen Preisen“. Heute ist der Vorreiter eingeklemmt zwischen den Zara’s, die modischer sind, und den Primark’s, die preiswerter sind. Trotzdem haben es die Schweden geschafft ihre Marktstellung zu behaupten, und ihr Geschäft stetig zu steigern.

Der Konzern startet allerdings wegen eines starken Dollars, der für höhere Beschaffungskosten sorgt, und dem milden Winter, eher holprig ins erste Quartal 2016 , der Gewinn ging deutlich zurück. Beim Umsatz legen die Schweden trotzdem leicht zu, auf rund 4,7 Milliarden Euro. Die aktuellen Zahlen vom vergangenen Geschäftsjahr zeigen allerdings, dass H&M weiter auf Erfolgskurs ist. Mit einem Umsatzplus von satten 19 Prozent, auf insgesamt 19,49 Milliarden Euro. Im Frühjahr sollen neue Filialen in Südafrika, der Schweiz, Ungarn und Indien aufmachen und auch das Online-Geschäft wird im Laufe des Jahres weiter ausgebaut.

„H&M hat die Chancen gesehen und genutzt“

Der zweitgrößte Textilkonzern Europas nach Inditex (Zara), setzt auf Wachstum. Die Expansion des Unternehmens ist auf Rekordniveau. Aktuell arbeiten 148.000 Mitarbeiter in über 3900 Geschäften in 61 Ländern weltweit. Größter Absatzmarkt: Deutschland. Allein hierzulande gibt es 449 H&M-Stores. Jürgen Dax, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands des Deutschen Textileinzelhandels (BTE) findet, dass die Strategie des Moderiesen für sich spricht: „H&M hat die Chancen gesehen und genutzt. Sie zeigen damit, dass der Markt lebt.“

Bei einem eher schmächtigen Plus von ein bis zwei Prozent im vergangenen Jahr, kommt die deutsche Textilbranche laut BTE auf 62 Milliarden Euro Umsatz. Hennes & Mauritz liefert davon alleine vier Milliarden Euro. „Man könnte also sagen, jedes siebte Teil das gekauft wird, ist von H&M“, erklärt Dax. Der Zuwachs käme beim Branchenriesen dabei hauptsächlich durch Flächenexpansion und neue Konzepte. Und darauf setzt das Unternehmen.

Die Schweden vertreiben Mode längst nicht mehr nur unter ihrer Hauptmarke. Mittlerweile kauft man bei H&M ohne zu wissen, dass man bei H&M kauft. Seit fast zehn Jahren erweitert H&M sein Markenportfolio. Insgesamt fünf Labels gehören neben der Hauptmarke zu Hennes & Mauritz: Cos mit hochwertiger Frauen- und Männermode war die erste Erweiterung 2007, Weekday für die sportlicheren Typen, Cheap Monday und die hippe Marke Monki folgen mit der Übernahme von Facric Scandinavien 2008. 2013 schließlich &Other Stories, ebenfalls im Premiumbereich angesiedelt. Die zusätzlichen Labels will H&M kontinuierlich ausbauen, und sich dabei nicht nur auf bereits bestehende, sondern auch auf die Erschließung neuer Märkte wie Rumänien, Malaysia und Saudi Arabien konzentrieren. Hinzu kommen außerdem H&M Home, H&M Sport sowie seit vergangenem Jahr H&M Beauty dazu. Und seit einigen Jahren finden sich neben H&M auch extra Stores wie H&M for Men oder H&M Underwear and Loungewear in den Fußgängerzonen.

Die Zeiten, in denen H&M lediglich Anlaufstelle für junge Frauen und Männer mit kleinem Geldbeutel war, sind längst vorbei. Selbst Modeikonen wie Sarah Jessica Parker tragen eigens designte Roben der Schweden mittlerweile auf dem roten Teppich.

Dieses Wachstumsfeld hat allerdings auch die Konkurrenz von Zara mit ihrer Mutterfirma Inditex erkannt: Im August 2011 startete die Linie Bershka in Deutschland und zwei Jahre später Pull and Bear. Der Modekonzern Amancio Ortegas ist die größte Konkurrenz der Schweden, und steht zwar nicht in Deutschland, dafür aber auf der Weltrangliste auf dem ersten Platz, vor Hennes & Mauritz.

Aus Sicht des Markenexperten Karsten Kilian birgt diese so genannte Mehrmarkenstrategie gleich mehrere Vorteile. „Die verschiedenen Modemarken ermöglichen es dem Unternehmen einerseits, weitere, teilweise höherpreisige Marktsegmente adäquat anzusprechen und damit noch stärker zu wachsen", auf der anderen Seite würde dadurch das Marktrisiko an sich gesenkt. „Sollte eine der sechs Marken einmal modisch 'daneben' liegen, würde damit nicht gleich das ganze Unternehmen unter Druck geraten“, erklärt Kilian.

Gelingt es Hennes & Mauritz seine Labels klar voneinander abzugrenzen, und umsatztechnisch auf ein tragfähiges Niveau zu heben ohne dabei die Hauptmarke zu vernachlässigen, bleibt das Modeimperium aus Sicht des Experten auch dauerhaft profitabel- und erfolgreich.

Die beliebtesten Textilhersteller

Aber die Konkurrenz drängt nach vorne. Primark, Superdry oder Uniqlo aus Japan stehen erst am Anfang ihrer Expansion in Deutschland. Auch die polnische Marke Reserved plant hierzulande den Markt zu erobern. Das Flaggschiff der börsennotierten LPP-Gruppe sei preislich wie qualitativ vergleichbar mit H&M, heißt es. In Osteuropa gehört die Kette mit mehr als 500 Filialen schon zu den Branchenriesen, die Chancen auf dem deutschen Markt stehen gut. Die wachsende Konkurrenz bekommt auch H&M zu spüren. Im vergangenen Geschäftsjahr konnte der schwedische Moderiese seine Umsätze nur noch um zwei Prozent steigern. Im Vorjahr lag die Wachstumsrate mit sieben Prozent noch deutlich höher.

„Wie das Beispiel Abercrombie & Fitch gezeigt hat, können Marken innerhalb weniger Jahre von der angesagten Trendmarke zur abgelegten Outmarke werden", sagt Kilian. Dennoch habe Hennes & Mauritz sein Wachstumspotenzial noch lange nicht ausgereizt. „Noch ist H&M in 'nur' 61 Ländern vertreten.“ In Märkten wie Indien (2 Stores), China (350 Stores) und Russland (100 Stores) würde das Unternehmen erst am Anfang stehen. „Da sprechen wir nochmal von einem Umsatzwachstum von gut 50 Milliarden, allein für China und Indien", schätzt der Experte. Das starke Expansionstempo setzt sich 2016 mit 400 neu geplanten Geschäften fort. Neu geplante Märkte für das Jahr 2016 sind Neuseeland, Zypern und Puerto Rico. Darüber hinaus plant H&M seinen Onlineshop in neun bestehenden Märkten einzuführen. Solange heißt es, Zahlen lügen nicht: Noch lieben die Deutschen ihren H&M.

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