Inkasso Internetshops leiden unter schlechter Zahlungsmoral

Die Zahlungsmoral der Verbraucher bessert sich, beim Einkaufen im Internet ist das aber ganz anders.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Zahlungsbereitschaft der Deutschen bessert sich. Aber bei Onlinebestellungen wird immer noch häufig nicht bezahlt. Quelle: dpa

Deutsche Unternehmen können sich im Normalfall darauf verlassen, dass ihre Privat- und Firmenkunden ihre Rechnungen pünktlich begleichen. Die halbjährliche Umfrage des Bundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) unter seinen Mitgliedern zeigt eine stabile Zahlungsmoral. Von ihnen melden 60 Prozent, die Rechnungstreue sei so gut wie vor einem halben Jahr, 29 Prozent haben eine Verbesserung beobachtet. „Damit kann die deutsche Wirtschaft robust und ohne Liquiditätssorgen in das neue Jahr starten“, sagt BDIU-Präsident Wolfgang Spitz.

Daher erwartet der Verband, dass sie Zahl der Insolvenzen in Deutschland im vergangenen Jahr gesunken ist. Die offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamts liegen noch nicht vor, die Inkassobranche geht aufgrund ihrer Erfahrungen für 2015 von einem Rückgang der Firmenpleiten um vier Prozent auf 23000 aus. Und für 2016 sei mit maximal 22500 Insolvenzen zu rechnen.

Die unzuverlässigsten Schuldner der Welt
Die Euro-Krise setzt Italien bereits seit Jahren zu. Nach mehreren politischen Führungswechseln versucht das südeuropäische Krisenland nun wieder Fuß zu fassen. Unter dem neuen Premier Matteo Renzi sind die Entwicklungen jedoch weiterhin nur marginal. Bei der Analyse der Zahlungsmoral kommt der Kreditversicherer Euler Hermes zu einem ähnlich schwachen Ergebnis. Die Inkasso-Komplexität in Italien ist hoch. Von Vorteil ist, dass Italien zur Europäischen Union zählt. Innerhalb der Europäischen Union gelten einheitliche Richtlinien. Diese Standardisierung macht sie zu einer insgesamt geschäftsfreundlichen Zone und vereinfacht den Handel sowie das innereuropäische Inkasso erheblich – Inkasso-Schwierigkeitsgrad: 53 (Es gilt: Je höher der Inkasso-Schwierigkeitsgrad, desto schwieriger ist es für Unternehmen, nicht gezahlte Rechnungen einzutreiben; Maximal-Schwierigkeitsgrad: 100). Quelle: dpa
Die türkische Wirtschaft gehört zu den am stärksten wachsenden Ökonomien im europäisch-asiatischen Raum. Trotz dieser Entwicklung ist die Zahlungsmoral des Landes alles andere als zufriedenstellend. In den vergangenen drei Jahren hat die Zahl der unbezahlten Rechnungen zugenommen. Kritisiert wird auch die mangelnde Unabhängigkeit der Gerichte, die im Falle nicht gezahlter Rechnungen nicht unbeeinflusst entscheiden würden. Inkasso-Schwierigkeitsgrad: 53 Quelle: dpa
In der größten Volkswirtschaft der Welt wird die Zahlungsmoral immer schlechter. Eine allgemeine Regelung bei Zahlungsverzug gibt es zudem nicht. Die Zahlungsbedingungen sind bei Geschäften in den USA meist nur ein Vertragspunkt. Das erhöht die durchschnittliche Dauer von Zahlungseingängen dramatisch. Inkasso-Schwierigkeitsgrad: 53 Quelle: AP
Auch Polen profitiert wie Italien davon, Mitglied der Europäischen Union zu sein – obwohl die Zahlungsmoral zu wünschen übrig lässt. Sechs der zehn wichtigsten Handelspartner deutscher Unternehmen verzeichnen maximal ein „erhebliches Risiko“ in Bezug auf die Inkasso-Komplexität. Die Vorteile einer einheitlichen Regelung in der EU beeinflussen die Platzierung von Ländern mit einer schlechten Zahlungsmoral wie Italien oder Polen positiv – Inkasso-Schwierigkeitsgrad: 54 Quelle: dpa
Tschechische Firmen zahlen in der Regel ihre Rechnungen recht zuverlässig. Allerdings kritisiert Euler Hermes das komplexe Rechtssystem und den Mangel an Transparenz. Problematisch wird es für die Rechnungssteller zudem, wenn ein Schuldner insolvent wird – Inkasso-Schwierigkeitsgrad: 58 Quelle: dpa
Unternehmen aus der Slowakei schneiden bei der Analyse besonders schlecht ab. Im EU-Vergleich werden Rechnungen von slowakischen Firmen nur sehr spät beglichen. Als problematisch wird auch das mangelnde Vertrauen in das Rechtssystem eingestuft – Inkasso-Schwierigkeitsgrad: 66 Quelle: dpa
In der zweitgrößten Volkswirtschaft haben Gläubiger es besonders schwer: „China ist für viele deutsche Exporteure ein wichtiger Wachstumsmarkt – die Zahlungsfristen sind dort jedoch weiterhin übermäßig lang, verspätete Zahlungen nicht effizient geregelt und Gerichten mangelt es an Transparenz. Zudem sieht das Gesetz beispielsweise keinerlei Beschränkungen für einen chinesischen Händler vor, eine neue Gesellschaft zu gründen – obwohl er ein Unternehmen in die Insolvenz getrieben und seine Schulden noch nicht beglichen hat“, sagte Ludovic Subran, Chefökonom der Euler Hermes Gruppe. – Inkasso-Schwierigkeitsgrad: 76 Quelle: AP

Inkassodienstleister treiben im Auftrag von Gläubigern unbezahlte Rechnungen ein. Vor allem Großunternehmen mit zahlreichen privaten Kunden greifen regelmäßig auf die Dienste der Schuldenprofis zurück. Das gilt etwa für die Branchen Versandhandel, Telekommunikation oder Energieversorgung. Entgegen dem Klischee arbeiten professionelle Inkassofirmen nicht mit Hausbesuchen oder Drohanrufen, sondern setzen vor allem effiziente Callcenter ein. Ein weiteres Geschäftsfeld ist die Prävention von Zahlungsausfällen, etwa die automatische Bonitätsprüfung von Kunden, die auf Rechnung kaufen.

Rechnungskauf im Einzelhandel ist vor allem bei Onlineshops üblich. Das ist bequem für die Verbraucher, weil sie dann erst nach Erhalt der Lieferung zahlen können und keine Erstattung beantragen müssen, falls sie Ware wieder zurückgeben. Für die Internethändler allerdings wächst das Risiko, weil nicht nur Gelegenheitszechpreller sondern auch Profibetrüger vorsätzlich teure Produkte bestellen, ohne dafür bezahlen zu wollen.

Deshalb ist die Zahlungsmoral im Online- und Versandhandel nach Beobachtung der Inkassounternehmen schlechter als in anderen Bereichen. Jedes zweite Inkassounternehmen berichtet darüber, im Vorjahr meldeten das nur 37 Prozent. Im Internet könnten sich laut BDIU Händler und Kunden beim Vertragsschluss nicht in die Augen sehen. Das würden unredliche Verbraucher ausnutzen, vor allem bei prestigeträchtigen und teuren Produkten.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%