Jet-Projekt von China und Russland Mit vereinten Kräften gegen Boeing und Airbus

China und Russland wollen die Marktmacht von Airbus und Boeing brechen. Bis zum Jahr 2025 wollen die beiden Länder einen eigenen Großraum-Jet für die Langstrecke entwickeln. Doch der Plan birgt viele Risiken.

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Frankfurt Das Vorhaben ist politisch verordnet. Chinas Präsident Xi Junping und sein russischer Kollege Wladimir Putin persönlich hatten es im vergangenen Jahr angekündigt. China und Russland wollen gemeinsam ein eigenes Großraum-Flugzeug für den kommerziellen Einsatz entwickeln. Am Montag dieser Woche wurde in Schanghai die Gründungsurkunde des Joint-Ventures mit dem Namen Craic (China-Russia Commercial Aircraft International) unterzeichnet. Bis spätestens 2027 soll der neue Jet marktreif sein.

Der Plan ist nachvollziehbar. China verfolgt beim Thema Verkehrsinfrastruktur ehrgeizig sein das Vorhaben. Das Land ist am weitesten, geht es etwa um Elektromobilität auf der Straße. In beiden Ländern soll zudem das Schienennetz massiv ausgebaut werden. Und auch in der Raumfahrt haben China und Russland viel vor. Da liegt der Aufbau einer eigenen Flugzeugindustrie auf der Hand. Tatsächlich waren Überlegungen für einen Großraumjet erwartet worden.

Schon seit einigen Jahren arbeiten beide Länder an einem Mittelstreckenjet. Das chinesische Unternehmen Commercial Aircraft Corporation of China (Comac) hat die Maschine C 919 – ein Flugzeug mit bis zu 174 Sitzen – vor knapp zwei Wochen in Shanghai zum ersten Mal abheben lassen. Und das russische Unternehmen United Aircraft Corporation (UAC) hat mit seiner Irkut MS-21 Mitte Mai mit den sogenannten Rolltests begonnen. Sie sind Voraussetzung für den Erstflug, der noch im Sommer geplant ist.

Beide Flugzeuge zielen auf einen Markt, den bislang Airbus und Boeing mit der A320-Familie und der Boeing 737 Max dominieren. Nun wollen die beiden Länder das Duopol offensichtlich auch am oberen Ende der Produktpalette attackieren. Denn mit ihrem geplanten Craic-Großraumjet drängen sie in das Geschäft mit dem A350 von Airbus und dem Dreamliner von Boeing. Da aber die Entwicklung eines solch großen Flugzeugs eine ganz andere Herausforderung ist als die eines Mittelstrecken-Flugzeugs, ist es nur schlüssig, die Kompetenzen zu bündeln. Den Erfolg des Projektes garantiert die Kooperation der beiden Länder freilich noch lange nicht. Vielmehr stehen hinter dem Plan einige große Fragenzeichen.

Erstens: Die Entwicklung eines komplett neuen Flugzeugs ist eine gewaltige Aufgabe. Selbst die erfahrenen Flugzeugschmieden Airbus und Boeing hatten beim A350 und dem Dreamliner mit großen Problemen und Verzögerungen zu kämpfen. Comac und UAC haben selbst schon erlebt, welche Risiken im Flugzeugbau grundsätzlich lauern. Die C 919 von Comac konnte ihren Erstflug erst nach mehrjähriger Verzögerung starten. Experten schätzen, dass das Unternehmen die Maschine weitere zwei bis drei Jahre testen muss, bevor sie überhaupt in den Regelbetrieb gehen kann. Auch die Irkut MS-21 hängt im Zeitplan.

Zweitens: Wer die neuen Flugzeuge kaufen wird, steht in den Sternen. Fluggesellschaften agieren bei komplett neuem Fluggerät sehr zurückhaltend. Das hat Gründe: Es gibt keine Erfahrungswerte, was die Betriebskosten und die Wartungskosten angeht. Diese Zahlen sind aber enorm wichtig für die Kalkulation der Fluggesellschaften. In der Regel beginnen Airbus und Boeing die Entwicklung deshalb erst dann, wenn sie einen so genannten „Launch-Kunden“ haben, der als Erstkunde mit einem gewaltigen Preisnachlass gelockt wird.

Dafür darf er dann die ersten Erfahrungen zu den Betriebskosten sammeln – mit allen Chancen und Risiken. Lufthansa ist zum Beispiel der Erstkunde für die nagelneue Bombardier C-Serie, die bei Tochter Swiss zum Einsatz kommt. Airbus und Boeing finden solche Erstkunden vor allem deshalb, weil sie eine gewisse Reputation haben. Comac und UAC können diese bislang noch nicht wirklich vorweisen.


China könnte zum größten Luftverkehrsmarkt der Welt aufsteigen

Drittens: Bleiben also die nationalen Airlines in China und Russland als Kunden. Gerade China bietet ein gewaltiges Potential. Der Weltluftfahrtverband IATA schätzt, dass das Land bis 2024 zum größten Luftverkehrsmarkt der Welt aufsteigen wird. Die Regierung könnte die nationalen Anbieter dazu verpflichten, heimisches Gerät zu kaufen.

Für Airbus und Boeing wäre das ein Rückschlag, setzen beide Konzerne doch stark auf China. Andererseits müssen auch die Fluggesellschaften in China und Russland auf Effizienz achten. Und da ist es noch völlig offen, ob die heimischen Hersteller mit ihren westlichen Kontrahenten mithalten können.

Zwar werden auch bei Comac und UAC die üblichen Triebwerkslieferanten wie etwa General Electric oder Pratt & Whitney genutzt. Craic will noch bis Ende des Jahres bekanntgeben, welche Triebwerke im neuen Großraumjet eingesetzt werden. Doch das Beispiel des Mittelstrecken-Flugzeugs C 919 von Comac zeigt, wie groß die Herausforderungen sind. So gehen Experten davon aus, dass das Flugzeug wegen der jahrelangen Verzögerung schon bei seiner Markteinführung den Konkurrenten um Jahre hinterherfliegen wird.

Die Verantwortlichen bei Craic wollen sich davon nicht beeindrucken lassen. Sie sehen für ihren Großraumjet, der eine Reichweite von 12.000 Kilometern haben und in Moskau konstruiert und in Schanghai produziert werden soll, ein gutes Absatzpotential. Das Flugzeug werde den Markt bereichern, ist Jin Zhuanglong, Chairman von Craic, überzeugt.

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