Nach diplomatischer Annäherung US-Firmen wollen auf Kuba durchstarten

Sie hoffen auf neue Absatzchancen, einen neuen Markt: Viele US-Firmen können es kaum erwarten, nach der Annäherung zwischen den USA und Kuba im sozialistischen Staat Geschäfte zu machen. Die Freude könnte verfrüht sein.

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Auf sie hoffen US-Firmen als kaufkräftige Neukunden: Kubanerinnen in Havanna. Quelle: dpa

Washington Der Agrarriese Cargill will mehr Mais und Sojabohnen nach Kuba verkaufen. Mastercard verspricht sich dort einen neuen Markt, in dem Amerikaner ihre Kreditkarten zücken. Marriott stellt sich schon vor, wie an Stränden Hotels entstehen. Und Danny Howell in Florida ist sich sicher, dass seine klassischen Chevrolet-Autoteile auf der Insel reißend Absatz finden werden.

US-Unternehmen können es anscheinend kaum abwarten. Nach der kürzlichen Ankündigung der USA, wieder diplomatische Beziehungen zu Kuba aufzunehmen und Beschränkungen im Handel mit der Insel zu lockern, wittern sie eine Chance für neue Profite. „Es sind großartige Nachrichten. Es ist ein Markt, der bisher völlig ungenutzt gewesen ist“, sagt Seith Kaplowitz, ein Rechtsanwalt und Finanzdozent an der San Diego State University.

Aber Kuba-Experten haben einen Rat für alle Firmen, die sich raschen Reichtum versprechen: Seid geduldig. Nach den langen Jahren rigider Marktplanungen auf Kuba und einem 50-jährigen US-Embargo wird es wahrscheinlich langwierig und kompliziert sein, so etwas wie normale wirtschaftliche Verbindungen aufzubauen.

Zum einen beschränkt sich die Ankündigung von Präsident Barack Obama in der vergangenen Woche auf eine Lockerung von Beschränkungen bei Reisen und Geschäften mit Kuba. Um wirklich weitgehenden Handel mit dem kommunistischen Staat zu ermöglichen, müsste der Washingtoner Kongress das bestehende Embargo gegen die meisten Exporte nach Kuba aufheben. Viele Analysten glauben, dass das irgendwann geschieht, aber es könnte angesichts des teils starken Widerstandes auf dem Kapitol eine Weile dauern.

Und sogar die von Obama beschlossenen begrenzten Erleichterungen erfordern, dass neue Regeln ausgearbeitet werden. Die USA erlauben beispielsweise jetzt ihren Unternehmen den Verkauf von Traktoren an kleine private kubanische Agrarbetriebe, aber nicht an regierungseigene Unternehmen. Es ist aber noch nicht klar, wie genau definiert wird, welcher Betrieb beliefert werden darf und welcher nicht.

Die andere große Hürde liegt in Kuba selbst. Der Staat muss eine Wirtschaft aufbauen, die freundlicher gegenüber ausländischen Investitionen ist. „Die kubanische Regierung hat noch einen langen Weg vor sich, muss mehr tun“, sagt Jodi Bond von der US-Handelskammer.


Auf US-Unternehmen wartet keine große Kaufkraft

Außerdem ist Kuba gewiss nicht reich. Seine Wirtschaft liegt weltweit an 69. Stelle, das jährliche Pro-Kopf-Einkommen den UN zufolge bei umgerechnet etwa 5000 Euro. Das heißt etwa, dass Detroits Autobauer wahrscheinlich keine großen Umsätze erwarten können. „Niemand kann ein funkelnagelneues Auto kaufen“, sagt Karl Brauer, ein leitender Analyst für Kelley Blue Book.

Dennoch sind die Aussichten äußerst verlockend. Ökonomen am Peterson Institute for International Economics schätzen, dass der Export von US-Waren nach Kuba eines Tages ein jährliches Volumen von umgerechnet 3,5 Milliarden Euro erreicht, im Vergleich zu 294 Millionen Euro im Jahr 2013. Und der Umfang der kubanischen Ausfuhren in die USA könnte 4,7 Milliarden Euro erreichen - derzeit liegt er bei Null.

Von einer völligen Aufhebung des US-Embargos könnten unter anderem US-Bauern, Produzenten von landwirtschaftlichen Maschinen, Fluggesellschaften, Hotelunternehmen und Hersteller von Telekommunikationsausrüstung profitieren. Die USA verkaufen nach Behördenangaben Kuba zurzeit jährlich Agrarprodukte im Umfang von 286 Millionen Euro, darunter Sojabohnen, Mais und gefrorene Hühnchenteile. Die Beschränkungen bei Exporten von Nahrungsmitteln und medizinischen Gütern wurden 2000 per Gesetz gelockert.

Und diese Ausfuhren dürften deutlich wachsen, sobald die USA finanziellen Transaktionen erleichtern, was bald geschehen könnte. Kubanische Käufer von US-Agrarerzeugnissen sind bisher gezwungen, im Voraus zu bezahlen, während internationaler Handel üblicherweise per Kredit erfolgt. „Wir sind ziemlich stark durch die finanziellen Beschränkungen gehemmt worden“, sagt Devry Boughner Vorwerk, eine Vizepräsidentin von Cargill. Sie sieht in Obamas Entscheidung einen „großen ersten Schritt“.

US-Reiseunternehmen warten besonders ungeduldig darauf, ins Geschäft mit Kuba zu kommen, das gerade mal eine Flugstunde von Miami entfernt ist. Delta Airlines, JetBlue Airways, Hilton Worldwide, Marriott International und die Kreuzfahrtgesellschaft Carnival haben in der vergangenen Woche sofort ihr Interesse bekundet. Allerdings können die meisten Pläne erst nach einer Aufhebung des US-Embargos umgesetzt werden.

Und bis Kuba als Top-Ferienparadies genutzt werden kann, muss die Regierung erst noch die richtige Infrastruktur schaffen, um einen anspruchsvolleren Markt zu befriedigen. Die Insel erscheint bisweilen, als wäre sie in den 1950-er Jahren festgefroren; sie braucht dringend Investitionen. Kuba hinkt stark hinter seinen Nachbarn Haiti und Dominikanische Republik her, was den Anteil des Bruttoinlandprodukts betrifft, der in die öffentliche Infrastruktur gesteckt wird - beispielsweise Straßen, Wohnhäuser, Fabriken. Nach Angaben der Weltbank weist Kuba global eine der niedrigsten Investitionsraten auf.

Danny Howell in Florida denkt in kleineren Kategorien als viele andere US-Unternehmer, aber es könnte sich für ihn auszahlen. US-Fahrzeugverkäufe an Kuba sind seit 1959 verboten. Die Kubaner sind gezwungen, Fords, Chevrolets und Chryslers aus den Zeiten vor Fidel Castros Revolution irgendwie am Laufen zu halten. Und weil sich das kommunistische Wirtschaftssystem wahrscheinlich auf längere Sicht nicht ändert, werden viele dieser Oldies noch jahrelang auf Kubas Straßen fahren.

Das bietet eine Chance für US-Firmen, die Teile für alte Autos herstellen oder vertreiben, wie Howells Southeast Chevy Parts Inc. bei Orlando. „Ich würde mich freuen“, sagt er, „wenn die Tür geöffnet würde.“

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