Picnic bis Flaschenpost Lieferzeiten, Gebiete, Preise: So gut sind die digitalen Supermärkte

Quelle: imago images

In deutschen Städten gibt es diverse Lieferdienste, die den Supermarkteinkauf bis vor die Haustür bringen. Unser Vergleich zeigt: Angebot, Liefergebiete und Preise unterscheiden sich teils massiv. Ein Überblick.

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Der Markt für Onlinelebensmittellieferungen ist in Deutschland immer noch sehr überschaubar. Laut den Marktforschern von Consumer Panel Services GfK werden nur 2,8 Prozent der Lebensmittel hierzulande online verkauft. Für Großbritannien etwa, dem in dieser Hinsicht onlineaffinsten Land Europas, hat das britische Markforschungsunternehmen Kantar einen Marktanteil von zwölf Prozent ermittelt. Auch in Frankreich (8 Prozent), den Niederlanden (7 Prozent) und in Belgien (5 Prozent) liegen die Werte deutlich höher. Zwar war der Online-Anteil hierzulande in den vergangenen Jahren leicht angestiegen; doch just für das Jahr 2023 vermeldete der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel einen Rückgang um 6,9 Prozent in der Kategorie Lebensmittel.

Experten sind dennoch überzeugt von den Wachstumsmöglichkeiten der Branche. „Lebensmittel sind hierzulande eine kleine E-Commerce-Branche – aber mit einem riesigen Potential“, sagt Lars Hofacker, Leiter Forschungsbereich E-Commerce am Kölner EHI-Retail-Institut. „Schließlich ist der stationäre Lebensmittelhandel so groß, dass selbst kleine Erhöhungen des Onlineanteils bereits zu beeindruckendem Online-Wachstum führen können.“ Und Jens von Wedel, E-Commerce-Experte der Beratung Oliver Wyman, weiß: „Die Nachfrage nach einem Online-Supermarkt ist schon lange da gewesen. Die meisten Versuche sind aber an der Profitabilität gescheitert.“

So erlebt die Gilde derzeit eine kleine Konsolidierung: Der tschechische Anbieter Knuspr schluckte kürzlich den früheren Edeka-Dienst Bringmeister. Oda, ein E-Supermarkt aus Norwegen, hat Deutschland im Sommer 2023 nach nicht einmal sechs Monaten schon wieder verlassen. Auf der anderen Seite kamen auch Neue hinzu, wie jene Plattformen, die ursprünglich nur Restaurantessen ausgeliefert haben, etwa Lieferando und Wolt. Ein Vergleich zeigt nun: Ihre Angebote, Liefergebiete und Preise unterscheiden sich teils massiv.

Der mit Edeka verbündete Lebensmittellieferdienst Picnic zeigt den Wettbewerbern Rewe und Knuspr, wie profitables Wachstum funktioniert. Warum ist das Unternehmen so erfolgreich?
von Stephan Knieps

Rewe Lieferservice

Die Kölner Supermarktkette Rewe, nach Edeka die zweitgrößte des Landes, begreift sich als Vorreiter im Online-Supermarktgeschäft und gilt als der Marktführer in Deutschland. Schon 2011 startete der Rewe Lieferservice in Frankfurt. Heute betreibt Rewe bundesweit 16 Warenlager, davon sind sieben in den vergangenen zwei Jahren entstanden. So erreiche Rewe mit seinem Lieferservice „über 90 Städte plus Umland“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. In Verbindung mit dem Abholservice und den individuellen, regionalen Lieferservices von rund 310 Rewe-Kaufleuten, unabhängig vom Kölner Konzern, könne Rewe „etwa 90 Prozent der deutschen Haushalte“ abdecken.

Das EHI-Retail-Institut schätzt den Umsatz vom Lieferservice rewe.de auf 650 Millionen Euro, der Konzern selbst veröffentlicht keine Zahlen, weder zu Geschäftsergebnissen noch zur Kundenzahl oder zur Zahl ausgelieferter Bestellungen pro Stunde. Ein Rewe-Sprecher teilt aber mit, dies sei „für den Erfolg des Geschäftsmodells (...) nicht entscheidend“, denn „die sogenannte „Droprate“ ist sehr abhängig von der Größe des jeweiligen Warenkorbes, dem spezifischen Ausliefergebiet“ sowie der „Flexibilität“: Bei Rewe können Kundinnen und Kunden ihren gewünschten Lieferzeitraum frei wählen; auch Lieferungen am selben Tag sind möglich. Diese Flexibilität kostet jedoch: bis auf einen Gratis-Tag pro Woche verlangt Rewe eine Liefergebühr, meist in Höhe von 4,90 Euro. Erst ab einem Warenkorb von 120 Euro entfällt die Gebühr.

Picnic

Ein anderes Konzept verfolgt der Lieferdienst Picnic, der 2015 in den Niederlanden gegründet wurde. 2018 erfolgte der Deutschland-Start in Neuss und Mönchengladbach; Deutschland-Sitz ist Düsseldorf. Picnic gilt als erster Verfolger Rewes. Derzeit unterhält die Firma zehn Warenlagern, das elfte wird gerade in Oberhausen gebaut und soll bei Eröffnung Ende 2024 das Warenlager mit dem höchsten Automatisierungsgrad der Branche sein. Auch Picnic nennt keine Kundenzahl, aber Wachstumsraten: Im Schnitt komme derzeit alle zwei Wochen eine neue Stadt dazu, sagt Knaudt. Binnen zwei bis drei Jahren will er 50 Prozent der deutschen Haushalte erreichen; aktuell erreiche er 20 Prozent. Lag anfangs der Fokus auf Klein- und Mittelstädten, rückt Picnic nun auch in Metropolen vor: Im Frühjahr 2023 startete der Lieferdienst erst in Hamburg, kurz darauf in Berlin.



Anders als die anderen Lieferdienste setzt Picnic auf das sogenannte Milchmann-Prinzip: Die Mitarbeiter fahren in ihrem schmalen Elektrovans stets dieselben Routen ab. Erst wenn sich in einer Gegend genügend neue Kunden bei Picnic angemeldet haben und bestellen möchten, nimmt der Algorithmus diese Gegend in die neue Route mit auf. Laut Knaudt schafft ein Picnic-Fahrer auf diese Weise zwischen acht und zehn Kunden pro Stunde. Die Bestellung ist für Kunden immer kostenlos; der Mindestbestellwert liegt bei 40 Euro. Allerdings müssen Kunden aus vorgegebenen Lieferzeitfenstern wählen; eine Lieferung am selben Tag schafft Picnic nicht. Nach eigenen Angaben erwirtschaftete Picnic International vergangenes Jahr einen Umsatz von 1,25 Milliarden Euro, davon entfielen 400 Millionen Euro auf Deutschland. Edeka ist mit rund 35 Prozent an Picnic International beteiligt. Picnic Deutschland betreibt rund 60 sogenannte Hubs: Hier befüllen die Fahrer ihre Wagen mit den Bestellungen und brechen zu den Kunden auf. Ein Hub brauche 12 bis 18 Monate, bis er profitabel sei, sagt Knaudt. Im Schnitt verdiene Picnic ab sechs Lieferungen pro Stunde Geld, das schaffe „ein Großteil“ der rund 40 Hubs in NRW.

Knuspr

Der Lebensmittel-Lieferdienst Knuspr gehört zur tschechischen Rohlik-Gruppe und startete in Deutschland im August 2021 mit dem Betrieb in München; im Februar 2022 folgte die Rhein-Main-Region mit Frankfurt, Wiesbaden, Mainz, Darmstadt und umliegenden Kleinstädten. In beiden Liefergebieten betreibt Knuspr je ein großes, automatisiertes Warenlager. Im Herbst 2023 übernahm Knuspr zudem den früheren Edeka-Dienst Bringmeister. Das dazugehörige Warenlager in Berlin Schönefeld baut Knuspr derzeit um, um dasselbe Automatisierungslevel zu erreichen wie in den anderen beiden Lagern. Im Frühjahr 2024 soll Knuspr dann in Berlin starten.

Knuspr verspricht eine Lieferung binnen drei Stunden. Ab einem Einkaufswert von 69 Euro liefert Knuspr kostenfrei; darunter wird eine Gebühr fällig zwischen 90 Cent und 4,90 Euro, abhängig von der Bestell-Uhrzeit und -Ort. Für dieses Jahr prognostiziert Knuspr 250 Millionen Euro Umsatz. Am Standort München, teilte das Unternehmen vor kurzem mit, arbeite man seit November 2023 profitabel. In der bayerischen Landeshauptstadt sei man nach der Bringmeister-Übernahme nun mit „mehr als 25 Prozent Marktanteil“ der größte Anbieter. Anders als bei Picnic und Rewe steht hinter Knuspr keine große Supermarktkette. Eine Einkaufsgemeinschaft ist nicht bekannt. Knuspr teilt mit: „Den Großteil des Sortiments bezieht der Online-Supermarkt direkt von Herstellern und Landwirten, nicht von Groß- oder Zwischenhändlern.“

Flaschenpost

Das Start-up Flaschenpost startete 2014 in Münster mit der Auslieferung von Getränkekisten. Nach einem rasanten Wachstum übernahmen im November 2020 die Oetkers das Jungunternehmen - der Preis soll zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro gelegen haben. Kurz zuvor, im Sommer 2020, erweiterte Flaschenpost in seiner Heimatstadt das Geschäft um Lebensmittel-Lieferungen. Im Sommer 2021 erfolgte die Erweiterung auf das gesamte Liefergebiet. Heute liefert Flaschenpost in mehr als 200 Städten und Gemeinden, das Sortiment umfasst nach eigenen Angaben mehr als 5.000 Artikel, „im Direktbezug von den Herstellern beziehungsweise Zulieferern, wie Bünting oder Landgard“, schreibt das Unternehmen auf Anfrage. Das Lebensmittelsortiment ist in die rund 30 Flaschenpost-Warenlager integriert.



Flaschenpost verspricht eine Lieferung binnen 120 Minuten. Der Mindestbestellwert liegt bei 29 Euro. Die Liefergebühren sind gestaffelt: Beträgt der Warenkorb weniger als 39 Euro, zahlt der Kunde 2,90 Liefergebühr. Ab 49 Euro entfällt die Liefergebühr. Das EHI-Retail-Institut schätzt Flaschenposts Umsatz auf 468 Millionen Euro. Wie viel davon allerdings auf Lebensmittel entfällt, gibt das Unternehmen nicht preis. Nur so viel ist bekannt: Rund 50 Prozent der Flaschenpost-Kundinnen und -Kunden kaufen (auch) Lebensmittel.

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