Praktiker-Pleite Insolvenzverwalter Christopher Seagon übernimmt das Kommando

Einen Tag nach der offiziellen Insolvenzanmeldung steht der Insolvenzverwalter fest. Der Wellensiek-Partner soll bei der havarierten Baumarktkette retten was zu retten ist.

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Der Jurist Christopher Seagon soll als vorläufige Insolvenzverwalter bei der gestrauchelten Baumarktkette Praktiker retten was zu retten ist. Die Holdinggesellschaft der Baumarktkette und zahlreiche Tochergesellschaften haben beim Amtsgericht Hamburg Insolvenz angemeldet. Seagon gilt als einer der profiliertesten Insolvenzverwalter und Treuhänder in Deutschland. Er ist seit 1996 Partner bei der Kanzlei Wellensiek und regelmäßig mit Sanierungsfragen befasst. Seagon wurde bereits in zahlreichen prominenten Verfahren bestellt - etwa als Insolvenzverwalter des World Conference Center Bonn, des Autozulieferers Meteor und des Solarzulieferers SiC Processing.

Die beliebtesten Baumärkte

Bei seiner Aufgabe kann sich Seagon auf erste Vorbereitungen von Helmut Balthasar, Partner der Kölner Insolvenzkanzlei Görg stützen. Balthasar hatte den Praktiker-Vorstand in den vergangenen Monaten insolvenzrechtlich beraten und dem Management auch die Grenze aufgezeigt, ab der ein Insolvenzantrag unausweichlich wurde. Als in den vergangenen Tagen eine neue Finanzsspritze für den seit Jahren angezählten Konzern scheiterte, war es soweit. Dem Vernehmen nach gab es zuvor allerdings erhelbliche Auseinandersetzungen zwischen Balthasar und dem Praktiker-Aufsichtsratschef Erhard Grossnigg. Kurz vor Antragstellung habe der Aufsichtsratschef den Berater wechseln wollen, heißt es in Verwalterkreisen. 

Das sind die besten Baumärkte Deutschlands
Das Deutsche Institut für Service-Qualität hat neun große Baumarktketten anhand von 108 verdeckten Testbesuchen auf Herz und Nieren geprüft: Wie sind die Wartezeiten, wie kompetent und freundlich sind die Angestellten, wie umfangreich ist das Sortiment? Praktiker belegte vor seiner Insolvenz Platz neun. Besonders die Kompetenz der Mitarbeiter sei zu bemängeln gewesen, urteilten die Testkäufer. Die Beratung sei zu oberflächlich und die Mitarbeiter wenig motiviert. Insgesamt machten die Mitarbeiter bei jedem fünften Testbesuch falsche Angaben oder wiesen nicht auf Gefahren hin - etwa bei der Verlegung eines Starkstromanschlusses. Quelle: dpa
Am schlechtesten schnitten die Mitarbeiter der Firma Hornbach ab. Dafür überzeugte Hornbach mit einem sehr großen Angebot. "Kunden können aus vielen Produktgruppen, Herstellermarken, Größen und Farben wählen. Und es gab in großem Maße Aktionsangebote", kommentiert Serviceexpertin Bianca Möller, Geschäftsführerin des Marktforschungsinstituts. Insgesamt reichte es somit für Platz acht. Quelle: AP
Die Qualität von Service und Beratung wurde anhand von jeweils zwölf verdeckten Besuchen in verschiedenen Filialen der neun Unternehmen analysiert. Im Fokus der Analyse standen die Kompetenz und Freundlichkeit der Mitarbeiter, die Gestaltung und die Sauberkeit der Räumlichkeiten, das Angebot sowie die Warte- und Öffnungszeiten. Mitarbeiter der Firma Hagebau haben sich bei der Beratung der Kunden nicht mit Ruhm bekleckert. Die Beratung war oft oberflächlich und der Umgang mit Beschwerden ließ zu wünschen übrig. Bei Hagebaumarkt reichte es für Platz sieben. Quelle: Screenshot
Die meisten Heimwerkermärkte, wie auch die Globus Baumärkte, überzeugten durch saubere Räumlichkeiten, ausreichende Parkmöglichkeiten und viele Zusatzservices wie Werkzeugverleih. So zählten die Globus-Filialen zu den übersichtlichsten und boten die meisten Zusatzservices an, dafür ließen auch hier die Mitarbeiter zu wünschen übrig. Sie reagierten auf Beschwerden am unprofessionellsten und zeigten Schwächen beim Fachwissen. Dafür gibt es Platz sechs von neun. Quelle: AP
Bauhaus überzeugte mit sehr umfangreichen Zusatzdienstleistungen wie Holzzuschnitt oder Werkzeugverleih. Wegen der sehr langen Wartezeiten an Kasse und Info reichte es allerdings nur für Platz fünf. "Wer fachmännischen Rat bei einem Baumarktmitarbeiter sucht, muss sich gedulden: durchschnittlich rund viereinhalb Minuten, in Einzelfällen sogar bis zu einer Viertelstunde - das ist deutlich zu lang", kritisiert Serviceexpertin Bianca Möller. Quelle: Screenshot
Die Toom Baumärkte schafften es auf Platz vier im Ranking. Was das Fachwissen und die Beratung der Mitarbeiter angeht, schaffte es Toom sogar unter die Top drei. Besonders positiv fiel den Testern auf, dass die Angestellten den Kunden oft günstige Produktalternativen gezeigt haben. Quelle: Screenshot
Die Bronzemedaille geht an den Baumarkt mit dem Bieber. Obi überzeugte mit einem umfangreichen Angebot und kompetenten Mitarbeitern. Quelle: obs

Erwartet wird nun, dass sich Seagon einen ersten Überblick über die Situation verschafft und die Mitarbeiter über das weitere Vorgehen informiert. Anschließend dürften Verhandlungen über einen so genannten Massekredit anlaufen, um - wenn möglich - eine Beliefereung von Praktiker durch die Lieferanten zu gewährleisten. Zudem muss sich Seagon um die Vorfinanzierung des Insolvenzausfallgedldes kümmern. Parallel zu diesen eher technischen Abläufen muss Seagon die Möglichkeiten für eine Weiterführung der Kette ausloten und klären, ob Gläubiger oder Investoren bereit sind, Praktiker zu übernehmen. Parallel dürfte der Verkauf der ausländischen Tochtergesellschaften forciert werden. Dass Praktiker in seiner heutigen Form überlebt, gilt als äußerst unwahrscheinlich, zumal einzelne Gläubiger auf eine separtate Verwertung der Praktiker-Schwestermarke Max Bahr drängen dürften.

Die profitablen Bestandsmmärkte von Max Bahr dienen als Sicherheit für Kredite über 75 Millionen Euro, die von der österreichischen Raiffeisen International, der Commerzbank, der Royal Bank of Scotland und anderen Banken ausgereicht worden waren. Ob Seagon Möglichkeiten findet, die damals gewählte Konstruktion insolvenzrechtlich anzugreifen kann, dürfte zu einer der spannendsten Fragen des Verfahrens werden.

Gläubiger einer Praktiker-Anleihe über 250 Millionen Euro, die völlig leer auszugehen drohen, zielen bereits in diese Richtung. Max Bahr dürfe nicht an die Banken gehen, forderte deren Vertreter Ingo Scholz. Der Insolvenzverwalter müsse das prüfen. "Wir haben Zweifel, ob das Sanierungskonzept überhaupt tragfähig war."

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