Es war ein Festtag für die Deutsche Börse. Schon lange nicht mehr war das Interesse am Börsengeschehen so ausgeprägt, wie an jenem 3. Februar 2011, als Hotelerbin Paris Hilton im Porsche auf dem Börsenplatz vorfuhr. Mehr als 100 Journalisten belagerten die schrille Schöne. Kameras klickten, hinter den Fensterscheiben der angrenzenden Büros drängten sich Sparkassenangestellte, um einen Blick auf das Partygirl zu erhaschen. Hilton war nach Frankfurt gekommen, um für die Aktie des Münchner Dosensektherstellers Rich zu trommeln. Am liebsten trinke Paris „die pinkfarbene Rosé-Sorte“, vermerkte denn auch die Gesellschaftspresse.
Rich AG verlässt die Börse
Eineinhalb Jahre später ist der Rausch verflogen: Die Rich AG soll vom Kurszettel verschwinden. Ende September schließt die Frankfurter Börse den unregulierten Freiverkehr, wo Rich bisher gelistet ist. „Deshalb wird die Gesellschaft voraussichtlich delistet“, lässt das Unternehmen über einen Anwalt mitteilen. Den Wechsel in ein anderes Börsensegment habe das Management, anders als bisher in Aussicht gestellt, verworfen. Dabei hatte Rich-Gründer Günther Aloys bei der Erstnotiz der Aktie in Frankfurt noch von Expansionsplänen geschwärmt und getönt, die Notierung im Freiverkehr sei nur „die Eintrittsstufe an der Börse“.
Kleines Champagner-Lexikon
Sekt und Champagner sind beide Schaumweine. Schaumweine sind weinhältige Getränke in Flaschen, die aufgrund des enthaltenen Kohlendioxids unter Druck stehen. Die französische Bezeichnung „Champagne“ ist markenrechtlich geschützt. Champagner darf sich nur nennen, wer in der französischen Region Champagne nach der "Méthode traditionnelle" oder "Méthode champenoise" hergestellt wurde. Andere Schaumweine müssen nach deutschem Recht je nach Herstellung und Herkunftsland, als Sekt bezeichnet werden. In beiden Fällen gärt der Wein in der Flasche.
Der Grundstoff für die unterschiedlichen Champagner sind fast ausschließlich die folgenden drei Rebsorten: Die roten Rebsorten Pinot Noir (Spätburgunder) und Pinot Meunier (Müllerrebe oder Schwarzriesling) sowie die weiße Rebsorte Chardonnay.
Die bekannten Marken Moët & Chandon, Veuve Clicquot, Krug, Ruinart und Mercier gehören alle zum LVMH-Konzern. LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton hält die Mehreheitsrechte an mehr als 60 verschiedenen Luxusmarken. Der Konzern ist mit 62,2 Millionen Flaschen der größte Einzelerzeuger von Champagner. Daneben gibt es noch ein Reihe kleinerer börsennotierter Handelshäuser wie Laurent-Perrier, Boizel Chanoine und Vranken-Pommery.
In Deutschland und Österreich spricht man vom Sekt oder Winzersekt, wenn er direkt vom Erzeuger abgefüllt wird. In Frankreich gibt es Champagner aus der Region Champagne - und Crémant, wenn der Schaumwein nicht aus der Champagne stammt. Spumante ist die Bezeichnung für Schaumwein in Italien. Bekannt ist vor allem Prosecco, den man aus der gleichnamigen weißen Rebsorte gewinnt und aus der Weinbauregion Veneto kommt. Der spanische Cava ist ein Qualitäts-Schaumwein, für den es vergleichbare Anforderungen gibt wie für den Champagner. In der Ukraine wird Krimsekt im Flaschengärverfahren aus weißen oder roten Rebsorten hergestellt.
Der damalige Ausgabekurs von 1,10 Euro mutet inzwischen wie eine Sektlaune an. Heute sind Anleger bereit, eine Aktie für lächerliche zwei Cent loszuschlagen, gerade mal 1,8 Prozent des Anfangswertes. Doch niemand regt sich, der Handel mit dem Papier ist nahezu zum Erliegen gekommen.
Dabei sah es anfangs so aus, als würde Rich schnell zu einer Art Red Bull des Schaumweinwesens. 2006 hatte Günther Aloys, der in Tirol mehrere Hotels betreibt, die ersten Dosen abgefüllt. Und mit Paris Hilton als Werbestar schien ihm ein echter Coup gelungen zu sein. 20.000 Leute schauten zu, als das Partygirl bei einem Event in der Après-Ski-Metropole Ischgl den ersten Schluck Büchsen-Prosecco mit dem klangvollen Markennamen Rich nippte, die Augen verdrehte und „it’s yummy“ sagte. Fortan betätigte sie sich als Glamour-Beauftragte und beteuerte, der Trunk sei „so prickelnd wie mein Leben“.
Guter Start
Paris Hilton und der schnelle Alkohol – die Mischung kam an. 2007 verkaufte Aloys nach eigenen Angaben sieben Millionen Dosen des Kribbelwassers. Doch 2009 ließen sich italienische Winzer die Herkunftsbezeichnung Prosecco schützen. In der Folge durfte Aloys den Inhalt seiner goldgefärbten Büchsen nur noch als schnöden Secco deklarieren. Hinzu kamen Auseinandersetzungen mit Geschäftspartnern, die Aloys schließlich auszahlte. Konkurrenten enterten den Markt, und auch der mediale Rummel um Hilton ließ zuletzt nach.
Weltall oder Aufsichtsrat
Aloys schäumte indes weiter nur so vor großen Ideen: Mal wollte er China in ein wahres Dosen-Dorado verwandeln, mal Paris und ihren Vater Rick Hilton bitten, in den Aufsichtsrat einzuziehen. Mit einem Raumschiff der Firma „Space Traveller“ sollte die Hotelerbin Ende 2009 ins All katapultiert werden und zuvor bereits bei einem sogenannten Parabelflug für Rich werben. Ähnlich gewagt wirkte auch Aloys’ Ankündigung, sein Unternehmen werde 2010 acht bis zehn Millionen Euro Umsatz anstreben.
Herausgekommen ist bislang wenig. Die China-Expansion ist gefloppt. Die Hiltons seien noch immer nicht im Aufsichtsrat, so die offizielle Erklärung des Unternehmens. Begründung: Die Wahrnehmung des Mandats erfordere „neben einer physischen Präsenz auch grundsätzliches Verständnis der zugrundeliegenden Rechtsvorschriften“. Nur der Flug in den Orbit sei „grundsätzlich noch aktuell“.
Derweil schreibt Rich Millionenverluste und ist hoch verschuldet, die Umsatzziele sind in weite Ferne gerückt – so viel immerhin lässt sich aus den Rich-Bilanzen herauslesen. Denn anders, als die Verpflichtung von Partygirl Hilton nahelegt, hält sich das Unternehmen gern bedeckt, zumindest wenn es um aktuelle Zahlen zum Geschäftsverlauf geht.
Vom Erfolg überzeugt
Ein einziger sogenannter Quartalsbericht findet sich auf der Homepage der Gesellschaft. In einem prägnanten Vierzeiler vermeldet der Vorstand darin den Kern seines unternehmerischen Wirkens: „Der Gesamtumsatz 2011 beträgt 1.119.633 Dosen.“ Dass Erlöse neuerdings in Dosen gemessen werden, dürfte zwar nicht nur Finanzpuristen verblüffen. Doch auch mit Gewinnangaben in Hektolitern müssten die Aktionäre offenbar Vorlieb nehmen. Schließlich sei das Unternehmen gar „nicht zur Abgabe von Quartalsberichten et cetera verpflichtet“, lässt Rich mitteilen. Auch unabhängige Wirtschaftsprüfer dürfen den Gehalt von Rich allenfalls als Konsumenten prüfen.
So liegt kein Testat für die Jahresabschlüsse vor. Das sei gesetzlich aber auch „nicht notwendig“, heißt es bei Rich. Die Prüfung der Jahresabschlüsse übernimmt derweil der Aufsichtsrat. Dort wacht Aloys’ Ehefrau Elisabeth nebst einem ehemaligen Unternehmensberater und einem Steuerexperten darüber, dass der Gatte die Geschäfte auch ordentlich führt.
Hoher Jahresfehlbetrag
Wenig überraschend vermeldete das Gremium Ende April 2012 denn auch, alles sei okay, und dankte Vorstand und Mitarbeitern für ihren Einsatz und „die erfolgreiche Arbeit im abgelaufenen Geschäftsjahr“.
Dabei weist die Bilanz für 2011 einen Jahresfehlbetrag von mehr als drei Millionen Euro und Verbindlichkeiten von 7,28 Millionen Euro aus. Die Eheleute Aloys, die dem Unternehmen Geld geliehen hatten, verzichteten in den vergangenen zwei Jahren auf gut neun Millionen Euro ihrer Forderungen gegen Ausgabe von Besserungsscheinen. Auch in Zukunft würden Aloys samt Gattin im Zweifel „entsprechende Schritte prüfen, nicht zuletzt deshalb, weil wir vom Erfolg des Produkts überzeugt sind“, lässt Aloys ausrichten.
Neue PR-Idee
Beseelt von diesem Glauben, hat der Tiroler Dosensekt-Titan im Februar 2011 eine weitere PR-Rakete gezündet. „Die Marke Rich ist das Ebenbild von James Bond“, fabulierte das Unternehmen in einer Pressemitteilung, „hoch explosiv, unvorhersehbar, mächtiger als alles andere.“ Fragt sich nur, welche Mission, die Schaumweinagenten verfolgen: „Goldfinger“ oder „Ein Quantum Trost“?