Ryanair dreht auf O'Leary will von Air Berlins Schwäche profitieren

Die Schwierigkeiten von Air Berlin und Alitalia kommen Ryanair-Chef Michael O´Leary wie gerufen. Die Billigfluglinie soll in Europa weiter in hohem Tempo wachsen. Selbst der Brexit bremst die Iren kaum.

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Der Ryanair-Chef wittert in der Schwäche von Air Berlin „einzigartige Chancen“. Quelle: dpa

London Ryanair-Chef Michael O´Leary ist keiner, der lange um den heißen Brei redet. Während sich andere Manager vielleicht mit Statements zu den Schwierigkeiten mancher Fluggesellschaften wie Air Berlin oder Alitalia zurückhalten, macht der Ire keinen Hehl aus seiner Sicht der Dinge. „Einzigartige Chancen“ seien das für sein Unternehmen, schwärmt er – und geht zum Angriff über, man müsse schließlich schnell handeln.

Niedrigere Ticketpreise sollen in diesem Jahr mehr Passagiere in die blau-gelben Maschinen locken. Und mit Boeing spricht Ryanair sogar über die Bestellung weiterer Flugzeuge – die vielen Passagiere, die 2018 und 2019 mit Ryanair fliegen wollen, könne man mit der derzeitigen Flotte ja gar nicht alle transportieren, heißt es zur Erklärung.

Die Probleme anderer Fluggesellschaften in Europa könnten Ryanair helfen, neue Kunden anzulocken, meint auch Analyst Neil Wilson von ETX Markets. Nicht zuletzt werde British Airways Schwierigkeiten haben, nach den Vorfällen am Wochenende Kunden zu halten. Eine Panne im IT-System der größten britischen Fluggesellschaft hatte zu chaotischen Zuständen an den Londoner Flughäfen Heathrow und Gatwick geführt. Tausende Passagiere mussten stundenlang warten, saßen in Maschinen auf dem Rollfeld fest oder mussten ohne ihre Koffer verreisen – wenn ihre Flüge nicht gleich ganz gestrichen wurden.

Die Hoffnungen mancher Konkurrenten, dass der Brexit den Billigflieger aus Irland bremst, sind bisher nicht eingetreten. Im Gegenteil: Gerade wegen des bevorstehenden Ausstiegs Großbritanniens aus der Europäischen Union, das macht O'Leary deutlich, soll Ryanair stärker auf dem europäischen Kontinent wachsen. Es gebe Anzeichen dafür, dass Großbritannien im Zuge des Brexit nicht mehr Mitglied des Open-Skies-Abkommens sein werde. Was das bedeute, hatte das Management bei früheren Gelegenheiten deutlich gemacht: Die Briten werden möglicherweise auf ihren Spanien-Urlaub verzichten müssen, sagte Ryanair-Finanzchef Neil Sorahan.

Denn zeitweise könnten Flugverbindungen zwischen Großbritannien und der restlichen EU komplett eingestellt werden. Ryanair geht zwar davon aus, dass sich die EU und London während der Austrittsgespräche auf ein neues Abkommen zum Flugverkehr einigen. Doch bis dieses in Kraft tritt, könnte eine Lücke entstehen, in der nach den nun geltenden Bestimmungen keine Flüge von und nach Großbritannien verkehren. „Ob das für ein paar Tage ist, ein paar Wochen oder Monate weiß niemand“, sagte Sorahan vor einigen Wochen.


Billigflieger erobert immer neue Länder

Ryanair, aber auch Konkurrenten wie Easyjet drängen daher darauf, schnell Klarheit über ein neues Abkommen zu schaffen. Für innerbritische Flüge könnte Ryanair auch eine Lizenz beantragen. Das sei kein großes Problem, hatte Ryanair in der Vergangenheit erklärt. Aber es sei eben auch eine Möglichkeit, ganz auf Inlandsflüge auf der Insel zu verzichten.

„Wir müssen flexibel bleiben“, unterstrich O´Leary nun. Da keine Sicherheit herrsche, in welche Richtung die Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU gehen, „werden wir das Wachstum 2017 und 2018 außerhalb von Großbritanniens vorantreiben und in anderen europäischen Ländern die vielfältigen Wachstumschancen nutzen“. In den kommenden Monaten will Ryanair so weitere Flughäfen außerhalb Großbritanniens ansteuern: Im Herbst sollen erstmals Ryanair-Flieger im bayerischen Memmingen landen sowie im polnischen Posen, in Tel Aviv und in der Ukraine. Die Zahl der Länder, in die Ryanair fliegt, wird damit auf 34 steigen.

In dem bis Ende März laufenden Geschäftsjahr transportierte die blau-gelbe Gesellschaft mit Sitz im irischen Dublin insgesamt 120 Millionen Passagiere, ein Jahr zuvor waren es 106 Millionen gewesen. O´Leary hat ambitionierte Ziele: 200 Millionen Fluggäste will er 2024 transportieren, in diesem Jahr sollen es 130 Millionen werden. Ein Flugticket kostete bei Ryanair zuletzt im Schnitt 41 Euro, 13 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. In den kommenden Monaten, verspricht O´Leary, dürfte der Preis um weitere fünf bis sieben Prozent sinken.

Der Umsatz der Iren stieg zuletzt um zwei Prozent auf 6,65 Milliarden Euro, der Nettogewinn um sechs Prozent auf 1,32 Milliarden Euro. Fast ein Drittel der Umsätze – 1,8 Milliarden Euro – erzielte die Fluggesellschaft dabei nicht durch den Verkauf von Tickets, sondern von zusätzlichen Leistungen etwa beim Check-in oder dem Verkauf von Snacks an Bord. Im Schnitt wurden 94 Prozent der Sitzplätze in den Flugzeugen verkauft.

Im neuen Geschäftsjahr soll am Ende ein Gewinn zwischen 1,4 und 1,45 Milliarden Euro stehen. Allerdings dürften die Investoren nicht vergessen, dass negative Entwicklungen bei den Brexit-Verhandlungen oder Terroranschläge die Prognosen in Gefahr bringen könnten, warnte O´Leary.

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