Sportwetten Bwin lässt zur EM die Stars auflaufen

Die Europameisterschaft steht kurz vor dem Halbfinale – und die Sportwettenanbieter reiben sich die Hände. Das Turnier beschert ihnen satte Gewinne. Die von staatlichen Monopolen gegängelte Branche spürt wieder Aufwind.

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Bwin wirbt mit Stars wie Mesut Özil. Bei Real Madrid ist der Sportwettenanbieter Trikotsponsor. Quelle: dapd

Düsseldorf Özil, Ribery und Gomez, Khedira, Neuer und Xabi Alonso, alle in einem TV-Spot versammelt: Mit seiner Werbekampagne erregt Bwin zurzeit wieder einmal großes Aufsehen. Die Deutschen sollen nicht nur von der Fußball-Europameisterschaft begeistert sein, sie sollen auch ihr Geld beim Sportwettenanbieter auf die Spiele setzen.

Und tatsächlich haben nicht nur Tipprunden im Freundes- und Kollegenkreis derzeit Hochkonjunktur. In den Online-Wettportalen wird auf alles gesetzt, was die Partien hergeben. Der deutsche Branchenprimus Bwin bot zum Beginn der Europameisterschaft 3000 Wetten auf das Turnier an, aktuell sind es rund 1200. Die Wettanbieter wittern das große Geschäft.

Die Bedeutung des kontinentalen Wettbewerbs ist für die Anbieter enorm. Bwin spricht vom Umsatz eines durchschnittlichen Monats, den eine Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft zusätzlichen in die Kasse spüle. Auch wenn dieser bei einer EM wohl nicht ganz so üppig ausfällt, in Arbeitnehmerdeutsch übersetzt kann sich Bwin auf ein 13. Monatsgehalt freuen.

„Die EM ist für uns ein attraktives Zusatzgeschäft anstelle der Saure-Gurken-Zeit, die sonst zwischen der Bundesliga-Rückrunde und -Hinrunde herrscht“, sagt Bwin-Deutschlandchef Jörg Wacker zu Handelsblatt Online. Ein Jahr ohne fußballfreie Zeit – ein Traum für die Wettanbieter.

Die Wettbewerber jubilieren ebenfalls. Das britische Unternehmen Betfair könnte bis zum Ende des Turniers die Milliardengrenze beim Umsatz knacken. Der Anbieter, der in Deutschland mit Fußball-Ikone Rudi Völler wirbt, verzeichnet Einsätze von 30 Millionen Euro pro EM-Partie und damit rund zehnmal mehr als bei einem normalen Bundesligaspiel. Bet-at-Home aus Düsseldorf rechnet ebenfalls mit einem zusätzlichen Monatsumsatz.

Die Wettanbieter verspüren nicht nur durch die EM Aufwind. Denn seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im September 2010 kommt Bewegung in den deutschen Glücksspielmarkt. Der EuGH erklärte damals das staatliche Glücksspielmonopol für europarechtswidrig. Eine Neuregelung wurde notwendig.


Neuer Vertrag soll pünktlich zum Finale kommen

Diese soll der neue Glücksspielstaatsvertrag bringen, der eigentlich am 1. Juli in Kraft treten soll – pünktlich zum EM-Finale am Sonntag. Bisher dürfen die Unternehmen die Wetten nicht in Deutschland „veranstalten“ – und weichen deshalb auf das Ausland aus. Gibraltar und Malta sind bevorzugte Firmensitze. Nur der staatliche Sportwettenanbieter Oddset darf die Wetten in Deutschland „veranstalten“.

Künftig sollen dagegen 20 private Anbieter für einen Zeitraum von zunächst sieben Jahren in allen Bundesländern Konzessionen erhalten. Doch noch nicht alle Landtage haben den Glücksspielstaatsvertrag ratifiziert. Gleichzeitig sollen die Abgabensätze für Sportwetten in einer Neufassung des Rennwett- und Lotteriegesetzes neu geregelt werden. Ob das Gesetz noch in dieser Woche beschlossen wird, ist aber fragwürdig. Einige Bundestagsabgeordneter haben Bedenken über die Vereinbarkeit mit europäischem Recht angemeldet.

Nach Ansicht der privaten Anbieter würde auch der neue Glücksspielstaatsvertrag das staatliche Monopol bei Sportwetten schützen. Bei Bwin heißt es, der Staatsvertrag habe noch keine endgültigen Konturen. Die Konzessionsabgabe von fünf Prozent auf den Wetteinsatz ist den Anbietern zu hoch. Falls es doch zum Inkrafttreten kommt, dürften Klagen schon vorbereitet in der Schublade liegen. Für den Staat locken dagegen Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe. Bisher bekommt die Staatskasse so gut wie gar nichts ab.

Dann gibt es auch noch den Sonderweg Schleswig-Holsteins. Denn nur 15 von 16 Bundesländern schlossen im Dezember 2011 den Vertrag, das Land im hohen Norden scherte mit einer liberaleren Lösung aus.

Zwar hat der neue schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) nach seinem Amtsantritt bereits verkündet, dem neuen Glücksspielstaatsvertrag beizutreten. Die ersten Konzessionen sind aber bereits auf dem Markt. Vor der Landtagswahl im Mai vergab die alte Landesregierung drei Lizenzen, seit Ende Mai besitzen auch Bwin und weitere Anbieter Konzessionen – die bis 2018 laufen. Tritt Kiel dem Staatsvertrag bei, müssten diese Lizenzen entzogen werden. Dagegen könnten die Anbieter Klage einreichen und Schadensersatz fordern.


Marktvolumen von bis zu acht Milliarden Euro

Bwin bezahle in Schleswig-Holstein monatlich 100.000 Euro Steuern, sagte Deutschland-Chef Wacker im April. In Schleswig-Holstein beträgt die Abgabe 20 Prozent auf den sogenannten Bruttorohertrag, also auf die Wetteinnahmen abzüglich der Ausschüttungen bei einem richtigen Tipp. „Mit dem Wissen über die Steuerzahlungen anderer Anbieter würde ich schätzen, dass in Kiel bereits dieses Jahr mehrere Millionen Euro an Abgaben für Glücksspielangebote gezahlt werden“, so Wacker.

Die üppigen Steuereinnahmen scheinen den neuen Regierungschef aber nicht von dem Vorhaben abzubringen. Albig lässt mögliche Schadensersatzforderungen von den Lizenznehmern prüfen, hält das Risiko aber für „sehr, sehr überschaubar“. Eins ist aber klar: Rechtssicherheit sieht anders aus.

Trotz aller Hürden sind die Sportwettenanbieter im Aufwind. Das Marktvolumen in Deutschland wird auf bis zu acht Milliarden Euro jährlich geschätzt. Die Unternehmen geben mächtig Gas und erhöhen ihre Präsenz. „Sie sind Freunde, ein eingeschworenes Team, bis ihr Land nach ihnen ruft“, heißt es im aktuellen TV-Spot von Bwin, während sich zahlreiche EM-Stars in Jubeltrauben in den Armen liegen. „Freundschaft gilt fürs Leben, der Sieg für die Ewigkeit“: Damit fällt der deutsche Marktführer während der EM besonders auf.

Özil, Khedira und Xabi Alonso von Real Madrid, Ribery, Gomez und Neuer von Bayern München spielen in ihren Team-Trikots die Hauptrollen. Das Unternehmen Bwin-Party, das mit der Marke Bwin auftritt, fördert die beiden Klubs, wirbt beim spanischen Meister sogar als Trikotsponsor auf der Brust der Spieler und zahlt dafür 25 Millionen Euro pro Jahr. Im Frühjahr sorgte bereits eine Kampagne mit pokernden Bayernspielern für Aufsehen. „Wir sind deutschlandweit sehr präsent, obwohl die Werbeausgaben niedriger sind als zum Beispiel bei der letzten WM“, sagt Wacker zu Handelsblatt Online.


Juristische Hickhacks und Tage im Gefängnis

Bwin-Party ging 2011 aus der Fusion des Wiener Unternehmens Bwin und des britischen Konkurrenten Party-Gaming hervor. Bwin-Party ist an der Londoner Börse notiert. 2011 lief es nicht gut für den Sportwettenanbieter. Nach Steuern machte das Unternehmen einen Verlust von rund 400 Millionen Euro, ein Jahr zuvor sprang noch ein Gewinn von 86 Millionen Euro raus.

Als Ursache gab Bwin-Party eine Abwertung von rund 409 Millionen Euro an, die aufgrund von Glücksspielregulierungen nötig wurde. Der Umsatz wurde hingegen leicht um zwei Millionen Euro auf 816 Millionen Euro gesteigert. Sportwetten machen dabei nur etwa ein Drittel des Umsatzes aus, Casinospiele und Poker erzielen ähnlich viel, auch Bingo ist eine Einnahmequelle. In Deutschland erwirtschaftet Bwin-Party gut 20 Prozent seiner Erlöse.

Der Sportwettenanbieter Bwin hat eine bewegte Geschichte hinter sich und stand schon des Öfteren in den Schlagzeilen. In der Saison 2006/07 warb das Unternehmen auf den Trikots von Werder Bremen – illegal, wie später entschieden wurde. Denn die Sportwetten-Lizenz aus den letzten Monaten der DDR, auf die sich Bwin berief, war nach dem damaligen Glücksspielstaatsvertrag ungültig.

Es folgte ein juristisches Hickhack, Werder musste teilweise mit abgeklebten Trikots antreten und die Werbung schließlich ganz entfernen. Auch bei 1860 München wurde Bwin von der Brust verbannt. Der VfB Stuttgart zog später sogar gegen das Werbeverbot für private Sportanbieter vor Gericht.

Die beiden österreichischen Bwin-Vorstandschefs Norbert Teufelberger und Manfred Bodner saßen 2006 sogar einmal für drei Tage im Gefängnis, weil sie in Frankreich Sportwetten angeboten hatten und damit gegen das staatliche Monopol verstoßen hatten. Die beiden wurden in einer spektakulären Aktion in Handschellen von der französischen Polizei abgeführt.

Teufelberger sagte damals, er habe sich nicht vorstellen können, mitten in Europa noch so „menschenunwürdig“ behandelt zu werden. „Ich bin mir vorgekommen wie der letzte Verbrecher.“ Auch knapp sechs Jahre später geht sein Kampf gegen die staatlichen Monopole bei der Zockerei weiter.

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