Machen wir uns nichts vor. Mengenmäßig sind die starken Biere die absoluten Schwächlinge: Sie kommen im gesamten deutschen Biermarkt nicht mal auf ein Prozent Marktanteil. Einigen Brauereien ist es dennoch gelungen, durch ein Starkbier ihr Überleben zu sichern. Prösslbräu bei Regensburg ist so ein Kandidat, da fließt in jedes fünfte Fass der dickschwarze Palmator-Saft. Am Palmsonntag, den 13. April, ist es am Adlersberg, rund 15 Kilometer außerhalb von Regensburg, wieder soweit: der Palmator wird angestochen. Eigentlich handelt es sich dabei um keinen klassischen Anstich. Wenn die erste Maß ausgeschenkt wird, gilt der Bock als angestochen.
Im katholischen Bayern gehört es während der Fastenzeit zur Tradition, dem nahrhaften Starkbier zu frönen. Eine Äbtissin des ehemaligen Dominikanerinnenkloster auf dem Adlersberg hatte verfügt, dass am Palmsonntag jeder Gast seinen Palmator und jedes Kind eine Brezel erhalten sollte. Das war der Ursprung des Bockanstichs; jeweils am Palmsonntag auf dem Adlersberg. Schon vor Monaten wurde in der kleinen Prösslbräu damit begonnen, den diesjährigen Bock zu brauen. Dabei kommen insgesamt fünf verschiedene Malzsorten zum Einsatz. Dunkle Röstmalze sorgen für die dunkle, ja fast schwarze Farbe des dunklen Doppelbock. Denn je mehr Malz in den Sud kommt, umso mehr Stammwürze entwickelt sich. Und ein Bock der auf „ator“ endet, muss mindestens über 18 Prozent Stammwürze verfügen.
Namensgeber aller Biere, die mit –„ator“ enden, ist der Salvator, ein Starkbier, das der bayerische Brauer Franz Xaver Zacherl 1806 zum Ausschank brachte. Der Name Salvator geht dabei angeblich auf den ursprünglichen Namen Sankt-Vater-Bier zurück, den die Braumönche nutzten. Dieses Starkbier wurde durch den König gefördert. König Ludwig I. erteilte dem Bier, das einen höheren Stammwürzegehalt besaß als das übliche Lagerbier, seinen königlichen Segen mit den Worten: „Solange ich nichts anderes verfüge, soll die Kreisregierung ermächtigt werden, alljährlich zum Ausschenken des Salvatorbieres Erlaubnis zu erteilen. Die Schankzeit ist dabei festzusetzen, aber keine bestimmte Taxe, da dieses Bier als Luxusgetränk zu betrachten ist.“
"Flüssiges bricht Fasten nicht"
Seitdem wird jedes Jahr im März auf dem Münchner Nockherberg das Salvator-Bierfest gefeiert. Der Ruhm des königlichen Getränks veranlasste viele andere Brauereien, ihrem Starkbier ebenfalls die so eingängigen Endsilben anzuhängen. Animator, Delicator, Patronator, Triumphator und Kulminator zählen zu den bekanntesten Biernamen und -Marken, die auf den gemeinsamen Vater Salvator zurückgehen. Benediktiner, Franziskaner oder Dominikaner - jahrhundertelang halfen sich brauende Mönche nach dem Grundsatz „Flüssiges bricht Fasten nicht“ mit ihrem gehaltvollen Trunk über die karge Zeit.
Und das sogar mit päpstlichem Segen, denn der Inhalt eines von Rom angeforderten Probefässchens, das auf dem langen Weg über die Alpen kräftig geschüttelt und unter italienischer Sonne warm geworden war, schmeckte abscheulich. „Wer solch ein grauslich Bier trinket“, soll der Heilige Vater ausgerufen haben, „ist ein wahrer Büßer“.
Gegentrend zum Einheitsbier
Die Klosterbrauerei Andechs gehört zu den wenigen noch aktiven Klosterbrauereien in Bayern, deren Biere nahezu weltweit exportiert werden und zu den beliebtesten bayerischen Bieren gehören. Die Andechser brauen schon seit dem Mittelalter - urkundlich nachgewiesen seit 1455 – ihren Gerstensaft und sind nicht nur deshalb auch ein sehr beliebtes Ausflugsziel im bayerischen Fünf-Seen-Land rund um Starnberger- und Wörth-See. Im Gegensatz zu den meisten anderen Brauereien braut und verkauft die Andechser Klosterbrauerei das ganze Jahr über zwei Starkbiere, zu denen der Andechser Doppelbock Dunkel und Andechser Bergbock Hell gehören.
Zu den Highlights der Starkbierzeit in und um München zählt der Augustiner Maximator. Augustiner nimmt unter den bayerischen Bieren eine besondere Stellung ein. Die Augustiner Bräu Brauerei ist die älteste Münchner Brauerei und zugleich die einzige noch echte Münchner Privatbrauerei auf dem Oktoberfest. Während alle anderen Münchner Brauereien auf dem Oktoberfest inzwischen in den Händen irgendwelcher Großkonzerne oder des bayerischen Staats sind, braut Augustiner noch heute in der Tradition der einstigen Augustiner Mönche.
Kenner der bayrischen Bierkultur halten es für das vielleicht beste Starkbier: der Ayinger Celebrator Doppelbock aus der Privatbrauerei Aying, rund 25 Kilometer südöstlich von München. Die Ayinger Brauerei wurde 1878 von Johann Liebhard gegründet und wird inzwischen in der 5. Generation als mittelständische und regionale Brauerei geführt. Das Sortiment der Ayinger Brauerei besteht aus einem guten Dutzend Biersorten, von denen viele schon mehrfach nationale und internationale Preise abgeräumt haben. Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft zeichnete die Ayinger Brauerei schon mehrmals mit dem „Preis der Besten“ aus, der für kontinuierlich qualitativ herausragende Arbeit verliehen wird. Im Ausland ist neben dem Ayinger Jahrhundertbier vor allem der Ayinger Celebrator Doppelbock bekannt. Bei ratebeer.com rangiert der Celebrator seit Jahren unter den besten Bieren aus Deutschland. Das Chicago Beverage Tasting Institute stattete den Celebrator sogar mit dem Prädikat „bestes jemals getestetes Bier“ aus.
Trotz der vergleichsweise geringen Absatzmengen, spielen die Starken eine andere, wichtige Rolle: als profitbringende regionale Spezialität und als Gegentrend zum Einheitsbier der großen, nationalen und internationalen Braukonzerne. Und was den bayrischen Kirchtumbrauereien recht ist, ist den plattdeutschen Brauriesen billig. So hat die Hamburger Holsten-Brauerei, Tochter des dänischen Brauriesen Carlsberg, vor anderthalb Jahren ebenfalls ein Starkbier mit dem überaus fantasiereichen Namen „Holsten Stark“ an den Start geschickt. Holsten Stark sei ein „dunkles Starkbier mit 7,0 % Alkohol und vollmundig-malzigem Geschmack. Mittlere Hopfenbittere sowie leichte Karamell- und feine Röstnoten geben Holsten Stark seinen unverwechselbaren Charakter“, heißt es in der Pressemitteilung. Na dann, Prost!