Tui Ballermann rettet Touristikriesen

Weil der Touristikkonzern Tui aus Hannover in diesem Jahr aufs richtige Angebot gesetzt hat, eilt er mächtigen Wettbewerbern davon. Fast der komplette Rest der Reisebranche schockierte seine Anleger mit Gewinnwarnungen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Angesichts der Terrors bevorzugen Urlauber vertraute Reiseziele – wie etwa Mallorca. Quelle: Imago

Düsseldorf Der umfangreiche Hotelbesitz auf Mallorca, den Kanaren und auf dem spanischen Festland schützt Europas größten Urlaubsanbieter, den Hannoveraner Reisekonzern Tui, vor dem Schicksal seiner Wettbewerber. Während ein Großteil der Reisebranche diesen Sommer Abstriche hinnehmen muss, weil Urlaubsländer wie die Türkei nach Terroranschlägen und Unruhen nahezu ausfallen, ging es beim Betriebsgewinn des Touristikriesen im dritten Quartal (bis Ende Juni) überraschend bergauf.

Vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebita) verdiente Tui mit 180 Millionen Euro 1,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Bereinigt um das 2016 ins zweite Quartal vorgezogene Ostergeschäft und Wechselkurseffekte gegenüber dem britischen Pfund habe sich das Ergebnis sogar um 14,1 Prozent verbessert, sagte Vorstandschef Fritz Joussen. „Wir hatten ein sehr gutes Quartal.“ Erstmals seit langem habe sich sogar das Geschäft mit deutschen Urlaubern wieder verbessert.

Tui profitiert insbesondere von seinen 92 Riu-Häusern, die ihre 12,9 Millionen Betten genau dort anbieten, wohin ängstliche Urlauber dieses Jahr umbuchten: Neben Spanien sind dies Fernziele wie die Kapverden oder Insel in der Karibik.

Angesichts der Terrorkrise vor allem in der Türkei, wo Anschläge und die Folgen des gescheiterten Militärputsches Urlaubssuchende abschreckten, ging es für die Riu-Hotels bei der Belegung und dem Preis deutlich nach oben. Pro Schlafgelegenheit verdiente Tui in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahrs 6,5 Prozent mehr.

Hinzu kommt, dass Tui rechtzeitig auf die Krise in der Türkei reagierte, wo der Konzern früher 14 Prozent seiner Urlauber unterbrachte. Zwar halbierte sich dort die Kundenzahl diesen Sommer auf eine Million, wie Joussen berichtete, vorsorglich aber baute der Konzern seine Urlaubsangebote in Spanien erheblich aus. „Dort befinden sich nun rund ein Drittel unserer Kapazitäten“, sagte er.
Auch das starke Engagement in der Kreuzfahrt kommt den Hannoveranern zugute. Sowohl bei den Luxusschiffen von Hapag-Lloyd Cruises („Europa“) wie auch bei Tui Cruises („Mein Schiff“) kletterte Ergebnis ¬ um zehn Millionen Euro allein im abgelaufenen Quartal. Schon im Juni 2015 hatte Joussen die neu gebaute „Mein Schiff 4“ ins Rennen geschickt, im Juli 2016 folgte die „Mein Schiff 5“, was für weitere Zusatzerträge sorgen dürfte.

Entsprechend hält der Vorstandschef an seiner Prognose fest, im laufenden Geschäftsjahr das bereinigte Konzern-Ebita mindestens um zehn Prozent zu steigern. Allein das geplante Umsatzwachstum korrigierte er leicht nach unten. Statt der angekündigten drei bis fünf Prozent werde es wohl nur noch ein Plus von zwei bis drei Prozent geben, sagte Joussen.

Mächtige Wettbewerber trifft die Touristikkrise in diesem Sommer deutlich härter. Thomas Cook, mit Marken wie „Neckermann“ oder „Öger“ in Europa der unmittelbare Verfolger von Tui, hatte Ende Juli sein Gewinnziel kassiert. Mitten in der Hauptreisezeit strich Vorstandschef Peter Fankhauser die Ertragsaussichten zusammen.

Weil nach den Attentaten und dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei deutlich weniger Kunden in das Land am Bosporus reisen, werde es für das laufende Geschäftsjahr wohl nur noch für ein um Sondereffekte bereinigtes Betriebsergebnis (Ebit) von 300 Millionen Pfund (358 Mio Euro) reichen, erklärte er. Im Mai war der von London gesteuerte Touristikkonzern noch von 310 bis 335 Millionen Pfund ausgegangen. Doch in der Sommersaison zählte Thomas Cook fünf Prozent weniger Buchungen als im Vorjahr. Das Deutschland-Geschäft ging sogar um sechs Prozent zurück.


Wer unter der Terrorangst leidet

Mit einem gebremsten Reisegeschäft rechnet auch die British-Airway-Mutter IAG, die ebenfalls Ende Juli ihre Ergebnisprognose kappte. Der um Sondereffekte bereinigte operative Gewinn soll im laufenden Jahr nur noch um einen niedrigen zweistelligen Prozentsatz steigen – statt wie zunächst erwartet um 70 Prozent. Schuld sei unter anderem der niedrige Kurs für das britische Pfund, wie IAG-Chef Willie Walsh erklärte. Zudem dürfte nach den Terroranschlägen in Europa die Angst vieler Kunden die Nachfrage nach Flugtickets bremsen. Aus gleichen Gründen reduzierte auch Easyjet die Prognose.

Fast zeitgleich revidierte in Deutschland die Lufthansa ihre Ertragsaussichten. Weil Terroranschläge in Europa die Kundschaft von langfristigen Buchungen abhielten, könnte das operative Ergebnis der Airline dieses Jahr 200 bis 300 Millionen Euro unter Vorjahr liegen, glauben Analysten - eine Schätzung, die Finanzchefin Simone Menne nicht dementierte. „Uns fehlen die Gruppenbuchungen insbesondere aus den USA und Asien“, sagte sie.

Und auch Europas größten Hotelkonzern Accor („Ibis“, „Mercure“, „Pullman“) trifft die Terrorkrise. Im Heimatland Frankreich, wo Islamisten sowohl die Hauptstadt Paris wie auch Nizza an der Côte d‘Azur mit Attentaten heimsuchten, ging der Umsatz im ersten Halbjahr 2016 um 2,6 Prozent zurück. Seit dem Anschlag in Nizza verlor die Aktie acht Prozent an Wert.

Anders nun Tui: Mit den Papieren des im britischen Börsensegment FTSE gelisteten Konzerns ging es am Morgen um 3,5 Prozent nach oben.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%