10.23 Uhr: Ich erreiche den Kaufhof. Am Eingang drückt mir ein Hitzeschwall meine Haare auf den Kopf. Ich reiße meine Jacke auf und stopfe meinen Schal in die Tasche.
10.27 Uhr: Die verdammten Aufzüge kommen einfach nicht. Ich wetze zur Rolltreppe.
10.29 Uhr: Ich erreiche die Spielwarenabteilung und greife mir dezent unter den Pulli. Mein Rücken ist heiß und nass. Der Weihnachts-Einkauf kann beginnen. Wo ist Lamm Linda liegend, wollweiß? Der Verkäufer sagt irgendetwas. Ich ziehe meine Kopfhörer aus den Ohren. Er wiederholt: "Da muss ich selber gucken." Dann überprüft er die Steiff-Lämmer auf die Ohrmarken, wie ich es besser nicht gekonnt hätte. Und da ist es: Linda, ihr wollig-weißes Strubbel-Fell glänzt im Licht der Neonröhren. 34 Euro 90.
Retouren - Was wird häufig zurückgeschickt?
Im Rahmen einer Verbraucherbefragung hat die Forschungsgruppe Retourenmanagement Rücksendewahrscheinlichkeit eines Pakets (Alpha-Retourenquote) gemessen. Befragt wurden 538 Konsumenten im Alter von 14 bis 29 Jahren. Für die drei umsatzstärksten Produktkategorien wurden folgende Durchschnittswerte ermittelt.
Männer: 13,85 Prozent
Frauen: 14,40 Prozent
Männer: 36,38 Prozent
Frauen: 44,02 Prozent
Männer: 8,93 Prozent
Frauen: 8,99 Prozent
10.34 Uhr: Vor mir an der Kasse stehen sieben Kunden. Meine Augen sind trocken, ich habe heiße Füße, ziehe meine Jacke aus und fächele mir Luft zu. Warum gibt es hier eigentlich keine Garderobe? Warum gibt es die 2014 in knallharten Online-Shopping-Zeiten nicht? Linda hängt in meiner verschwitzen Hand und lächelt mich wirr an.
10.45 Uhr: Ich bezahle die Tierpuppe und gehe zum kostenlosen Einpack-Service. Vor mir sind drei Kunden. Die Päckchen werden schön. Aber schön dauert. Ich muss mich setzen. Meine dicke Jacke auf dem Arm nervt. Ich werfe sie neben mich auf den Boden.
10.58 Uhr: Ich verlasse mit meinem Weihnachtspäckchen in der Plastiktüte die Galeria. Am U-Bahngleis kaufe mich mir eine Flasche Wasser und erfrische meine trockene Kehle.
11.20 Uhr: Ich erreiche mein Zuhause, streife Schuhe und Jacke ab, ziehe meinen klammen Pulli über die Ohren, öffne das Fenster und lasse mich in den Sessel fallen.
Der Einzelhandel sollte Ideen liefern
80 Minuten gegen 9 Minuten online. Und 3 Euro 92 mehr bezahlt, plus Fahrkarte für die U-Bahn. Warum sollte ich jemals noch mal in die Stadt zum Shoppen aufbrechen?
Enge, Völle, Hitze, Kälte, Nässe, schlechte Luft, Zeitverlust, Geldverlust. Und der Einzelhandel jammert über die Online-Händler und den unfairen Verdrängungswettbewerb. Würden die Online-Händler ihre Lagerarbeiter wie Einzelhändler bezahlen, würden die Waren bei Amazon womöglich teurer, ja.
Aber sind Lagerarbeiter Angestellte im Einzelhandel? Sie beraten nicht, sie dekorieren keine Regale, sie kassieren nicht, sie bekommen nicht den Frust der Kunden bei Reklamationen ab. Sie holen Ware aus dem Lager und machen es transportfertig. Ist das nicht Logistik in Reinform? Naja, Verdi und Amazon werden es besprechen.
Der Einzelhandel sollte nicht missgünstig darauf warten, dass es Amazon schlechter geht. Er sollte selber Ideen liefern. Was ist besser als gemütlich Zuhause zu shoppen und danach in Ruhe auf den Weihnachtsmarkt zu gehen? Was kann die Kunden überzeugen?
Selbst die Kritik an dreisten Kunden, die sich im Geschäft beraten lassen und dann billiger im Internet bestellen, hilft nichts. An das gute Herz der Kunden zu appellieren, ist kein Geschäftsmodell. Kunden denken genauso an ihren Vorteil wie die Händler. Der Einzelhandel muss billiger sein UND mehr Service und Beratung bieten. Dann bin ich auch bereit, eine Stunde meiner wertvollen Freizeit extra zu investieren.
Ich will: Garderoben-Service, Shoppen mit Niedrigpreis-Garantie (wenn es online billiger ist, bekomme ich es im Laden zum gleichen Preis. Wie heute etwa schon bei Saturn), ich will meine Tüten nicht nach Hause schleppen müssen. Ich will meine Parkgebühren mit dem Einkauf verrechnen können, ich will kompetente Verkäufer, die genug Zeit für mich haben. Wenn etwas nicht vorrätig ist, soll es kostenlos nach Hause geliefert werden. Ich würde mich über ein kostenloses Glas Leitungswasser freuen.
Oder einen guten Kaffee beim Bummeln zwischen den Regalen, den ich gerne bezahle. Ich will keine Linoleumböden und grellen Leuchtstoffröhren. Ich will nicht um 19.55 Uhr von der Security am Eingang abgewiesen werden, weil um 20 Uhr Feierabend ist. Ich will, dass gemütlich in der Fußgängerzone einzukaufen genauso viel Spaß macht, wie essen gehen oder ein Kinoabend. Sonst mache ich es nicht.
Ich bin nicht der Retter der Innenstädte oder der gute Engel der Einzelhändler. Ich bin einfach nur Kunde. Ich habe gerade noch mal die 459 angerufen. Nur so aus Spaß. Besetzt.