BASF-Chef auf Handelsblatt-Tagung Chemie auf dem Fahrersitz

Die Chemieindustrie in Deutschland giert nach Innovationen, um mit der weltweiten Konkurrenz langfristig mithalten zu können. Für BASF-Chef Kurt Bock geht es dabei nicht nur um Moleküle, auch sondern um Geschäftsmodelle.

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„Ich bin der festen Überzeugung, dass die Chemie ein Wachstumsmotor sein kann und muss“, sagt BASF-Chef Kurt Bock auf der Handelsblatt-Chemietagung in Frankfurt am Main. Quelle: Bert Bostelmann für Handelsblatt

Frankfurt Forschung und Entwicklung – für die deutsche Chemie ist das traditionell ein großes Thema. Die Branche ist einst vor allem als Innovator auf dem Gebiet der Textilfarben, Pharmawirkstoffe und Düngemittel groß geworden und ist heute nach China und den USA immer noch Nummer drei in der Welt.

Für die Zukunft allerdings wird das Thema Innovation vermutlich noch wichtiger sein als in der Vergangenheit. Das ist die zentrale Botschaft, die BASF-Chef Kurt Bock und eine Reihe anderer prominenter Chemiemanager zur diesjährigen Handelsblatt-Jahrestagung Chemie in Frankfurt am Main mitbrachten. „Denn Innovation ist der einzige Werttreiber, den wir eigenständig beeinflussen können“, sagte Bock als Hauptredner der Tagung. „Hier können wir auf dem Fahrersitz Platz nehmen und unser Schicksal selbst in die Hand nehmen.“

Das Thema gewinnt nicht zuletzt deshalb an Brisanz, weil sich das Umfeld ansonsten eher ungünstig für die europäische Chemiebranche entwickelt: Die Konjunktur in Europa erholt sich nur sich schleppend, in wichtigen Schwellenmärkten hat sich die Wirtschaftsentwicklung deutlich abgekühlt, Märkte wie Brasilien versinken in einer Rezession.

Gleichzeitig drängen neue Wettbewerber, insbesondere aus China und dem mittleren Osten massiv in den Markt. Neue Bereiche der Chemie werden dadurch „commoditisiert“, das heißt, aus einstigen Spezial-Chemikalien werden durch wachsende Konkurrenz Standardprodukte, die von neuen Wettbewerbern preisgünstiger und zu niedrigeren Margen angeboten werden. Das zwingt die etablierten westlichen Chemiefirmen dazu, permanent ihre Produktsortimente zu bereinigen und sich immer wieder aus Teilbereichen zurück zu ziehen. Hinzu kommt wachsender Konkurrenzdruck in der Forschung.

Bock weist darauf hin, dass die chinesische Chemieindustrie inzwischen ein Drittel der weltweiten Produktion und rund die Hälfte aller Patente in der Chemiebranche generiert. „Auch wenn die noch nicht von gleicher Qualität sind wie in Europa, sieht man doch eine große wissenschaftliche Dynamik in China. Dieser Trend wird sich fortsetzen“, warnt der BASF-Chef.

Bock gibt sich dabei – ungeachtet aller Herausforderungen – zuversichtlich. „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Chemie ein Wachstumsmotor sein kann und muss“, sagt er.

Eine entscheidende Voraussetzung dafür sieht der BASF-Chef wie auch viele andere Branchenvertreter darin, den Innovationsprozess noch viel breiter aufzufassen. Nicht mehr das Molekül alleine sollte im Blickfeld der Chemieforscher stehen, sondern die gesamte Anwendungs- und Verarbeitungskette. Innovationen in der Chemie entstehen weniger aus neuen Substanzen, sondern vor allem aus neuen Kombinationen, Verarbeitungstechniken und der engeren Kooperation mit Weiterarbeitern und Endkunden. Auch die Digitalisierung könnte zu einem Innovationstreiber für die Chemie werden.


Grüne Gentechnik und Fracking

Es gehe hier um erhebliche Potenziale auch für Unternehmen wie die BASF. „Es geht dabei auch um neue Geschäftsmodelle“, so Bock. „Wir müssen uns fragen, wie können wir uns m Markt neu aufstellen und Technologie nutzen, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.“

Der Ludwigshafener Konzern als weltweit führender Chemiekonzern investiert derzeit jährlich rund zwei Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung, etwa 3,5 Prozent seiner Chemieumsätze und leistet sich damit auch das mit Abstand größte F+E-Budget der Chemiebranche. Etwa ein Fünftel der Ausgaben fließt dabei in besonders langfristige Projekte, etwa im Bereich Pflanzenbiotechnologie oder Batterie-Chemikalien. „Wir müssen uns den Mut bewahren für solche langfristig orientierten Investitionen“, mahnt Bock.

Ebenso wichtig ist es für den BASF-Chef, in der Debatte um ein möglichst innovationsfreundliches, regulatorisches Umfeld erfolgreich mitzuwirken. Man versuche daher, noch intensiver mit Nachbarn, Politik und Nicht-Regierungs-Organisationen zu kommunizieren. Ein gutes Innovationsklima zu erhalten gelinge manchmal, aber nicht immer, räumt Bock ein und verweist dabei auf Beispiele wie das faktische Verbot für die grüne Gentechnik und das Fracking bei der Erdgas-Förderung.

Dennoch schlägt der BASF-Chef auch bei diesem Thema letztendlich einen zuversichtlichen Ton an: „Wenn wir alles gut und richtig machen, dann werden sich die Rahmenbedingungen zumindest nicht weiter verschlechtern.“

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