Neuer Monat, neue Spekulationen. Das ist der Rhythmus, nach dem derzeit die Gerüchte in der Agrochemie-Branche hochkochen. Die jüngste Variante besagt, dass nun Bayer über ein Gebot für den amerikanischen Saatgutriesen Monsanto nachdenkt. Bayer habe intern wie auch mit Beratern die Möglichkeiten für einen solchen Schritt ausgelotet, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Donnerstag ohne konkrete Quellen zu nennen.
Aus Furcht vor einem kostspieligen Übernahmekampf um den US-Konzern Monsanto haben Anleger am Donnerstag Aktien von Bayer und BASF aus ihren Depots geworfen. Die Kursverluste der beiden Index-Schwergewichte drückte Dax und EuroStoxx50 ins Minus. Ersterer büßte 1,1 Prozent auf 9862,12 Punkte ein und Letzterer 0,7 Prozent auf 2934,62 Zähler. Kursverluste der Wall Street verstärkten den Verkaufsdruck an den europäischen Börsen. Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 verloren bis zu 0,8 Prozent.
Das US-Unternehmen mit zuletzt rund 15 Milliarden Dollar Umsatz ist dank seiner umfangreichen Gentechnik-Forschung der weltweit führende Produzent von Saatgut, es ist im Pflanzenschutzgeschäft dagegen nur mit einem Produkt, dem weit verbreiteten, aber auch umstrittenen Herbizid Glyphosat, vertreten. Wie alle Agrochemieanbieter wird auch Monsanto derzeit von einer schwachen Konjunktur auf den Agrarmärkten gebremst. Für 2016 zeichnet sich ein Umsatz- und Gewinnrückgang ab.
Nicht nur diese Flaute, sondern vor allem die wachsenden Anforderungen an die Produktentwicklung treiben den Konsolidierungstrend. Dabei ist die Branche ohnehin bereits stark konzentriert, mit nur noch sechs großen, global tätigen Anbietern.
Spekulationen bei den Branchenkennern
Den konkreten Anstoß für die jüngste Übernahmewelle gab Monsanto selbst im vergangenen Sommer mit dem vergeblichen Versuch, die Schweizer Syngenta zu übernehmen. Anfang Dezember einigten sich die US-Chemieriesen Dow Chemical und Dupont auf eine Fusion unter Gleichen, unter anderem mit dem Ziel, einen neuen Marktführer im Agrochemiegeschäft zu schaffen. Wenige Wochen später willigte Syngenta in eine Übernahme durch den chinesischen Chemiekonzern Chemchina für rund 43 Milliarden Dollar ein.
Seither spekulieren Branchenkenner heftig darüber, das nun auch Bayer und BASF im Konsolidierungswettlauf nachziehen müssten. Und zumindest der Chemieriese BASF hat indirekt auch bereits signalisiert, dass er grundsätzlich bereit – wäre auch für größere Zukäufe im Agrobereich.
Nach Branchen-Informationen bemühte sich der Ludwigshafener Konzern ebenfalls um einen Deal mit Syngenta, wurde dort aber von Chemchina übertrumpft. Gleichzeitig bekräftigte BASF-Chef Kurt Bock aber auch wiederholt, dass man nicht bereit sei, überzogene Preise für Zukäufe zu zahlen. „Wir schauen uns viele Dinge an, aber wir rechnen eben auch sehr spitz“, sagte er im Interview mit dem Handelsblatt.
Nach dem Zusammenschluss von Dow und Dupont ist BASF mit umgerechnet 6,5 Milliarden Dollar Umsatz der mit Abstand kleinste unter den dann noch fünf führenden Agrochemie-Akteuren. Aus Sicht von BASF-Chef Bock resultiert daraus aber kein Wettbewerbsnachteil. „Man braucht sicher eine Mindestgröße in dem Bereich. Die haben wir aber auf jeden Fall“, argumentiert er. Das BASF-Pflanzenschutzgeschäft sei eines der besten der Branche mit blick auf Ertragskraft, Wachstum und Innovationspipeline.
Finanzieller Kraftakt von bisher unbekannter Dimension
Noch geringerer Expansionsdruck besteht in dieser Hinsicht bei Bayer, deren Agrochemiesparte mit 11,5 Milliarden Dollar Umsatz nicht weit hinter dem Branchenzweiten Syngenta liegt und im reinen Pflanzenschutzgeschäft in etwa gleichauf mit den Schweizern agiert. Dessen ungeachtet dürfte bei beiden deutschen Konzerne erhebliches Interesse bestehen, dieses Geschäftsfeld bei passenden Gelegenheiten zu erweitern. „Wenn sich Gelegenheiten für eine externe Verstärkung ergeben, werden wir diese mit Sicherheit prüfen“, sagte Bayer-Vorstand Liam Condon noch vor wenigen Monaten dem Handelsblatt.
Eine direkte Übernahme von Monsanto indessen wäre für beide Konzerne ein finanzieller Kraftakt von bisher unbekannter Dimension. Bayer hat die Übernahme des OTC-Geschäfts der amerikanischen Merck & Co noch nicht voll verdaut und noch mehr als 16 Milliarden Euro Nettofinanzschulden in der Bilanz. BASF ist zwar etwas geringer verschuldet, kämpft derzeit aber mit Gewinneinbußen aufgrund des Ölpreisverfalls und hat Großübernahmen im Format einer Monsanto bisher noch nie gewagt.
Für beide Konzerne könnte daher eine sinnvolle Variante in dem Versuch bestehen, im Rahmen eines Deals entweder ihre Agrochemiesparten bei Monsanto einzubringen und anschließend mit begrenztem Cash-Einsatz eine Mehrheit bei dem US-Konzern zu übernehmen, oder aber den US-Konzern zunächst zu kaufen und die erweiterten Agroeinheiten anschließend direkt wieder an die Börse zu bringen.
In diesem Fall wäre Bayer theoretisch im Vorteil, da man im Agrogeschäft bereits deutlich größer ist als BASF. Nimmt man zum Beispiel die Bewertung von Syngenta im Deal mit Chemchina als Maßstab, könnte Bayer auf eine Bewertung von mehr als 40 Milliarden Dollar hoffen, BASF auf etwa 25 Milliarden Dollar. In jedem Fall aber wären wohl sehr schwierige Verhandlungen nötig, um eine solche Transaktion auf die Beine zu stellen.
Mit Material von Reuters.