Elektro-Rikschas in den USA Tuk Tuks im Trend

In Asien bewegen sie seit Jahrzehnten die Massen: Rikscha-Taxis. Schon bald könnten die Dreiräder auch im Westen Einzug halten – in einer umweltfreundlichen Variante. Hersteller sehen in den USA großes Potenzial.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der niederländische Hersteller eTuk lässt seine Fahrzeuge unter anderem in Denver fertigen. Quelle: ap

Denver Ohne Rikschas ist das Straßenbild von Metropolen wie Bangkok, Neu Delhi oder Peking kaum vorzustellen. Ihre Abgase tragen oft wesentlich zur Luftverschmutzung bei. In vielen Ländern Asiens sind sie dennoch ein beliebtes Verkehrsmittel – die wendigen kleinen Fahrzeuge kommen auch in verstopften Innenstädten meist schnell voran und sind in der Regel recht günstig. Vereinzelt sind Rikschas seit ein paar Jahren auch in westlichen Großstädten unterwegs. Bisher werden die motorisierten Dreiräder dabei überwiegend als Touristenspaß eingesetzt. In den USA könnten sie sich auch darüber hinaus als sehr praktisch erweisen.

Die aktuelle Popularität in Europa und Nordamerika liegt vor allem daran, dass es Rikschas neuerdings auch mit Elektroantrieb gibt. Mit den lärmenden Dreckschleudern in Asien haben diese dann nur bedingt noch zu tun – nicht umsonst wird das Fahrzeug etwa in Thailand lautmalerisch Tuk-Tuk genannt. Doch der Charme der Rikscha scheint auch in der umweltfreundlichen Version gut anzukommen. Und gerade in den USA, in denen der öffentliche Nahverkehr in manchen Städten zu wünschen übrig lässt, sehen die Hersteller großes Potenzial für ihren sogenannten eTuk.

Ursprünglich stammt der eTuk aus den Niederlanden. Die dort ansässige Tuk Tuk Factory hat inzwischen aber nicht nur Vertriebspartner in mehreren europäischen Ländern. Ein Lizenzvertrag mit der eTuk USA aus Denver sichert die Herstellung und den Verkauf auch jenseits des Atlantiks. Nicht nur an Einzelpersonen, sondern auch an Werbefirmen und Essenshändler aus allen Teilen der USA seien bereits Elektro-Rikschas verkauft worden, sagt der dortige Vertriebsleiter Michael Fox. Der Preis liege, je nach individuellen Wünschen bezüglich der Ausstattung, zwischen 16 950 und 25 000 Dollar (etwa 15 400 bis 22 700 Euro).

In der Innenstadt von Denver gibt es sogar schon einen eTuk-basierten Taxi-Rufservice. Die Elektro-Rikscha hat damit ein Marktsegment betreten, in dem seit einigen Jahren immer mehr Spieler mitmischen – klassische Taxis konkurrieren hier nicht nur mit Carsharing-Angeboten und Fahrtvermittlungsdiensten wie Uber und Lyft, sondern auch mit pedalbetriebenen Pedicabs oder Golfcarts. Vertriebsleiter Fox ist dennoch zuversichtlich – er setzt ganz auf das luftige Design der an den Seiten offenen Rikschas.

Ganz ohne Rückschläge ging es aber bisher nicht. Einige Taxi-Unternehmen hätten sich erfolgreich dafür eingesetzt, die neue Konkurrenz in engen Schranken zu halten, sagt Terry Bote von der für die Zulassungen zuständigen Behörde des US-Staats Colorado. So sei in Denver heute klar geregelt, wo und in welcher Art die Rikschas fahren dürften. Von der lukrativen Route zum Stadion des Football-Teams Denver Broncos seien sie etwa ausgeschlossen.


„Jeder ist vom Problem der ‚letzten Meile‘ betroffen.“

Doch auch mit den aktuellen Beschränkungen sieht Fox gute Möglichkeiten. Im unmittelbaren Innenstadtbereich sei der eTuk eine gute Ergänzung zu den Bus- und Bahnlinien. Verkehrsplaner sprechen hier von der kritischen „letzten Meile“. Gemeint ist dabei der Weg von einem Bahnhof oder einer Bushaltestelle zum eigentlichen Zielort.

„Jeder ist von dem Problem der ‚letzten Meile‘ betroffen. Gelöst wird es entweder dadurch, dass man zu Fuß läuft, oder dadurch, dass man gleich das eigene Auto nimmt“, sagt Carolyn McAndrews von der Universität Colorado-Denver. Der Markt sei in diesem Bereich reif für neue Methoden des Transports – und Fahrzeuge wie die Rikschas könnten hier eine Lücke schließen.

McAndrews verweist auf eine Studie aus dem US-Staat New Jersey aus dem Jahr 2012. Diese habe gezeigt, dass es angesichts der Dezentralisierung in den nordamerikanischen Städten immer wichtiger werde, die Arbeits- und Wohnorte über Shuttle-Dienste besser an regionale Bahnlinien anzubinden. „Nur wenn die Verbindungen von einem Punkt zum anderen so bequem wie möglich sind, ist das System eine echte Alternative zum eigenen Auto“, sagt die Wissenschaftlerin.

Die Behörden in Colorado haben dies offenbar erkannt. Da Rikschas vom US-Verkehrsministerium als Motorräder eingestuft werden, bräuchten eigentlich alle Fahrer einen Motorradführerschein und müssten grundsätzlich einen Augenschutz tragen. Zudem müsste jeder, der unter 18 ist, in der Rikscha einen Helm aufsetzen.

Nach Ansicht des Regionalpolitikers Paul Rosenthal sind solche Vorschriften viel zu umständlich für ein Fahrzeug, das bei geringer Geschwindigkeit für kurze Strecken genutzt werde. „Wenn man etwa mit vier Kindern unterwegs ist – die müssten alle einen Helm mitbringen oder es müssten welche verfügbar sein“, sagt der Demokrat, der als Abgeordneter im Parlament des Staates Colorado sitzt.

Am 4. Mai wurde in Colorado ein von Rosenthal initiiertes Gesetz verabschiedet, das dreirädrige Fahrzeuge mit Frontscheibe, Anschnallgurten und einer Höchstgeschwindigkeit von 25 Meilen pro Stunde (etwa 40 Kilometer pro Stunde) von den strengen Regeln für gewöhnliche Motorräder ausklammert. Um die Sicherheitsbedenken gegenüber den eTuks auszuräumen, wird zudem jedes Modell einer standardisierten Inspektion unterzogen.

In den meisten anderen US-Staaten sind die Vorschriften allerdings noch immer strikt – denn viele Experten verweisen eindringlich auf die Unfallgefahren. „Die meisten Motorradunfälle passieren bei Geschwindigkeiten von weniger als 30 Meilen pro Stunde, und viele davon enden tödlich. Das ist also eine ernste Sache“, sagt Sherry Williams von der nationalen Motorcycle Safety Foundation. Eine Helmpflicht sei daher auch für dreirädrige Fahrzeuge sinnvoll, und die Passagiere müssten sich darüber im Klaren sein, dass auch bei langsamer Fahrt ein Unfall sehr gefährlich sein könne.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%