Die kleinen LED-Lampen in der Sixtinischen Kapelle in Rom sind gut versteckt. Von einem schmalen Sims aus etwa zehn Meter Höhe, für den Besucher nicht zu erkennen, verbreiten die Minilämpchen auf Halbleiterbasis ihr Licht in dem weltberühmten Kulturdenkmal.
Das neuartige Beleuchtungskonzept ging im vergangenen November ans Netz und gibt die Farben der Michelangelo-Fresken viel wirklichkeitsgetreuer als die alte Beleuchtung wieder. 4,5 Millionen Touristen pro Jahr gewinnen so den Eindruck, das Licht komme von der Sonne.
Das unter Experten als „anspruchsvollste Aufgabe in der Welt der Beleuchtung“ klassifizierte Projekt im Vatikan hat der Münchner Lichtkonzern Osram realisiert. Ein ähnliches Konzept hatte die frühere Siemens-Tochter mit ihren 33.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zuletzt 5,2 Milliarden Euro zuvor schon im Münchner Lenbachhaus umgesetzt, das unter anderem Werke der Expressionisten-Gruppe Blauer Reiter zeigt.
Geht es nach Osram-Chef Olaf Berlien, wird das Münchner Unternehmen, an dem Siemens noch mit 20 Prozent beteiligt ist, sein Geld in Zukunft vor allem mit Projekten verdienen, in denen viel Ingenieur- und Technikerleistung steckt.
Der Traditionskonzern Osram
Der Lichtkonzern Osram konzentriert sich bisher auf fünf Geschäftsfelder. Neben traditionellen Leuchtmitteln wie Halogenlampen und Leuchtstoffröhren bietet das Unternehmen LED-basierte Lampen, Spezialbeleuchtungen vor allem für Autos, LED-Halbleiter sowie Beleuchtungslösungen etwa für Museen. Die frühere Siemens-Tochter war Mitte 2013 an der Börse gestartet. Zuletzt kam das Unternehmen mit weltweit rund 34 000 Beschäftigten auf einen Umsatz von gut 5,1 Milliarden Euro.
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Im Jahr 1919 hatte der von der Auer-Gesellschaft mit AEG und Siemens & Halske gegründete Leuchtenhersteller seine Arbeit aufgenommen und das Geschäft mit der Glühbirne geprägt. Der Name Osram, der sich aus den Materialien für Glühdrähte, Osmium und Wolfram, zusammensetzt, wurde zur Weltmarke.
Den Fokus richtet Berlien daher künftig auf das Halbleitergeschäft mit seinem großen Werk in Regensburg, auf den margenträchtigen Bau von Leuchten für die Autoindustrie, die Herstellung von Displays und auf Großprojekte. Das Geschäft mit klassischen Leuchtstoffröhren, Glüh- und Energiesparlampen dagegen soll abgespalten und verkauft oder mit einem ausländischen Partner zusammengebracht werden.
Am Dienstag berät der Aufsichtsrat von Osram über den Plan. Ob dabei schon eine endgültige Entscheidung fällt, ist bislang offen.
„Ein einschneidender und absolut logischer Schritt“, urteilt David Vos von Barclays Capital in London, „denn Osram trennt sich von einem schnell schrumpfenden Geschäftszweig.“ An der Börse kommt der Deal gut an. Den langfristigen Verfall des Urgeschäfts mit 12.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zwei Milliarden Euro wird die Abspaltung aber nicht aufhalten können.
Das Aus für deutsche Osram-Werke
Buchstäblich die Lichter ausgehen dürften in den kommenden Jahren in Osram-Werken wie in Augsburg. In der 1922 eröffneten Fabrik für Leuchtstoffröhren arbeiteten vor acht Jahren noch 2000 Leute. Heute sind es noch gut 1000. Die Fertigung der Röhren wird sukzessive zurückgefahren.
Auch mögliche industrielle Investoren, etwa asiatische Hersteller von elektrischen Massenartikeln wie Schalter und Steckdosen, dürften den Untergang vermutlich nur hinauszögern. Durch die Allianz mit den Deutschen bekämen sie mit einem Schlag Zugang zum Vertrieb von Osram hierzulande, zu Baumarktketten und großen Geschäftskunden.
Durch Synergien beim Einkauf im klassischen Osram-Geschäft ließen sich für die Asiaten Kosten sparen. Dass sie aber weiter stark in Deutschland produzieren, ist unwahrscheinlich.
Was das Sparprogramm „Push II“ bringen soll
Im angekündigten Sparprogramm „Push II“ sollen weltweit 7.800 Stellen abgebaut werden, rund 1.700 entfallen auf die deutschen Werke. Im laufenden „Push“-Programm sollen bereits 8.700 Mitarbeiter weltweit entlassen werden, 1.450 davon in Deutschland. Nach den beiden Sparprogrammen wird Osram dann nur noch etwa 20.000 Mitarbeiter haben – statt derzeit rund 35.000.
Zwischen 2015 und 2017 will Osram-Chef Dehen sieben Werke schließen. Bis Jahresende 2014 sollen bereits elf der über 40 Werke zugesperrt werden.
Wenn das Sparprogramm „Push“ Ende 2014 ausläuft, soll direkt die erste Phase von „Push II“ anlaufen. Das zweite Sparprogramm ist bis 2017 angesetzt.
Die angepeilte Summe von „Push“ sind 1,2 Milliarden Euro. Bei „Push II“ will Osram-Chef Dehen rund 260 Millionen Euro einsparen.
Berliens geplanter Befreiungsschlag könnte die jahrelange Misere des Münchner Konzerns beenden. Insgesamt elf der weltweit 44 Werke hat Osram in den vergangenen Jahren bereits geschlossen. Im Rahmen des Restrukturierungsprogramms „Push“ hat das Unternehmen in einer ersten Runde 8700 Arbeitsplätze und dann noch einmal 1700 Stellen gestrichen.
Die gravierenden Probleme resultieren auch aus der falschen Markteinschätzung von Berliens Vorgänger Wolfgang Dehen. Denn das Geschäft mit traditionellen Lampen schrumpft nicht graduell, wie Dehen immer annahm, sondern stürzt regelrecht ab. Das erfordert einen entschlossenen Schritt, so wie Berlien ihn jetzt unternimmt.
Die Hoffnung auf ein gutes Ende für Osram nährt Aufsichtsratschef Peter Bauer. Der hat mit dem Münchner Halbleiterhersteller Infineon schon einmal einen Milliardenkonzern gerettet, indem er ihn zu einem schmerzhaften Umbruch zwang.
Der einstige Speicherchipproduzent war vor über zehn Jahren zum Sanierungsfall geworden, weil er Chips für den Massenmarkt herstellte. Bauer als damaliger Chef baute Infineon zu einem Anbieter von Spezialchips um, der heute zu den Besten der Branche gehört.
Insofern sind Osram und Berlien in den richtigen Händen.