Energieversorger Wenn für den Ökowandel das Geld fehlt

Eon, RWE und hunderte Stadtwerke in ganz Deutschland – sie alle haben den Vormarsch von Sonnen- und Windenergie völlig verschlafen. Nun geloben die Firmen den grünen Umbau. Doch dafür fehlt ihnen vielfach Kapital.

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Markus Hakes, Geschäftsführer Trianel Erneuerbare Energien GmbH & Co. KG, spricht sich für Kooperationen der Stadtwerke aus. Quelle: EUROFORUM, Dietmar Gust

Berlin ö

Stockkonservativ, selbstverliebt und oft unfähig zur Selbstkritik: Noch vor ein paar Jahren war die heimische Energiewirtschaft geprägt von einer Sippe eigenbrötlerischer, teils präpotenter Manager. Ihre Arroganz gedeihte in einem oligopolistischen Biotop ohne Wettbewerber und garantiert hoher Margen. Doch die Energiewende zertrümmert diese alte Elektrizitätswelt. Und damit ändert sich langsam auch der Managertypus in der Branche.

„Wir sind geläutert und deutlich bescheidener geworden“, sagte Anja-Isabel Dotzenrath am Dienstag am Rande der Handelsblatt-Jahrestagung Erneuerbare Energien. Dotzenrath verantwortet bei Deutschlands größtem Energieversorger Eon das operative Geschäft mit Solar- und Windenergieanlagen. Privat fährt sie elektrisch und im Ton gibt sie sich zurückhaltend und selbstkritisch. 

„Sind wir die Schlange oder das Vögelchen in der neuen Energiewelt“, fragte Dotzenrath bei dem Branchentreff in Berlin. Ihre Antwort: Sie weiß nicht. „Das Rennen ist noch nicht gemacht“, so Dotzenrath. Klar ist aber: Die Veränderungen im Stromsektor sind derart tiefgreifend, dass für viele Unternehmen ein radikaler Wandel vonnöten ist, um zu überleben.

Eon, RWE, EnBW und Vattenfall haben den Vormarsch der erneuerbaren Energien völlig verschlafen. Die Bilanzen der vier großen Energieversorger gleichen Schlachtfeldern – die markante Farbe ist rot. Verluste, Abschreibungen und hohe Schulden gefährden ihre Existenz. 

Am Montag hat Eon das alte Geschäft mit Kohle- und Gaskraftwerken abgespalten und unter dem Namen Uniper an die Börse gebracht. „Eon ist ein Unternehmen“, versichert Dotzenrath, das sich jetzt „voll auf die neue Energiewelt fokussiert“. Doch die Reise ins grüne Schlaraffenland hat für den Energieriesen gerade erst begonnen. Und es fehlt überall an Geld, um dabei zu einem wahren Vorreiter zu werden.

Zu allem Überfluss will die Bundesnetzagentur jetzt die Renditen der Konzerne in jener Sparte deckeln, die bisher die sichersten Einnahmen für die Versorger versprach: den Strom- und Gasnetzen. Für die Nutzung ihrer Leitungen sollen die Konzerne künftig für ihr Eigenkapital nur noch einen Zinssatz von 6,91 Prozent bei neuen Anlagen und 5,12 Prozent bei alten Anlagen in Rechnung stellen dürfen. Bisher waren es 9,05 Prozent für Neuanlagen und 7,14 Prozent für Altanlagen.

Besiegelt die Netzbehörde ihre Pläne würden nicht nur den großen Energieversorgern erhebliche Einnahmen wegbrechen – auch hunderte Stadtwerke und kommunalen Strom- und Gasnetzbetreiber in Deutschland wären betroffen. In der Öffentlichkeit steht zwar meist die Misere der großen Energiekonzerne im Fokus, aber auch die vielen kleinen, kommunalen Versorger werden „von der Energiewende überrollt“, sagte Michael Salcher, Energieexperte bei der Unternehmensberatung KPMG.


Stadtwerken fehlt das nötige Know-how

„Die Margen der Stadtwerke sind massiv eingebrochen“, erklärte Salcher dem Handelsblatt. Bei einem Viertel der Stadtwerke in Deutschland habe die Verschuldung stark zugenommen. „Die finanzielle Situation ist angespannt, Tendenz steigend“, analysiert der KPMG-Experte.

Eigentlich müssten auch die Stadtwerke massiv in digitale Netze und erneuerbare Energien investieren. Ein Drittel des Stroms in Deutschland ist bereits grün. Bis 2025 soll der Anteil von Sonne, Wind, Wasser und Bioenergie am gesamten Strommix auf 45 Prozent ansteigen. Doch die „ganze Branche hat eine abwartende Haltung eingenommen“, erklärte Branchenkenner Salcher.

Einerseits fehlt den Stadtwerken teils das Know-how für die neue, dezentrale Welt. Andererseits schlicht das Geld. „Das Dilemma einiger Stadtwerke ist: Im Gegensatz zu Eon oder RWE können sie sich nicht einfach aufspalten oder Vermögenswerte verkaufen“, sagte Salcher. Der Grund: Es wäre politisch schlichtweg nicht durchsetzbar. Die Einnahmen der meisten Stadtwerke dienen auch dazu, kommunale Verkehrsbetriebe und Bäder quer zu subventionieren. Für Investitionen in Erneuerbare bleibt den Firmen dann kaum noch Geld übrig.

Markus Hakes kennt das Problem. Der Geschäftsführer des Bereichs Erneuerbare Energien beim Stadtwerke-Netzwerk Trianel will den kommunalen Unternehmen helfen, die Potenziale von Solar- und Windenergie doch noch zu nutzen. Sein Konzept: gemeinsame Kooperationen der Stadtwerke bei Erneuerbaren Energien. „Das ist der richtige Weg“, erklärte Hakes bei dem Handelsblatt-Ökobranchentreff in Berlin.

In der Theorie könne zwar jedes Stadtwerk vor Ort seine eigenen Wind- und Solarparks errichten. In der Praxis zeige sich aber, dass es „Vorteile gibt, wenn man das gemeinsam macht“, so Hakes. Unternehmensberater Michael Salcher kann da nur zustimmen.

„Wer sich zusammentut, kann Synergien heben, Kosten sparen und hat einen größeren Hebel, um neue Projekte zu finanzieren“, erläuterte der KPMG-Experte. Weil den Stadtwerken das Geld fehlt, um alleine den grünen Wandel zu stemmen, erwartet Salcher jetzt eine „Kooperationswelle“. Aber nicht nur die Kleinen werden sich Partner suchen. Auch Riesen wie Eon machen längst nicht mehr alles solo – insbesondere beim Bau von milliardenschweren Windparks auf hoher See.

„Die Projekte werden zum Teil so groß, das ist auch für ein Unternehmen wie Eon vom finanziellen Risiko her zu groß“, erklärte Eon-Managerin Dotzenrath. Für sie sind Partnerschaften ein „essentieller Bestandteil“ der neuen Energiewelt. In der alten Ära der Stromindustrie wären solch intensive Kooperationen hingegen undenkbar gewesen.

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