Das Potenzial der Idee hat Horst Brandstätter nicht sofort erkannt: Ein schlichtes Systemspielzeug, das stets zum Kauf neuer Bestandteile animiert und so für Kinder eine eigene Spielzeugwelt erschafft: Playmobil. Es bescherte seiner Firma, der Geobra Brandstätter Gruppe, einen Erfolg, der bis heute anhält – dem Tag seines 80. Geburtstag.
Außer seinen Jubilar feiert das Unternehmen auch das erfolgreichste Jahr seiner Geschichte. Mit 531 Millionen Euro erreichte der weltweite Playmobil-Umsatz 2012 einen Rekordwert. Das gleiche gilt für den Absatz von 61 Millionen versandten Verpackungen. Diese Erfolgsstory war im Einführungsjahr von Playmobil dringend nötig gewesen. Die Ölkrise 1973 machte den für die Produktion von Kunststoff wichtigen Rohstoff Öl teuer. Die Spielzeugproduktion rechnete sich nicht mehr - Horst Brandstätter brauchte einen Verkaufsschlager. Die Rettung schlug ihm der damalige Formenbauer Hans Beck mit seinem Playmobil-Konzept vor.
Ein Jahr später stellte Geobra Brandstätter während der Nürnberger Spielzeugmesse erstmals drei Spielfiguren vor: einen Ritter, einen Indianer und einen Bauarbeiter. Die Figuren schlugen ein und ließen den Unternehmensumsatz von damals 20 Millionen Mark innerhalb von drei Jahren auf 100 Millionen anschwellen. Mittlerweile haben sich um die drei Ursprungs-Figuren eine Vielzahl von Varianten und Themenwelten gruppiert. Allein für 2013 hat Brandstätters Unternehmen 118 neue Spielideen vorgesehen, die von „Ferien auf dem Campingplatz“ bis zu Abenteuern im „Asia-Drachenland“ reichen.
Diese Spielwelten sind laut dem Kinder- und Jugendmarktforscher Axel Dammler das Erfolgsrezept von Playmobil. „Es sind vor allem die klassischen Welten, wie das Piratenschiff oder das Ritterschloss, die die Kinder aus Geschichten und Medien kennen, und in denen sie gerne spielen wollen“, sagt der Chef der Unternehmensberatung Iconkids & Youth. Dies beschert Playmobil einen Anteil von 7,5 Prozent am deutschen Spielwarenmarkt, womit das fränkische Unternehmen auf Rang 3 hinter Lego und Mattel landet.
Warum Playmobil auf Lizenzen verzichtet
Konkurrent Lego setzt zwar ebenfalls auf Themenwelten und schlichte Figuren, die die Fantasie anregen. Der Unterschied zwischen den Spielzeugplatzhirschen liegt jedoch darin, dass Lego außer auf sein Bauklötzchensystem auch auf Lizenzprodukte setzt – wie beispielsweise für "Star Wars" oder "Spongebob Schwammkopf". Auf solche Produkte verzichtet Horst Brandstätter und will dies auch in Zukunft tun. Sein Argument: Einerseits sind solche Lizenzen teuer, andererseits überlebe sich solches Spielzeug schnell.
Spielwarenexperte Axel Dammler ist da geteilter Ansicht: „Wenn Playmobil ein Raumschiff herausbringt, dann tut es sich schwer mit dem Star-Wars-Raumschiff von Lego zu konkurrieren.“ Außerdem sei es für Playmobil schwieriger einen Hype um seine Themenwelten zu inszenieren. Bei Lizenzprodukten sei dies kein Problem, da sie etwa von der Strahlkraft des jeweiligen Films zehren.
Dafür habe Playmobil den Vorteil, dass seine Spielwaren zeitloser seien und mehr die Fantasie der Kinder anregen. „Wenn ich eine Darth-Vader-Figur habe, kann ich Darth Vader sein. Wenn ich aber eine schlichte Playmobilfigur habe, kann ich alles sein“, sagt Dammler. Zudem würden viele Lizenzprodukte schnell verfliegen. So hat Lego vor einigen Jahren eine „Fluch der Karibik“-Spielwelt herausgebracht: „Ein Jack Sparrow von Lego ist vielleicht ein, zwei Jahre cool, aber der Playmobil-Pirat ist immer cool.“ Letztlich macht der Mix aus Kontinuität mit immer wieder auftretenden Neuheiten das Erfolgsrezept von Playmobil aus.
Trotz des Erfolges der Figuren: Sich davon abhängig machen, möchte Horst Brandstätter nicht. Im Jahr 2000 baute der damals 67-Jährige ein zweites Standbein, das mit dem bisherigen Spielzeug-Geschäft nichts zu tun hatte: Er setzte auf Blumentöpfe und Pflanzenkübel als neuem Geschäftszweig. Damit widersetzte er sich allen Kritikern, die warnten, dass er sich in dieser Branche nicht auskenne und keine Kontakte zum Blumenhandel hätte.
Wie Brandstätter sein Unternehmen führt
Die Bilanz seines Engagements spricht an seinem 80. Geburtstag für Brandstätter: 46,9 Millionen Euro erzielten Lechuza-Gefäße im Jahr 2012. Damit ist Lechuza zwar noch keine gleichwertige zweite Säule neben Playmobil, aber eine Einnahmequelle, die sich sehen lassen kann.
Immer wieder ging Brandstätter neue Wege. Als er 1954 die Firma übernahm, stellte er die Produktion von Metall- auf Kunststoffspielzeug um und feierte vier Jahre später seinen ersten Erfolg mit der Produktion von Hula-Hoop-Reifen. Nach seinen zwei weiteren großen Coups, der Einführung von Playmobil und Lechuza-Kübeln, setzt Brandstätter auf Expansion. So viel, wie dieses Jahr, hat Brandstätter noch nie investiert: 100 Millionen Euro hat der Inhaber vorgesehen, davon geht die Hälfte in ein neues Logistikzentrum im fränkischen Herrieden. Am 28. Mai wurde der Spatenstich für den 55.000 Quadratmeter großen Gebäudekomplex gefeiert, in dem Playmobil-Produkte gelagert und in die ganze Welt verschickt werden sollen.
Beim Spatenstich war der betagte Inhaber natürlich dabei. Auch wenn er das Alltagsgeschäft mittlerweile an seine frühere Marketing-Chefin Andrea Schauer abgegeben hat, schaut er seinen Mitarbeitern stets auf die Finger. Selbst im Urlaub lässt er sich täglich Berichte zuschicken und mischt sich bei Bedarf ein. Auch mit 80 Jahren gibt Horst Brandstätter das Zepter noch nicht vollständig aus der Hand.