Fahrverbote für Diesel Wir müssen draußen bleiben

Umweltministerin Barbara Hendricks denkt laut über Fahrverbote für den Diesel nach. Dafür erntet sie deutliche Kritik aus der Industrie. Dabei sind die Probleme des Selbstzünders unübersehbar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Straßenverkehr ist für 40 Prozent der Stickoxid-Emissionen verantwortlich. Quelle: dpa

Düsseldorf Barbara Hendricks lässt nicht locker. Nachdem die Bundesumweltministerin vor wenigen Wochen mit ihren Plänen für eine blaue Plakette für schadstoffarme Autos weitgehend auf Granit gebissen hat, braucht sie nun schnell eine Lösung, um die Probleme mit der schmutzigen Luft in deutschen Großstädten in den Griff zu bekommen. Nach einem ersten Verordnungsentwurf will ihr Ministerium darum weiße und graue Plaketten für Autos auf den Weg bringen.

Bestimmte Straßen oder gar die ganze Innenstadt könnten damit künftig für Diesel oder zumindest für veraltete Modelle gesperrt werden. Außerdem denkt das Ministerium darüber nach, Innenstädte nur noch an bestimmten Tagen für Diesel zu öffnen – je nachdem, ob das Kennzeichen mit einer geraden oder einer ungeraden Zahl endet. Ähnlich handhabt es derzeit schon die französische Hauptstadt Paris. Am Ende könnten die Kommunen selbst entscheiden, welche Sanktion sie umsetzen, betont das Ministerium.

Handlungsbedarf gibt es auch in Deutschland genug: Allein im vergangenen Jahr wurde der Grenzwert für Stickoxid in 80 Städten übertroffen. Das Gas wird unter anderem für gereizte Atemwegen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich gemacht. Rund 40 Prozent der Stickoxid-Emissionen werden durch den Verkehr verursacht.

Bereits vor dem Ausbruch des Dieselskandals bei Volkswagen hatte die Europäische Union darum Grenzwerte für die Konzentration von Stickoxid in der Atemluft festgelegt. Grenzwerte, die in deutschen Städten nur selten eingehalten werden. Schon im Juni 2015 hatte die EU-Kommission daher ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Bislang wurden keine Fahrverbote für Diesel durchgesetzt. Das wird in vielen Bundesländern vor allem damit begründet, dass bislang kein bundeseinheitliches Verfahren für ein solches Verbot festgelegt wurde. Doch zuletzt urteilte das Verwaltungsgericht Düsseldorf, dass die Länder auch ohne eine solche Vorgabe Verbote durchsetzen könnten. Die Deutsche Umwelthilfe, die das Urteil erwirkt hat, klagt ebenfalls in Frankfurt, München und Stuttgart. Am Ende könnte die Landespolitik durch die Gerichte zum Handeln getrieben werden.
Für Dieselfahrer ist das keine gute Nachricht. Denn mit der Unsicherheit dürften irgendwann auch die Gebrauchtwagenpreise in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Diskussion um Verbote zeigt bereits heute Wirkung. Der Dieselanteil an den verkauften Neuwagen sank im November in Deutschland um fünf Prozentpunkte auf 44,9 Prozent – und damit so stark wie seit 2010 nicht mehr. Das zeigt eine neue Studie des Center of Automotive Research der Universität Duisburg-Essen, die dem Handelsblatt vorliegt.


Der Diesel auf der Schlachtbank


„Alle Indikatoren sprechen dafür, dass der Diesel-Niedergang im nächsten Jahr im gleichen oder höheren Tempo weitergeht“, sagt Studienautor Ferdinand Dudenhöffer. Käufer würden nicht nur durch Verbote abgeschreckt, sondern auch durch die Unaufrichtigkeit der Hersteller.

Bislang wendete sich die Politik vor allem gegen alte Dieselmodelle. Mit der neuen Regelung könnten auch moderne Euro-6-Motoren sanktioniert werden. Denn es ist durchaus umstritten, ob die neue Dieselgeneration wirklich so sauber ist, wie es von den Herstellern propagiert wird. In einem Test der Fachzeitung „Auto Motor und Sport“ stießen die 33 getesteten Euro-6-Modelle auf der Straße im Schnitt 483 Prozent mehr Stickoxid aus als auf dem Prüfstand. Allein beim neuen Renault Espace wurde der Wert um das 15-fache überschritten.

In der Industrie werden die Vorschläge aus dem Umweltministerium dennoch torpediert. „Wer den Diesel auf die Schlachtbank führt, ignoriert bewusst dessen unverzichtbaren Beitrag zum Klimaschutz“, sagt Jürgen Karpinski, Sprecher des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe und wirft die Frage auf, wie man in Zukunft die selbstgesteckten Klimaschutzziele ohne den Diesel erreichen wolle. Beim Herstellerverband VDA hatte man sich schon in den vergangenen Monaten mehrfach gegen Fahrverbote ausgesprochen.

Und auch aus der Politik erhält die Industrie Rückendeckung. Bayerns Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) nannte den Vorschlag von Umweltministerin Hendricks am Wochenende „völlig unpraktikabel“. Ein klarer Hinweis für seinen Parteifreund, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, in dessen Ministerium der Vorschlag des Umweltministeriums nun beraten wird.

Denn für die deutsche Autoindustrie scheint der Diesel derzeit unverzichtbar. Dieselmotoren stoßen im Verbrennungsprozess zwar deutlich mehr Stickoxid aus als Benzinmotoren, doch erzeugen weniger klimaschädliches CO2. In den vergangenen Jahren war es den Herstellern auch dank des Diesels gelungen, den Flottenschnitt weiter zu senken. Im November hat sich der Trend durch die gesunkenen Diesel-Verkäufe erstmals gedreht. Im Schnitt stieg der CO2-Ausstoß der Autoindustrie um 0,7 Gramm auf 126,4 Gramm.

Für die Hersteller kann diese Entwicklung am Ende richtig teuer werden. Denn bis zum Jahr 2021 müssen sie die Emissionsvorgaben der EU erfüllen. Sonst drohen Millionenstrafen, die mit jedem Gramm über dem Schnitt weiter steigen. „Für die Hersteller ist es darum wichtig, dass Elektroautos schneller auf die Straße kommen“, sagt Autoprofessor Dudenhöffer. Doch kurzfristig dürfte das die Luftqualität an deutschen Straßen kaum verbessern.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%