Familienunternehmen Krupp feiert sich selbst – als Fossil

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Konzern in Zeiten des Umbruchs

 Berthold Beitz Quelle: dpa

Anders bei ThyssenKrupp. Dort wird Familiäres kaum eine Rolle spielen. Die sonntägliche Einladung an die wichtigsten Kunden und Lieferanten der Krupp-Stahlwerke findet ohne Ehefrauen statt. Die müssen am Sonntag zuhause bleiben, weil sie schichtweg nicht dazugehören. Es wird also eine ziemlich männliche Veranstaltung, im Stahlsektor sind Managerinnen Mangelware. Dass die Jubiläumsgäste sonntags ohne Begleitung bei dem früheren Krupp-Testamentsvollstrecker und Vorsitzenden der Krupp-Stiftung, Berthold Beitz, erscheinen müssen, wird unter den Gästen vielfach als altvorderer Zopf angesehen, der aus Zeiten stammt, in denen Reden vor Krupp-Versammlungen mit der Anrede „Meine Herren“ begannen. So schwebt am Sonntag etwas Fossiles im Protokoll über der Hügel-Villa, von der immer auch etwas Muffiges altgewordener Eichenhölzer ausgeht.

Den Konzern erwischt das Jubiläumsjahr in Zeiten des Umbruchs und der offenen Fragen. Was soll an die Stelle der verkauften Krupp-Unternehmen im Automobilsektor und beim Edelstahl treten? Oder wird sich ThyssenKrupp ganz auf die Herstellung von Flachstahl konzentrieren? Die neuen Werke in Alabama (USA) und Brasilien sind erst seit diesem Jahr in Betrieb und fahren bedrohlich hohe Verluste ein, die die geplanten und normalen Anlaufverluste deutlich übersteigen. Das Milliarden-Investment in Übersee schliddert direkt in eine neue Stahlkrise, fürchten Brancheninsider. Bisher hat der seit Januar amtierende ThyssenKrupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger noch keine Antworten auf die drängensten strategischen Fragen von ThyssenKrupp gegeben.

Kritisch wird vor allem von vielen Konzernmitarbeitern die Rolle von Berthold Beitz gesehen. Der 97-jährige Alttestamentsvollstrecker mische sich zu stark in Tagesfragen des Konzerns ein. Sein Verdikt, dass ThyssenKrupp auch in ferner Zukunft „nicht umgemodelt“ werden darf, quittierten viele Kruppianer mit Kopfschütteln. Denn was ist der Ausverkauf des Edelstahls anderes als ein Ummodeln ganz großen Stils? Der sehr zentralistisch geführte Konzern wartet zudem noch auf einen Innovationsschub der Firmenkultur. Die Forschungsaufwenden im Unternehmen sind im Vergleich aller Daxwerte noch immer sehr gering. Man hält allzu gern an Altem und nicht immer Bewährten fest.

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