Gazprom und OMV schmieden Allianz Der vom Kreml gesteuerte Gasförderer flirtet mit Österreich

Die Wirtschaftssanktionen der EU haben Russland isoliert. Nun haben der russische Gasförderer Gazprom und Österreichs Energiekonzern OMV einen Anteilstausch besiegelt. Wie dieser Deal die Diplomatie beeinflusst.

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Gazprom-Vorstand Alexej Miller und OMV-Chef Rainer Seele beschließen in St. Petersburg unter anderem die Lieferung von russischem Öl an die Österreicher.

Wien Obwohl die Europäische Union strikte Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland verhängt hat, verstärkt der vom Kreml gesteuerte Gasförderer Gazprom die Geschäfte mit westlichen Unternehmen. Das jüngste Beispiel: Gazprom hat am heutigen Freitag mit dem österreichischen Energiekonzern OMV einen Tausch von Beteiligungen besiegelt.

Der Deal im Detail: Auf der einen Seite erhalten die Österreicher nach Gazprom-Angaben 24,98 Prozent der Anteile an einem Projekt auf dem Gasfeld Urengoi im Norden Westsibiriens. Konkret geht es dabei um die Blöcke 4A und 5A. Dort fördert die BASF-Tochter Wintershall seit 2003 Gas und Kondensat. Andererseits soll Gazprom an Förderprojekten des österreichischen Energiekonzerns in der Nordsee beteiligt werden, wie OMV mitteilt. Für die Russen wie für die Europäer ein strategisch wichtiger Standort.

Darüber hinaus vereinbarten Gazprom-Vorstand Alexej Miller und OMV-Chef Rainer Seele in St. Petersburg die Lieferung von russischem Öl an die Österreicher. Seeles Urteil: „Mit dieser Vertragsunterzeichnung zeigen wir, dass wir in schwierigen Zeiten in Europa Brücken bauen wollen.“

Der russische Energieminister Alexander Nowak sprach von der großen „politisch strategischen Wichtigkeit“ des Geschäfts, dass bis Ende Juni abgewickelt sein soll. „Wir haben uns auf ein neues Niveau unserer Zusammenarbeit bewegt“, sagte der Putin-Vertraute weiter. Auch Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling war bei der Unterzeichnung dabei. Neben dem Staat Österreich ist auch Abu Dhabi Großaktionär bei OMV. Ölminister Suhail Mohamed Faraj Al Mazrouei erklärte: „Es war wichtig, dass alle Beteiligten an einen Strang ziehen.“

Die wirtschaftlichen Beziehungen haben auch Einfluss auf die Diplomatie: In der kommenden Woche reist der österreichische Staatspräsident Heinz Fischer mit einer Delegation nach Moskau.

Insbesondere die Österreicher profitieren von diesem Deal: Der Tausch von Nordsee-Anteilen gegen Assets in Westsibirien bringt ihnen angesichts des niedrigen Ölpreises große Vorteile. Während ein Fass Rohöl hierzulande rund 40 Dollar kostet, ist es nach OMV-Angaben in Russland für zehn bis zwölf Euro zu haben.

Seit Herbst vergangenen Jahres hatte der frühere CEO der BASF-Tochter Wintershall mit dem Gazprom-Chef Alexej Miller das Geschäft angebahnt. „Ich erwarte nicht, dass der Deal noch scheitert“, sagte Miller. Die Chefs von Gazprom und OMV sind seit mehreren Jahren befreundet.

Während OMV überwiegend wirtschaftliche Interessen treiben, geht es den Russen bei diesem Deal vornehmlich darum, eine strategische Partnerschaft mit den Österreichern einzugehen. Denn trotz den politischen Widerstands spielt Europas Energiemarkt für Russland eine große Rolle. „Wir wollen strategisch ein neues Kapitel aufschlagen“, sagte Gazprom-Mann Miller. OMV-Chef Seele, damals saß er noch Wintershall vor, hatte den Russen schon früher über enge Geschäftsbeziehungen den Weg nach Mitteleuropa geebnet. Die Allianz mit Österreichs größten Konzern ist für Gazprom ein wichtiger Baustein, die durch den Krim-Krieg verursachte Isolation zu durchbrechen.

Das Geschäft findet ausdrücklich die Unterstützung der österreichischen Regierung. „Wir wollen einen Schritt zur Normalisierung setzen“, sagte Finanzminister Schelling zu den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland. Die rot-schwarze Koalition gilt ohnehin nicht als Freund harter Sanktionen Brüssels gegen Moskau.


Russisches Gas aus der Ostsee-Pipeline

Wie der Anteilstausch zwischen Gazprom und OMV genau aussehen soll, wird sich erst in den kommenden Wochen herausstellen. Die Russen prüfen derzeit noch die Bücher der OMV-Tochter in der Nordsee-Region.

Im August 2013 hatten die Österreicher Öl- und Gasfelder für 2,65 Milliarden Euro vor Norwegens Küste von Statoil erworben. Nach Unternehmensangaben fördern sie dort jeden Tag 50.000 bis 60.000 Fässer Rohöl. Künftig soll die Produktion auf 70.000 Barrel pro Tag gesteigert werden, wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte. Den Verträgen zufolge müssen die Österreicher für dieses Projekt eine Milliarde Euro investieren. An den Kosten wollen sie die Russen nun beteiligen.

Zudem unterzeichneten die Vertreter von Gazprom und OMV am Freitag zwei weitere Verträge, die eine enge Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft und Technologie vorsehen. Zum Beispiel in Sachen Gasproduktion und Energieeffizienz. Auch eine engere kulturelle Kooperation geplant.

Damit Russland die Geschäftsbeziehungen nach Europa vertiefen kann, spielt die Ostsee-Pipeline „Nord Stream 2“ eine Schlüsselrolle. Miller und Seele geben sich optimistisch, dass die Leitung mit einer jährlichen Kapazität von 55 Kubikmeter Erdgas schnell kommt. Sie soll russisches Gas von Westrussland über die Ostsee nach Deutschland und dann weiter nach Österreich bringen. Mittels dieser Pipeline Europa künftig annähernd ein Drittel seines Gasbedarfs sicherstellen. „Wir schätzen die Chancen für eine Realisierung sehr hoch ein“, sagte OMV-Chef Seele. „Wir brauchen dafür keine Genehmigung der EU-Kommission“, sagt der Manager in Anspielung auf Brüsseler Bedenken, was eine zu große Abhängigkeit von Russland betrifft.

Es bedürfe nur der Genehmigung der Anrainerstaaten Russland, Finnland, Schweden, Dänemark und Deutschland. Den politischen Widerstand der osteuropäischen Länder wie Polen oder der Slowakei sehen die Österreicher als überwindbar. „Es gibt schließlich nur wenige Staaten, die gegen Nord Stream 2 sind“, sagt Österreichs Finanzminister Schelling. Die slowakische Regierung fürchtet, dass ihr durch die Pipeline Milliarden schwere Durchleitungsgebühren für russisches Gas auf dem Weg nach Westeuropa entgehen könnten.

Deutschland und Österreich gelten als starke Unterstützer des Projektes, das zu einer größeren Versorgungssicherheit in Europa führen soll. An der Pipeline beteiligen sich neben Gazprom, Wintershall und OMV auch Eon, Engie und Shell.

OMV bewegt sich wie andere Energiekonzerne angesichts des Preisverfalls bei Öl und Gas in einem schwierigen Marktumfeld. 2015 belief sich der Nettoverlust der Österreicher auf 1,1 Milliarden Euro. Im Vorjahr hatte OMV noch einen Gewinn von 278 Millionen Euro erzielt. Der Konzernumsatz erreichte 23 Milliarden Euro. Das entspricht einem Minus von 27 Prozent zum Vorjahr.

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