Gebot für Innogy RWE hält an der grünen Tochter fest

RWE, Deutschlands größter Stromversorger, steckt weiter tief in den roten Zahlen. Doch Spekulationen über einen Verkauf der grünen Tochter Innogy erteilt Konzernchef Rolf Martin Schmitz eine klare Absage.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Seit der Aufspaltung konzentriert sich der Konzern auf die konventionelle Stromerzeugung und den Großhandel. Quelle: dpa

Düsseldorf Milliardenverlust, keine Dividende, Debatte um sein Gehalt - wenn Rolf Martin Schmitz am Dienstag zum ersten Mal als Vorstandschef die Bilanz von RWE auf der jährlichen Pressekonferenz in Essen vorstellt, muss er sich auf unangenehme Fragen gefasst machen. Vielleicht ist Schmitz deshalb ja sogar froh, dass die roten Zahlen, die sein Unternehmen am frühen Morgen meldete, von einer ebenso überraschenden wie vagen Spekulation überlagert wird: Angeblich plant der französische Energiekonzern Engie eine Übernahme der RWE-Ökostromtochter Innogy.

Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte unter Bezug auf „informierte Kreise“ berichtet, Engie spreche mit Beratern eine Offerte für das Unternehmen durch, das an der Börse rund 17 Milliarden Euro wert ist. Die Überlegungen seien aber noch in einem frühen Stadium und es sei unklar, ob Engie überhaupt einen Vorstoß vage. Das Unternehmen wolle sich nicht äußern.

Schmitz wird sich zu seinen Plänen mit Innogy äußern müssen – nicht zuletzt im Interesse der gut 40.000 Innogy-Beschäftigten. Am frühen Morgen, noch vor Vorlage der Zahlen, erklärte die Kommunikationsabteilung zwar, dass RWE „Marktgerüchte“ nicht kommentiere. Gleichzeitig stellte sie aber klar, dass sich Engie eine Offerte eigentlich sparen kann: „RWE macht zudem deutlich, dass es im Jahr 2015 im Zusammenhang mit dem IPO der Innogy einen Beschluss des Aufsichtsrats der RWE gab, dass RWE Innogy-Anteile grundsätzlich bis auf 51 Prozent abverkaufen kann“, hieß es in der Erklärung, „Darüber hinaus gibt es keine weitere dieses Thema betreffende Beschlusslage.“ Im Klartext: Schmitz hat nur das Platzet zur Platzierung einer Minderheitsbeteiligung.

RWE hatte Ende 2015 überraschend die Aufspaltung des Konzerns beschlossen. Im April 2016 lagerte der Konzern das Geschäft mit der Energiewende, also Erneuerbare Energien, Vertrieb und Netze, an die neu gegründete Innogy SE aus und konzentrierte sich selbst auf die konventionelle Stromerzeugung und den Großhandel. Im Oktober brachte RWE das neue Unternehmen an die Börse und hält seither noch 77 Prozent. Zwar will der Konzern in den kommenden Jahren weitere Anteile verkaufen, aber eben die Mehrheit behalten.

In Konzernkreisen gilt auch als unwahrscheinlich, dass Vorstandschef Schmitz im Aufsichtsrat jetzt schon eine Revision des Beschlusses durchsetzen könnte: Dort haben die Arbeitnehmervertreter und kommunale Aktionäre, die auch Standortinteressen haben, die Mehrheit. Andererseits ist ein allzu aggressiver Vorstoß von Engie ebenfalls unwahrscheinlich. Das Unternehmen will zwar bei den erneuerbaren Energien expandieren, ist aber noch zu 29 Prozent in Besitz des französischen Staates.

Dabei könnte RWE die Milliarden durch eine Übernahme von Innogy eigentlich gut gebrauchen. Das Unternehmens steckt tief in den roten Zahlen, wie aus dem Geschäftsbericht hervor geht, den der Konzern am Dienstag früh veröffentlichte. Dabei war die schlimmste Zahl keine Überraschung mehr: Unter dem Strich schloss RWE das Geschäftsjahr 2016 mit einem Verlust von 5,7 Milliarden Euro ab. Den gewaltigen Nettoverlust hatte der Energiekonzern aber schon vor knapp drei Wochen in einer überraschenden Ad-hoc-Mitteilung eingeräumt. Aber auch das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen sank um 23 Prozent auf 5,4 Milliarden Euro.

Jetzt soll aber der Abwärtstrend erstmal gestoppt sein. 2017 soll nach der Prognose des Konzerns beim Ebitda mindestens wieder der Wert von 5,4 Milliarden Euro erreicht werden , am besten soll es aber auf 5,7 Milliarden Euro gesteigert werden. Das Nettoergebnis soll, bereinigt um Sondereffekte, wieder leicht zulegen.

„Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Jetzt geht es darum, auf dieser soliden Grundlage RWE weiter zu entwickeln“, sagt Vorstandschef Rolf Martin Schmitz. Schmitz hatte den Vorstandsvorsitz erst im Oktober nach dem Börsengang von Innogy übernommen. Der damalige RWE-Chef Peter Terium gab die Leitung des Mutterkonzerns an seinen Vize Schmitz ab und konzentrierte sich selbst auf die Führung von Innogy.

Die Stammaktionäre werden wegen der angespannten finanziellen Lage für 2016 wieder keinen Cent bekommen. Die Vorzugsaktionäre erhalten auch nur 13 Cent. Einige der kommunalen Aktionäre, die rund 24 Prozent der Stammaktien halten, protestierten zwar zunächst. Letztlich wurde der Vorschlag des Vorstands in der vergangenen Woche vom Aufsichtsrat aber einstimmig gebilligt. Für 2017 sollen sie aber wieder 50 Cent je Aktie bekommen – und das soll in den Folgejahren auch die Untergrenze sein.


Harte Sanierungsaufgabe für Schmitz

Während sich Peter Terium mit Innogy um das zukunftsträchtige Geschäft mit der Energiewende kümmert, hat Schmitz eine harte Sanierungsaufgabe übernommen. Die konventionellen Kraftwerke stehen seit Jahren durch die Energiewende unter Druck. Je größer der Anteil von Wind- und Solaranlagen wird, die ihren Strom bevorzugt ins Netz einspeisen dürfen, je mehr werden die Kohle- und Gaskraftwerke aus dem Markt gedrängt.

Durch die Überkapazitäten sind die Strompreise im Großhandel drastisch gesunken. Vor der Reaktorkatastrophe von Fukushima Anfang 2011 kostete eine Megawattstunde Strom noch deutlich mehr als 50 Euro, Anfang 2016 waren es zweitweise kaum noch mehr als 20 Euro. Inzwischen hat sich der Preis zwar etwas erholt, verharrt aber unter 30 Euro – einem Niveau bei dem die meisten Kraftwerke allenfalls die Betriebskosten einspielen können.

Wegen der schwierigen Marktlage nahm RWE außerplanmäßige Abschreibungen in Höhe von 4,3 Milliarden Euro vor. Davon entfielen 3,7 Milliarden Euro auf den deutschen Kraftwerkspark – der Rest auf Anlagen in Großbritannien, den Niederlanden und der Türkei. RWE will „den Kraftwerkspark weiter auf Effizienz und Flexibilität trimmen“, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Dabei will es wie vorgesehen alte Braunkohlekraftwerke vom Netz nehmen, um den hohen Anteil an Kohlendioxid in der Produktion zu verringern.

Entlang des Kerngeschäfts will RWE nach der Abspaltung von Innogy aber auch wieder wachsen. Der Stromproduzent will das „Portfolio an flexiblen Assets weiterentwickeln“, um besser auf Schwankungen bei Strompreisen und Nachfrage reagieren zu können. Auch das Energiehandelsgeschäft soll organisch wachsen. Unter anderem soll das Trading-Team „in Asien am starken Wachstum der Energiemärkte partizipieren“.

„Unser Geschäftsmodell dreht sich rund um das Thema Versorgungssicherheit“, betonte Schmitz. Sein Vorgänger Terium hatte für Innogy am Montag solide Zahlen vorgelegt. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sank zwar um sieben Prozent auf 4,2 Milliarden Euro, lag aber im Rahmen der eigenen Prognose. Das Nettoergebnis ging auch um 6,2 Prozent zurück, blieb im Gegensatz zum Mutterkonzern aber mit 1,5 Milliarden Euro noch deutlich positiv. Die Aktionäre bekommen eine Dividende von 1,60 Euro je Anteilsschein ausgeschüttet. Gemessen am Schlusskurs 2016 entspricht das einer Dividendenrendite von fünf Prozent. Das freut auch Mehrheitseigner RWE. Der hält schließlich noch 77 Prozent der Aktien.

Auch in den kommenden Jahren will Innogy stabile Dividenden ausschütten. Diese verlässliche Einnahmen müsste RWE bei einem Verkauf von Innogy ausgeben. Zudem dürfte der Konzern keine Probleme haben, Käufer für weitere, kleinere Tranchen zu finden.

Der Börsengang hat zudem die finanzielle Lage des Mutterkonzerns schon etwas entspannt. Er nahm 2,6 Milliarden Euro ein. Die kann Schmitz auch gut gebrauchen. Die Nettoschulden verringerten sich zwar 2016 um 2,8 Milliarden Euro – sie liegen aber immer noch bei 22,7 Milliarden Euro. Gleichzeitig muss RWE Mitte des Jahres 6,8 Milliarden Euro in den neuen Fonds einzahlen, der die Verantwortung für Zwischen- und Endlagerung des Atommülls übernimmt.

Am Mittwoch legt noch Eon die Jahresbilanz vor. Der Konkurrent wird sogar einen Verlust von mehr als 12,5 Milliarden Euro bekannt gegeben. Der Konzern hat sich auch aufgespalten. Im Gegensatz zu RWE brachte Eon aber das alte Geschäft mit den konventionellen Kraftwerken im neuen Unternehmen Uniper an die Börse.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%