Hans Van Bylen übernimmt Henkel So tickt der neue Henkel-Chef

Nach Abgang des hyperaktiven Kasper Rorsted setzt der Henkel-Clan mit Hans Van Bylen auf Ruhe und Kontinuität in der Chefetage. Doch Anleger fürchten Langeweile und Stagnation – nicht zu Unrecht.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Hans van Bylen Quelle: Henkel

Ein besseres Abgangszeugnis hätte sich Kasper Rorsted nicht mal selber schreiben können: Nachdem der amtierende Henkel-Chef am vergangenen Montag seinen Abgang verkünden ließ, brach der Aktienkurs um vier Prozent ein. Bei seinem künftigen Arbeitgeber Adidas sauste der Kurs des Sportartikelherstellers um zwölf Prozent hoch. Unterm Strich verlor Henkel an dem Tag knapp zwei Milliarden Euro an Wert, Adidas legte um gut eine Milliarde zu. Ist Rorsted also drei Milliarden Euro wert?

Fakt ist: Bei Henkel hinterlässt der vorzeitige Abgang des dänischen Überfliegers eine gewaltige Lücke, die sein Nachfolger schwer wird schließen können. Hans Van Bylen, unternehmensintern als treuer Konzernsoldat bekannt, wirkte zehn Jahre unauffällig als Vorstand der Kosmetiksparte mit der Topmarke Schwarzkopf. Nun muss er ins Rampenlicht, Eigentümer und Mitarbeiter begeistern.

Kosmetikriesen: Henkel und Procter & Gamble im Vergleich

Immerhin: Wenn Rorsted wirklich so ein herausragender Manager ist, sollte er seinen Noch-Arbeitgeber so gut aufgestellt hinterlassen, dass das börsennotierte Familienunternehmen nicht im Chaos versinkt. Seinen Posten wird er Ende April räumen. Das zeugt von Weitsicht der Gesellschafter, voran Simone Bagel-Trah als Oberhaupt des Henkel-Clans. So kann Van Bylen mit seinen Vorstandskollegen federführend an der neuen, Henkel-üblichen Vierjahresstrategie arbeiten, die im November verkündet werden soll.

Die größten Konsumgüterhersteller der Welt
Größte Konsumgüterhersteller Quelle: dpa
Henkel Konsumgüterhersteller Quelle: dpa
L’Oreal Quelle: REUTERS
Mondelez Oreo Quelle: AP
Rang 8: Tyson Foods Quelle: REUTERS
AB InBev Beck's Quelle: AP
Coca-Cola-Company Quelle: REUTERS

Rorsted hatte zuletzt bei Henkel mit schleppenden Geschäften in Russland, den USA und China zu kämpfen. Diese Probleme muss der 54-jährige Belgier Van Bylen in Angriff nehmen. Die Rendite beim Konsumgüterkonzern weiter in die Höhe zu treiben wird für den dreifachen Familienvater nach Einschätzung von Analysten schwierig. Schließlich trimmt sein Vorgänger seit acht Jahren Henkel brutal auf Profit.

Damit er bei dieser Herausforderung stets die Nerven behält, dürfte Van Bylen seinen Schokoladenkonsum weiter steigern. Enge Mitarbeiter berichten, dass die braunen Tafeln vor ihm nirgendwo sicher seien, besonders belgische Schokolade. Im Notfall täte es aber auch Schokolade aus der Schweiz.

Freunde und Gegner, Ziele und Visionen, Stärken und Schwächen

Freunde und Gegner

Van Bylen gehört dem Henkel-Vorstand seit mehr als zehn Jahren an, etwa doppelt so lange wie die anderen vier Vorstände. Seit 32 Jahren ist er bei Henkel: Als 23-jähriger Außendienstler für Waschmittel stieg er 1984 bei den Düsseldorfern ein. Er kennt Marken und Märkte und hat die Kosmetik zu einer soliden Sparte mit einem Umsatz von 3,6 Milliarden Euro und einer Umsatzrendite von 15,3 Prozent geformt.

Zudem wird van Bylen eine große Fähigkeit bescheinigt, Talente zu fördern und Führungskräfte zu entwickeln. So stammen die Vorstandskollegen Carsten Knobel (Finanzen) und Bruno Piacenza (Waschmittel) aus seiner Schmiede, dem Führungsteam im Kosmetikgeschäft. Sie dürften auch weiter eng an seiner Seite stehen. Auch seine ehemalige Marketingchefin Tina Müller hat Karriere gemacht: Sie ist heute Marketingvorstand bei Opel.

von Peter Steinkirchner, Mario Brück

Immer wieder berichten allerdings Henkelaner von einer gewissen Janusköpfigkeit des Belgiers, der vor allem in seiner Sparte eine Schreckensherrschaft aus überzogenen Forderungen und öffentlichem Abmeiern führe. „Mit den Zahlen gehe ich nicht zu Hans. Da bringe ich mich lieber um“, ist ein Zitat, das in diesen Tagen die Runde macht.

Ziele und Visionen

Ein Topmanager, der lange eng mit Hans Van Bylen zusammengearbeitet hat, beschreibt den Belgier als „sehr soliden operativen Arbeiter, der aber alles andere als ein Visionär oder Stratege ist“. Van Bylen, der die Berge liebt und passioniert Ski fährt und joggt, sei vielmehr der Mann, der künftig das Geld für die Henkel-Familie zusammenhalten und in kleinen Schritten vermehren werde, so sein Urteil. Damit füllt Van Bylen offenbar die Strategie der Henkel-Erben mit Leben, vor der Rorsted Reißaus nahm: die Verwaltung des Status quo.

Auch Clanchefin Simone Bagel-Trah befeuert in diesen Tagen nicht gerade die visionäre Strahlkraft des Konzerns. „Wir wollen als Kern unserer Strategie weiter nachhaltiges Wachstum. Dazu gehört, dass größere Akquisitionen möglich sind.“ Das ist so wunderbar weichgespült, wie es selbst Vernell nicht hinbekommen würde. Wie Van Bylen bei der gewaltigen Herausforderung einen kühlen Kopf behalten will, wissen enge Mitarbeiter: Der Mann ist dafür berüchtigt, sein Büro und seinen Besprechungsraum immer auf frischen Temperaturen zu halten. Dort, so wird berichtet, sei es selten wärmer als 18 Grad Celsius. Van Bylen erklärt das damit, er könne so besser arbeiten.

Stärken und Schwächen

Bei Henkel polarisiert wohl kein Vorstandsmitglied mehr als Hans Van Bylen. „Hans ist ein unprätentiöser Manager, der hohe emotionale Kompetenz mitbringt“, sagt etwa Ernst Primosch, Deutschlandchef der internationalen Beratung Hill & Knowlton und langjähriger Weggefährte Van Bylens als Konzernsprecher bei Henkel. Andere Kollegen und Exmanager beschreiben Van Bylen bisweilen als ruppig im Umgang, destruktiv und extrem detailverliebt. So lasse er seinen Mitarbeitern wenig Raum. Zudem sei er versessen darauf, nicht aufzufallen.

Dabei musste der Kopf hinter der Henkel-Kosmetik mit Marken wie Schwarzkopf, Fa, Syoss oder Dial in der glamourösen Beautywelt oft im Rampenlicht stehen, Hände schütteln und Laufsteg-Schönheiten wie Heidi Klum oder Claudia Schiffer busseln. Doch bisher hat der Flame das Scheinwerferlicht schnell wieder verlassen. Er steht lieber etwas abseits und lächelt wohlwollend.

Auch intern hält sich Van Bylen seit Jahren abseits: Er residiert nicht wie andere Vorstände und Mitglieder des Gesellschafterausschusses im hochmodernen Neubau namens A33 auf dem Executive Floor im fünften Stock, sondern 100 Meter entfernt, in einem alten Backsteingebäude außerhalb des Firmengeländes. Das dürfte sich bald ändern.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%