Krauss-Maffei nach der Übernahme durch die Chinesen „Die grassierende China-Phobie ist irrational“

Der Kauf des Traditionsunternehmens Krauss-Maffei war die bis dahin größte Übernahme durch chinesische Investoren in Deutschland. Vorstandschef Frank Stieler sieht das als Chance – auch wenn viel Arbeit auf ihn wartet.

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Ein Monteur arbeitet im Werk in Allach bei München: Der Kunststoffmaschinenbauer ist kürzlich von Chinesen übernommen worden. Quelle: dpa

München Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Als ChemChina den zweiten Anlauf startete, den Plastikmaschinenbauer Krauss-Maffei zu übernehmen, reiste Vorstandschef Frank Stieler erst einmal nach Frankreich. Der Futtermittel-Konzern Adisseo gehört seit zehn Jahren den Chinesen. Manchmal sei die Kommunikation schwierig, nur wenige ChemChina-Manager sprechen englisch, berichteten die Kollegen.

Manches sei kompliziert, doch insgesamt sah Stieler nach dem Gespräch und einem einwöchigen Besuch der Chinesen in Deutschland mehr Chancen als Risiken für sein Unternehmen. Bis dahin hatte der Konzern erst Siemens und dann mehreren Finanzinvestoren gehört. „Es gab eine Sehnsucht nach einem stabilen Verhältnis“, sagte Stieler nun im Club Wirtschaftspresse München.

Gut ein Jahr nach der Übernahme durch den größten chinesischen Chemiekonzern und chinesische Investoren zieht der Krauss-Maffei-Chef eine positive Zwischenbilanz. Finanzinvestoren könnten vor allem Kosten optimieren. Ein Stratege wie ChemChina dagegen könne helfen, das bislang nicht ausgeschöpfte Wachstumspotenzial von Krauss-Maffei zu bergen.

Er glaube an Osteopathie, sagte Stieler. Manchmal könne ein Organismus alles, ein paar Muskeln und Gelenke seien aber blockiert. ChemChina helfe nun, die Blockaden zu lösen. In China, wo deutsche Maschinenbauer im Schnitt etwa 30 Prozent ihrer Umsätze machen, war das Münchener Traditionsunternehmen deutlich unterrepräsentiert. Im laufenden Jahr sollen die China-Umsätze verdoppelt werden.

925 Millionen Euro hatte der größte chinesische Chemiekonzern für die Übernahme des Münchener Traditionsunternehmens gezahlt. Damit handelte es sich um die bis dahin größte Übernahme durch Chinesen in Deutschland. Inzwischen hat Kuka die Spitzenposition übernommen. Im vergangenen Jahr investierten chinesische Firmen in Deutschland insgesamt elf Milliarden Euro – soviel wie noch nie zuvor.

Größter Brocken war der Roboterbauer Kuka, für den Midea 4,7 Milliarden Euro auf den Tisch legte. In Europa insgesamt legten die chinesischen Auslandsinvestitionen 2016 um 40 Prozent auf 180 Milliarden Euro zu, berichtet das Berliner China-Institut Merics.

Der Übernahmehunger der Chinesen hat in Deutschland und anderen Ländern für heftige Diskussionen gesorgt. So wehrte sich Osram durch eine mögliche Übernahme durch chinesische Interessenten. In der Politik gibt es Befürchtungen, dass sich die Chinesen durch Übernahmen Zugriff auf Hochtechnologien sichern. Kritisiert wird dabei insbesondere, dass ausländische Unternehmen im Gegenzug in China nicht ähnlich frei investieren können.

Allerdings haben viele deutsche Unternehmen mit chinesischen Eigentümern gute Erfahrungen gemacht. Sie führen ihre Zukäufe oft an der langen Leine und investieren nachhaltig auch in konjunkturell schwierigeren Zeiten. „Für diese Investoren steht das Wachstum im Vordergrund. Sie tätigen längst überfällige Investitionen“, betont China-Experte Wolfgang Müller, der für die IG Metall unter anderem in den Aufsichtsräten von Siemens, Schaeffler und Audi saß. Mitbestimmung und Tarifverträge würden respektiert. Zwar gebe es in Einzelfällen gute Argumente gegen den Einstieg chinesischer Investoren. „Aber die in manchen Kreisen grassierende China-Phobie ist irrational.“

Auch Stieler zeichnet ein insgesamt positives Bild. ChemChina wolle von den Deutschen lernen und sei daher nicht an Unruhe, etwa durch Stellenabbau, interessiert. Bei Krauss-Maffei läuft es derzeit ohnehin blendend, weil die Nachfrage nach Plastikprodukten weltweit steigt. Im vergangenen Jahr legten die Umsätze um fünf Prozent auf 1,3 Milliarden Euro zu. Gebremst wird das Wachstum durch Kapazitätsengpässe. „Wir haben ein Problem, den Markt zu bedienen, weil wir nicht schnell genug unsere Kapazitäten ausbauen.“ Von einer Verlagerung der Produktion nach China ist daher auch keine Rede. Im Gegenteil, der Ausbau dürfte eher in Europa stattfinden, weil das hier unkomplizierter möglich ist. Die Zahl der Mitarbeiter ist bei Krauss-Maffei seit Beginn der Übernahmeverhandlungen von 4.500 auf 5.000 gestiegen.

Krauss-Maffei ist auf Maschinen für die Kunststoff- und Gummiverarbeitung spezialisiert. Zuletzt hatte das Unternehmen, das längst nichts mehr mit dem ähnlich klingenden Panzerbauer zu tun hat, dem kanadischen Finanzinvestor Onex gehört, der das Unternehmen 2011 für 568 Millionen vom Finanzinvestor Madison Capital übernommen hatte.


Drei veraltete Fabriken in der chinesischen Provinz

Krauss-Maffei soll auch die Verantwortung für Aktivitäten von ChemChina übernehmen, dazu gehören drei eher altmodische Fabriken in der chinesischen Provinz – unter anderem für die Reifenherstellung. Die Restrukturierung ist nicht einfach, räumte Stieler offen ein. Zwar sei es schon gelungen, die Produktivität um 30 Prozent zu steigern – zum Beispiel, indem Rohre nicht mehr auf dem Boden gebogen werden, sondern an Tischen.

Doch die Werke haben mit 2.400 Beschäftigten eigentlich mehrere Hundert Mitarbeiter zuviel. Wegen des Staatsbetriebs-Charakters von ChemChina kann Stieler sie aber nicht entlassen. Krauss-Maffei versucht nun, die Mitarbeiter weiterzubilden. Geplant ist, einen der Standorte zu einem Zulieferbetrieb für Krauss-Maffei zu machen und dort eines Tages einfachere Maschinen für den chinesischen Markt zu fertigen. Für Krauss-Maffei wäre das die Gelegenheit, die Produktpalette nach unten zu erweitern und die einfacheren Maschinen auch in anderen Schwellenmärkten anzubieten. Mit perfektionistischen deutschen Ingenieuren seien abgespeckte Versionen nur schwer zu entwickeln, räumte Stieler ein. „Das ist ein Potenzial, das wir von hier gar nicht erschließen können.“

Und der drohende Technologie-Transfer? China-Experte Wolfgang Müller, der bei deutschen Unternehmen mit chinesischen Eigentümern gut vernetzt ist, hält die Ängste für unbegründet. Das Know-how stecke nicht nur in Konstruktionszeichnungen, die per USB-Stick mitgenommen werden können. „Sondern im Projekt- und Erfahrungswissen der heimischen Firmen.“ Dieses Wissen könne nicht einfach kopiert werden. Der Aufbau dauere viele Jahre und erfordere eine fundierte Berufsausbildung.

Ähnlich hatte EU-Kommissar Günther Oettinger bei der Eröffnung des neuen Entwicklungszentrums von Kuka in Augsburg argumentiert. Das neue Gebäude sei die beste Investition in Standortsicherheit, sagt er. Wenn es mit Leben erfüllt werde, würden Wissen und Know-how auch unter den chinesischen Eigentümern langfristig in Deutschland bleiben.

Stieler betont, dass der neue chinesische Eigentümer allen Unternehmen gut getan habe, die ChemChina übernommen hat. Einen einzigen Kunden habe er nach der Übernahme verloren – ein konservativer Mittelständler aus Bayern wollte eine kommunistische Regierung nicht unterstützen.

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