Das hatte sich der kürzlich erst zum neuen Nestlé-Chef gekürte Mark Schneider ganz anders gedacht. Vielleicht im Juli, bei der Vorlage der Quartalszahlen, eher noch beim Investorentag im September wollte er Details der neuen Nestlé-Strategie vorstellen.
Doch dann kam Daniel Loeb. Rund 3,5 Milliarden Dollar blätterte der US-Investor für 40 Millionen Nestlé-Aktien hin. Gerade einmal 1,25 Prozent am weltgrößten Lebensmittelkonzern hält der Hedgefonds Third Point dadurch. Loeb ist ein bekannter Aktivist, der schon die Chefs von Yahoo und Sotheby’s mit Forderungen nach mehr Rendite konfrontiert hatte. Und jetzt Schneider.
Es kann nicht schaden, wenn ein Externer wie Loeb dem Unternehmen den Spiegel vorhält. Großkonzerne wie Nestlé, mit zuletzt 83 Milliarden Euro Umsatz und 330.000 Mitarbeitern, sind oftmals träge.
Zweifelsfrei hat die schwache Performance der jüngeren Vergangenheit Nestlé angreifbar gemacht. Seit 2013 ist das von Schneiders Vorgänger herausgegebene Ziel, jedes Jahr organisch um mindestens fünf Prozent zu wachsen, verfehlt worden. Doch an Lösungen wird gearbeitet, verspricht man seit Monaten in der Zentrale am Genfer See. Tatsächlich wirken Loebs Vorschläge dazu, wie die Rendite erhöht werden kann, wenig überraschend.
Im Kern geht es dem Aktivisten darum, dass Schneider die Gewinnmarge erhöht. Die stagnierte zuletzt bei rund 15 Prozent vom Umsatz, was zum einen am geringen Wachstum in Schwellenländern und der mauen Wirtschaftslage in Westeuropa lag. Zum anderen verweigerten sich Verbraucher zunehmend den Fertigsuppen und Süßigkeiten des Marktführers. Der Verwaltungsrat von Nestlé hatte den ehemaligen Fresenius-Chef Schneider geholt, damit er genau dieses Problem angeht und die Schweizer stärker in Richtung gesunde Lebensmittel treibt.
So hatte Nestlé auch bereits begonnen, in gesunde und damit margenstarke Lebensmittel zu investieren. Der Konzern übernahm im vergangenen Jahr etwa für 760 Millionen Euro die Mehrheit am israelischen Nahrungsmittelkonzern Osem, Marktführer bei vegetarischer Nahrung in Kontinentaleuropa. Erst vor wenigen Tagen beteiligte sich Nestlé an der in New York angesiedelten Firma Freshly, einem Anbieter von frisch zubereiteten Mahlzeiten.
Parallel dazu wird die breite Produktpalette überarbeitet. Vor knapp drei Jahren trennte sich Nestlé von den Babynahrungsmarken Alete und Milasan. 2016 packten die Schweizer die Speiseeismarken Mövenpick und Schöller in ein Joint Venture mit dem britischen Wettbewerber R&R Ice Cream, das womöglich an die Börse gehen soll. Die Schweizer prüfen zudem den Verkauf des Süßwarengeschäfts in den USA. Die Sparte setzte 2016 rund 800 Millionen Euro um – zu wenig, wie es im Unternehmen heißt.
Einer Forderung des aktivistischen Investors wird Schneider aber wohl eher nicht nachkommen. Loeb wünscht sich, dass Nestlé seine 23-Prozent-Beteiligung am französischen Kosmetikriesen L’Oréal verkauft. Auch diese Idee ist in den vergangenen Jahren immer wieder diskutiert worden. Nestlé ist seit 1974 an L’Oréal beteiligt. Kooperierten die beiden Konzerne anfangs noch über einige Gemeinschaftsunternehmen miteinander, so ist L’Oréal für Nestlé heute nur noch ein sehr lohnendes Finanzinvestment. L’Oréal schüttete an Nestlé zuletzt zwischen 350 und 430 Millionen Euro Dividende jährlich aus. Schneider nannte das Investment im Februar ein „strategisches Asset“ das „brillante finanzielle Ergebnisse“ liefere.
Dafür aber gibt der Nestlé-Chef an anderer Stelle klein bei. Schneider verkündete, kurz nachdem Loeb es gefordert hatte, dass Nestlé bis Mitte 2020 eigene Aktien im Wert von 20 Milliarden Franken zurückkauft. Losgehen soll es sofort, doch ein großer Teil der Transaktion dürfte auf die Jahre 2019 und 2020 fallen. Im Februar hatte Schneider noch erklärt, es gebe keine Überlegungen für einen Aktienrückkauf. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass der Vorstoß von Schneider eine Reaktion auf Loeb ist. „Eine Bewilligung der Schweizer Börse für einen Aktienrückkauf in dieser Größenordnung ist nicht 48 Stunden erhältlich“, heißt es in einem Kommentar von Barclays Capital.
Schön für Loeb: Unter Investoren ist der Eindruck entstanden, Nestlé habe dem Druck des US-Hedgefonds prompt nachgegeben. Ob Schneider das auf sich sitzen lässt, bleibt abzuwarten. Vielleicht sollten sich die beiden Ausdauersportler zum Wettsegeln auf dem Genfer See verabreden, sich aussprechen und anschließend drüber lachen.