Draußen tobte die Wirtschaftskrise, drinnen hatten die Banker der HSH Nordbank die Regie übernommen – doch der neue Geschäftsführer Hosenschneiders Gardeur in Mönchengladbach wagte einen aberwitzigen Vorschlag: „Wir kündigen allen Lieferanten in China und lassen nur noch in Tunesien produzieren.“ Es war im März 2011, als Gerhard Kränzle seinen Rettungsplan für den angeschlagenen Mittelständler vorlegte, und er erntete zunächst nur Gelächter. In Nordafrika kostet die Produktionsminute doppelt so viel wie in China. Wer im umkämpften deutschen Modemarkt Erfolg haben will, so das Dogma, muss billig einkaufen und Preise drücken.
Kränzle ist zwar Schwabe, aber kein Preisdrücker. „Ich bin ein Verfechter kurzer Lieferketten“, sagt der Manager. Seit er in Tunesien statt in China produzieren lässt, braucht er vier bis sechs statt 27 Wochen vom Design einer Hose bis zum Verkaufsbeginn im Laden. „Wenn Sie in China nähen lassen, ist die Ware sechs Wochen auf See und erst nach drei Monaten im Handel“, sagt Kränzle. „Da müssen Sie oft von Anfang an mit dem Rotstift verkaufen.“ Zeit ist für den 50-Jährigen ein geldwerter Vorteil: „Wenn die Fabriken in der Nähe Ihrer Absatzmärkte stehen und effizient laufen, können Sie den Preisvorsprung der Asiaten einholen.“ Mit dieser eigenwilligen Strategie will er die Krise des Einzelhandels auf Distanz halten.
Alternativen zu China
Das Kölner Unternehmen Ergobag wollte seine Ranzen eigentlich in China produzieren lassen. Doch das auf Nachhaltigkeit bedachte Unternehmen störte sich an den langen Arbeitszeiten in den dortigen Fabriken.
Nun lässt Ergobag bei Zulieferer ASG nahe Ho-Chi-Minh-Stadt Schulrucksäcke herstellen. Dessen Vertriebschef Lee will dieses Jahr 200.000 Stück für die Deutschen herstellen, die sein größter Kunde sind.
Gardeur-Chef Kränzle lässt alle Hosen in Tunesien nähen, wo er zwei Werke betreibt und ausbaut.
Produzenten in China hat er gekündigt, weil die Lieferzeit zu lange dauert. Dafür will er jetzt in Bosnien eine stillgelegte Fabrik neu einrichten.
Für den Hersteller Ara aus Langenfeld bei Solingen nähen in Addis Abeba rund 500 Mitarbeiter Lederschuhe.
Die Arbeiter verdienen bei Ara rund 20 Euro im Monat. Das sind derart niedrige Lohnkosten, dass nun auch chinesische Hersteller Fabriken in Äthiopien bauen.
Ende der Billigproduktion aus China
Kränzle gibt einen Trend vor, der deutsche Hersteller und Händler in Zukunft intensiv beschäftigen wird. Denn China verliert wegen steigender Kosten in immer stärkerem Maß seine Rolle als Billigwerkbank für den Westen. Darauf reagieren deutsche Unternehmen, die im Reich der Mitte Waren oder Teile beschaffen, mit drei Strategien, bisweilen auch mit allen gleichzeitig: erstens wie bei Gardeur mit dem Aufbau neuer, kürzerer Lieferketten näher an den jeweiligen Absatzmärkten. Das erhöht die Produktionskosten, bringt aber Zeitvorteile. Zweitens bauen Einkäufer Alternativen zu China auf. Das können wenig erschlossene Länder sein wie Äthiopien und Myanmar, das frühere Burma, oder günstige Standorte in Chinas Nachbarschaft, wo Vietnam bei deutschen Unternehmen besonders populär ist. Wieder andere bleiben China treu und versuchen, die höheren Kosten an die Kundschaft weiterzureichen.
Den einen Königsweg gibt es nicht, aber es steht fest: Mit der Kostenexplosion im Reich der Mitte geht die Billigpreisära auch in Deutschland dem Ende entgegen. Noch habe China als Einkaufsmarkt eine „sehr hohe Bedeutung, zunehmend auch für hochwertige Produkte“, beobachtet Stefan Genth, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland. „Aber der Handel prüft besonders in lohnintensiven Bereichen Verlagerungen in andere Länder.“
Was aus China kommt
Lohnintensiv ist noch immer das meiste, was heute aus China kommt. 2012 stiegen laut nationaler Statistikbehörde die Löhne für Wanderarbeiter um 11,8 Prozent, so wie fast jedes Jahr seit den Neunzigerjahren. Für Unternehmen verteuern sich auch Mieten und Sozialabgaben. Umweltauflagen werden schärfer, deren Umsetzung somit teurer.
428 Milliarden Euro setzte der deutsche Einzelhandel 2012 um – allein bei der Rewe-Gruppe kommen etwa 75 Prozent aller nicht essbaren Waren aus China. Für die Deutschen war die Beschaffung in Fernost stets ein lukratives Geschäft. Unter 1,3 Milliarden Einwohnern gab es genug Arbeitskräfte, die flink und billig produzieren, was westliche Konsumgesellschaften so brauchen: Kulis und Kerzen, Schuhe und Schulranzen, Haarschmuck und Hundeleinen.
Autos bauen statt Klamotten nähen
Jetzt will Peking lieber Autos bauen statt Klamotten nähen. Forschende Unternehmen werden gefördert, der Binnenkonsum soll gestärkt, einfache Lohnfertigung zugunsten einer Produktion mit höherer Wertschöpfung verdrängt werden. Rasant schmilzt Chinas Kostenvorteil vor allem in Massensegmenten wie dem Elektronik- oder Textilsektor dahin. Unter den Folgen leiden zuerst die Lieferanten in China selbst.
Auf dem Schreibtisch in Dian Ming Leis Büro liegt Blekviva: Die original verpackte Gardine wird bald in Ikea-Märkten weltweit erhältlich sein. Der chinesische Lohnfertiger Penndi produziert die Waren in Jiangsu nahe Shanghai. Der schwedische Einrichtungsgigant steht hier für 80 Prozent des Geschäfts. Aber das läuft schlecht, der Umsatz hat sich 2012 auf 27 Millionen Euro fast halbiert. Denn Ikea setzt verstärkt auf Waren aus billigeren Lieferländern in Südostasien oder Pakistan, bezieht zugleich aber auch Gardinen aus Bulgarien, weil sie schneller im Möbelhaus liegen. Beides ist nicht gut für Lei.
Mehr Maschinen
Es klingt wie ein schlechter Scherz: Ein Chinese klagt über „Billigkonkurrenz aus Fernost“, an die er Ikea-Aufträge verliert. Aber Lei meint es ernst: „Die Lohnkosten sind in China in den vergangenen Jahren massiv gestiegen“, in seiner Fabrik allein 2012 um 15 Prozent. Für ihn ist der Einstiegslohn von rund 320 Euro pro Monat viel, weil Ikea die Preise drückt. „Drei Prozent mussten wir letztes Jahr billiger werden“, sagt Lei. Zudem zwang ihn Ikea, die Zahl der Überstunden zu reduzieren. In der Folge arbeiten seine Angestellten weniger, verdienen mehr, müssen aber gleichzeitig billiger produzieren.
Um dem Druck standzuhalten, hat Lei seine Belegschaft um fast die Hälfte auf 268 Arbeiter reduziert. Zum Einsatz kommen jetzt immer mehr Maschinen. „Die Automatisierung ist unsere einzige Chance, billiger zu werden und die Qualität zu verbessern.“ Wohin der Preisdruck noch führt? Lei zuckt mit den Achseln. „Es ist wie mit einem nassen Handtuch“, sagt er. „Wringt man es aus, kommt am Anfang viel Wasser, später weniger. Aber einen Tropfen kann man immer noch herauspressen.“
Autoteile kommen wieder öfter aus Europa
Schmelzen die Kostenvorteile der Asiaten weiter weg, lohnt sich der monatelange Transport in Containern nicht. Schon Textilproduzenten wie Gardeur-Chef Kränzle brauchen die Ware schnell im Regal. Für die just-in-time-vernarrte Autoindustrie gilt das erst recht. „Der Trend geht zu kürzeren Lieferketten“, beobachtet Hans-Georg Scheibe, Geschäftsführer der Münchner Beratung ROI Management Consulting: „Komponenten für sein Werk in China will ein Autohersteller in China beschaffen.“
Teile für die Produktion in Europa kämen künftig stärker aus Europa, etwa der Slowakei oder Bulgarien. „Bei solchen hochwertigen Waren kommt es nicht auf jeden Cent an, sondern auf Qualität und Geschwindigkeit“, sagt Scheibe. Wenn man dies berücksichtige, sei Ostasien nicht mehr günstiger als Europa.
Was für Einkäufer zählt
„Es gibt keine einzelnen Länder, die China als Beschaffungsmarkt in puncto Qualität und Quantität ersetzen können“, urteilt Einkaufsexperte Thorsten Makowski von der Beratung Valueneer in Berlin. Zusammen mit der Kellogg School of Management im US-Staat Illinois hat er untersucht, nach welchen Kriterien Einkäufer neue Märkte auswählen. Die Ergebnisse liegen der WirtschaftsWoche exklusiv vor.
Entscheidend sind danach Kosten und Qualität, weniger wichtig sind Steuern, Umweltschutz und Innovationskraft. Die befragten Einkäufer aus aller Welt planen, ihre Aktivitäten in den kommenden drei Jahren vor allem in Russland, Indien, Malaysia und Indonesien auszubauen.
Bangladesch, Vietnam, Indien
In der besonders preisempfindlichen Textilbranche wollen laut einer druckfrischen Studie der Beratung McKinsey 72 Prozent der befragten Chefeinkäufer aus Europa und den USA ihre Beschaffung in den kommenden fünf Jahren von China in andere Länder verlagern, vor allem nach Bangladesch, aber auch nach Vietnam und Indien. China bleibt zwar vorerst der wichtigste Bekleidungsmarkt, drei Viertel der Einkäufer erwarten aber Preiserhöhungen (siehe Grafik).
„Für die Fertigung einfacher Artikel wie T-Shirts ist China schlicht zu teuer“, sagt Markus Bergauer, Gründer der Kölner Einkaufsberatung Inverto. Neben Bangladesch nennt er Vietnam und Kambodscha als Ausweichkandidaten, auch Myanmar könnte sich als Textilstandort etablieren.
Noch keine reibungslose Produktion
In Vietnam hat zum Beispiel der Kölner Rucksackhersteller Ergobag den passenden Lieferanten für seine rückenschonenden Rucksäcke gefunden. Die sollen nicht nur Kinderrücken schonen, sondern auch die Natur entlasten: Das Material stammt aus recycelten PET-Flaschen. Allerdings läuft die Produktion nicht reibungslos. So waren vor ein paar Wochen bei mehreren Tausend Rucksäcken die Zipper am Reißverschluss blau statt grün – ein kleiner, aber ärgerlicher Mangel. Darum haben die Kölner Nhan Nguyen angeheuert. Der in Deutschland aufgewachsene Vietnamese berät in Ho-Chi-Minh-Stadt deutsche Unternehmen dabei, den Beschaffungsmarkt Vietnam zu erobern.
Am Werkstor des Ergobag-Lieferanten ASG verkauft eine alte Frau Kokosnüsse, im Wind weht die Flagge der sozialistischen Republik. ASG-Vertriebschef Brian Lee führt Nhan Nguyen durch die aufgeräumte Fabrik. Es ist hell und angenehm kühl. Auch für andere Marken wird hier gefertigt, aber einen Großteil der Kapazität hat Ergobag mittlerweile für sich gebucht. Vor drei Jahren lieferte Vietnam 4200 Rucksäcke nach Köln, 2012 waren es mehr als 100.000 Stück, in diesem Jahr sollen es noch einmal doppelt so viele werden.
Vom deutschen Partner abhängig
Lee freut sich über die vollen Auftragsbücher. Momentan fertigt das Unternehmen auf 18 Fertigungslinien. „Wenn hier unten kein Platz mehr ist, können wir die obere Etage noch ausbauen”, sagt Lee und verspricht: „Wir wollen gemeinsam mit Ergobag wachsen.“ Damit macht sich der Zulieferer auch ein Stück weit vom Erfolg seiner deutschen Partner abhängig.
Für Berater Nguyen ist das ein optimales Modell für deutsch-vietnamesische Zusammenarbeit: „Der Aufbau von Lieferbeziehungen ist in Vietnam aufwendig und langwierig“, sagt er, das Bildungsniveau der Arbeiter sei niedrig, die Fabriken technisch oft in einem „miserablen Zustand“. Darum würden sich Geschäfte nur lohnen, wenn sie langfristig ausgerichtet sind.
Falscher Netzstecker
Das klappt nicht immer auf Anhieb. Eine Kompressorenfabrik im Süden Vietnams, kurz vor Feierabend. Minh Do hat einen Termin mit dem Produktionsleiter, er ist unzufrieden. Der Vietnam-Repräsentant des bayrischen Heimwerkerausrüsters Einhell, der hier Bohrmaschinen, Akkuladegeräte oder Gartenpumpen produzieren lässt, hat allerlei zu meckern: Bei einigen Geräten sind die Stromkabel zu kurz, bei anderen haben die Arbeiter einen falschen Netzstecker montiert. „Nicht akzeptabel“, brummt Minh Do, der penible Deutsch-Vietnamese.
Sein Vietnam-Abenteuer startete Einhell vor fünf Jahren. Der Heimwerkerausstatter suchte günstige Lieferanten und wollte die Abhängigkeit von China senken. Minh Do sollte die Niederlassung aufbauen und die Qualität kontrollieren – und hat damit bis heute seine Mühe: „Das Niveau, das wir vorfanden, war deutlich schlechter als erwartet.“ Werkzeuge und Maschinen fehlten, viele Fabriken waren verdreckt, Produktivität und Kapazitäten ließen häufig zu wünschen übrig.
Vietnam und Äthiopien
Wer Waren in Vietnam kaufen will, muss seinen Lieferanten erst europäische Standards beibringen. 70.000 Kompressoren hat Einhell in diesem Jahr in Vietnam geordert, 20.000 mehr als im Vorjahr. Vietnams Anteil am Einhell-Einkaufsvolumen liegt im einstelligen Prozentbereich – und viel mehr dürfte es wegen der Schwierigkeiten mit den Lieferanten auf absehbare Zeit auch nicht werden. Minh Do will darum künftig eher simple Produkte ordern. Gerade sucht er nach einem Hersteller, der ein paar Tausend Sackkarren liefern kann.
Auf der Suche nach Märkten, auf denen nur wenige Wettbewerber um die Kapazitäten in der Lohnfertigung rangeln, setzt der Hamburger Kaffeeröster und Non-Food-Händler Tchibo bei Textilien auf Länder wie Äthiopien. Dort baute ein türkischer Lieferant eine Spinnerei, Tchibo unterstützte das Projekt mit langfristigen Lieferverträgen. Mehr als eine Million Teile bezieht Tchibo nun aus Ostafrika.
Logistische Herausforderung
Die Löhne in Äthiopien sind deutlich niedriger als in China, Arbeitskräfte gibt es genug. Und das nordostafrikanische Land kann mehr als Textilien: Der nordrhein-westfälische Schuhproduzent Ara lässt dort Schuhe und Handtaschen herstellen, die Rewe-Gruppe kauft in der Region Blumen ein.
Allerdings gilt Äthiopien als politisch instabil und ist auch logistisch eine Herausforderung. Die längste Grenze hat das Land mit dem Anarcho-Staat Somalia, einen eigenen Hafen hat Äthiopien nicht. Tchibo und Ara verschiffen ihre Waren über Dschibuti im Norden oder über Kenias Hafenstadt Mombasa – „just in time“ ist da schwer vorstellbar.
Wege zum sauberen Textilimport
Textilriesen kaufen Kleidung meist über Importeure. Die Dienstleister im Dunkeln knabbern zwar an den Margen – ihnen können sie aber bei Skandalen die Verantwortung aufladen. Wer das vermeiden will, muss die Lieferkette in Eigenregie kontrollieren.
Lieferanten in Ländern wie Bangladesch wickeln ihre Bestellungen oft über Partnerfirmen ab, die in bedeutend schlechterem Zustand sind als die Vorzeigefabriken. Wer seine Verantwortung ernst nimmt, muss in diese Subfabriken Kontrolleure schicken und Kunden deren Namen nennen können.
Echten Einblick in die Arbeitsbedingungen bekommen nur eigene Mitarbeiter der Modeunternehmen, die ständig vor Ort sind. Jedes Label sollte daher ein Team aus entsandten und lokalen Einkäufern, Beratern und Kontrolleuren im Lieferland aufbauen.
Der Glücksfall ist die Arbeit mit Lieferanten, die ihren Hauptkunden als Partner verstehen – und sich mit dessen Hilfe weiterentwickeln wollen. Das erfordert Vertrauen auf beiden Seiten und viel Zeit. Hilft ein Modekonzern seinen Lieferanten, die Produktivität zu verbessern, steigt auch dessen Bereitschaft zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Label wie H & M, C & A, Kik oder Tommy Hilfiger importieren solche Mengen aus Bangladesch, dass sie über gewaltigen Einfluss verfügen – theoretisch. Praktisch arbeitet jeder für sich, statt gemeinsam am runden Tisch mit der Regierung nach besseren Gesetzen zu verlangen. Auch politischer Druck ist rar, obwohl gerade Deutschland in Entwicklungsländern viel Respekt genießt.
Nachteile
Bei den meisten mittelständischen Unternehmen fehle allerdings Kompetenz und Kapazität, um neue Märkte zu erschließen, sagt Christian Rast, Einkaufsexperte der Beratung KPMG in Köln. „Viele Mittelständler haben es gerade erst geschafft, stabile Lieferbeziehungen mit China aufzubauen, nun sollen sie schon wieder weiterziehen.“
Und alle China-Alternativen haben ihre Nachteile. Bangladesch etwa hat zwar Millionen Näherinnen, die für nur 40 Euro im Monat arbeiten. Aber die Arbeitsbedingungen sind oft so miserabel, dass schnell das Image der Marke auf dem Spiel steht, wenn Fabriken einstürzen oder brennen und Tausende Menschen sterben (WirtschaftsWoche 35/2013).
Länderprofil Indonesien
238 Millionen Einwohner
Das BIP wuchs im Jahr 2011 gegenüber dem Vorjahr um 6,4 Prozent. Bis 2025 soll die Wirtschaftskraft Indonesiens ums Vierfache steigen.
2011 führte Indonesien Waren im Wert von 127 Milliarden Dollar ein.
81 Milliarden US-Dollar
4,7 Dollar. Der Wert errechnet sich aus dem absoluten BIP geteilt durch BIP pro Person.
Pro Kopf werden nur drei Dollar in Forschung und Entwicklung investiert. In Malaysia sind es zum Beispiel 93 Dollar.
Indonesien verfügt über förderbare Ressourcen im Wert von 101 Milliarden US-Dollar und damit über das höchste Volumen der neun kommenden Absatzmärkte.
In China bleiben
Indien hat ebenfalls genug billige Arbeitskräfte, aber wegen der schlechten Infrastruktur und der überbordenden Bürokratie klappt die Logistik hinten und vorn nicht. Indonesien schließlich verfügt über viele gut ausgebildete Menschen, aber die Löhne sind höher als in China.
Also doch in China bleiben? Für manche großen Konzerne ist das die einzige Lösung. Die Kölner Rewe-Gruppe etwa will die steigenden Kosten in den chinesischen Fabriken in den Griff bekommen, indem sie den Zulieferern zu mehr Effizienz verhilft. „China werden wir nicht ersetzen können, gerade bei Hartwaren wie Elektrogeräten bleibt das Land der zentrale Produktionsstandort“, sagt Torsten Stau, der für Rewe die Beschaffung von Non-Food-Waren managt. Innerhalb des Landes seien allerdings Verschiebungen möglich, etwa in den Nordwesten des Landes, wo die Regierung derzeit Investitionen fördere.
Lieferanten werden mutiger
Von heute auf morgen könne der Handel keine größeren Einkaufsvolumina aus China herausnehmen, sagt auch Michael Ciesielski, Chef-Einkäufer des Düsseldorfer Metro-Konzerns in Hongkong: „Es findet nur eine sehr behutsame Verlagerung aus China statt, da es an Kapazitäten in alternativen Märkten fehlt“, so Ciesielski. Auf lange Sicht rechne er daher mit steigenden Einkaufspreisen.
Ein Grund dafür: Die Lieferanten in Asien lassen sich nicht länger auspressen, warnt eine Einkäuferin, die ihren Namen nicht nennen möchte. Sie ist eine von zigtausend Dienstleistern, die für Baumärkte, Discounter und Ein-Euro-Läden allen billigen Ramsch in Asien beschafft – und gleichermaßen unter Druck von Einkäufern und Lieferanten steht. Dass die Preise in China steigen, wollen gerade die Deutschen nicht wahrhaben, sagt die Einkäuferin. „Sie geben uns ihre niedrigen Preise vor, und dementsprechend müssen wir immer billigere Qualität kaufen.“ Aber für sie werde es immer schwieriger, in China passende Lieferanten zu finden. Denn die könnten selbst schlechteste Qualität nicht zu immer niedrigeren Preisen liefern. Zumal alle Lohnfertiger Sozialvorschriften erfüllen müssen: Wer einschlägige Stempel für Arbeitsschutz und Qualitätszertifikate nicht vorweisen kann, dem darf die Vermittlerin keine Waren abnehmen.
Spezielle Produktgruppen
Seit zehn Jahren kauft die Betriebswirtin in Asien für deutsche Billigheimer ein. Ihr Büro liegt in einem schmucklosen Hongkonger Geschäftshaus, im Erdgeschoss ist ein Schnellrestaurant. Im Flur ist eine Kamera auf einem Stativ montiert, daneben steht ein großer Reflektor. Das Equipment ist Teil ihres Jobs: Die Einkäuferin sucht nicht nur nach Lieferanten, sie fotografiert die Warenmuster auch. Damit kann der Kunde seine Prospekte bebildern, während die Lieferung noch im Container auf dem Weg ist. „Wir übernehmen zusätzliche Serviceleistungen, um dem Kunden einen Mehrwert zu bieten.“ Das muss sie auch: Vor allem große Konzerne wie Metro mit ihren mehr als 2000 Lieferanten kaufen immer häufiger direkt ein. So sparen sie fünf bis zehn Prozent Provision.
Die Einkäuferin hat sich inzwischen stark spezialisiert: Für eine deutsche Baumarktkette etwa kauft sie vor allem Tier-Accessoires und Gartenmöbel ein. „Auf spezialisierte Einkäufer können die Großen nicht verzichten“, glaubt die Kauffrau, „ihnen fehlen die Kontakte zu Lieferanten, die ganz spezielle Dinge wie Roll-Hundeleinen herstellen.“ Solche Produkte kämen weiterhin aus China, in Tunesien oder Marokko finde man keinen Fabrikanten, der bei einem Importvolumen von 5000 Stück pro Jahr eine Fertigungslinie einrichten würde. Für solche speziellen Produktgruppen sieht sie für den Handel keinen anderen Ausweg als diesen: „Sie müssen die höheren Preise akzeptieren und an den Kunden weitergeben – oder auf ihre Ware aus Asien verzichten.“
Geiz ist nicht geil
Hosenfabrikant Kränzle jedenfalls ist froh, dass er mit Asien nichts mehr am Hut hat. Die Qualität hat oft nicht gepasst: Er habe Hosen bekommen, die sich bei gleicher Konfektionsgröße um zwei Zentimeter in der Länge unterschieden. „Als kleiner Einkäufer kriegen Sie oft schlechte Lieferanten ab. Ein guter Lohnfertiger in Asien lacht über unsere geringen Mengen.“
Mit dem Abschied aus China scheint der Textilunternehmer alles richtig gemacht zu haben. Inzwischen ist Gardeur raus aus der Krise – sogar die HSH Nordbank hat Kränzle vertrieben: Ende September übernahm er deren Anteile und wurde so vom Sanierer zum Inhaber des Mittelständlers. Dass dies auch mit einer Geiz-ist-nicht-geil-Strategie funktionieren kann, hätte die Branche nicht für möglich gehalten.