Übernahme von Engelhard BASF drohen Klagen von Asbestgeschädigten

War doch krebserregendes Asbest im Talk der US-Firma Engelhard? Die BASF hatte den Konkurrenten vor Jahren in gutem Glauben übernommen. Jetzt drohen dem deutschen Konzern Entschädigungsforderungen in Milliardenhöhe.

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Den deutschen Chemiekonzern holt die Vergangenheit seines Übernahmepartners Engelhard aus den USA ein. Quelle: dpa

Als BASF vor neun Jahren den Konkurrenten Engelhard für fünf Milliarden Dollar erwarb, übernahm das Unternehmen aus Deutschland offenbar unwissentlich eine tickende Zeitbombe an Rechtskosten.

Alles begann vor Jahrzehnten mit dem scheinbar banalen Werkstoff Talk, der in der Industrie vielfältige Verwendung findet. 1983 erzielte Engelhard still und heimlich einen Vergleich, nachdem Mitarbeiter im Rahmen einer juristischen Auseinandersetzung ausgesagt hatten, Talk aus einer konzerneigenen Mine enthalte krebserregenden Asbest.

Das Beweismaterial wurde damals unter Verschluss gebracht. In nachfolgenden Verfahren, die sich über mehr als zwei Jahrzehnte hinzogen, erklärten Engelhard und deren Anwälte immer wieder, der Talk des Unternehmens enthalte kein Asbest.

Erst 2009, nachdem BASF die Verpflichtungen von Engelhard übernommen hatte, änderte sich das Bild. Ein früherer Wissenschaftler von Engelhard erklärte in einem von seiner Tochter angestrengten Verfahren, ihm sei gesagt worden, man habe Spuren von Asbest im Talk gefunden. Die Rechtsabteilung der Firma „forderte uns auf, unsere Unterlagen zu säubern“. Ein anderer Mitarbeiter sagte zu Tests aus den 1970er-Jahren aus, bei denen Asbest im Talk nachgewiesen worden sei.

Nach diesen Enthüllungen setzten Auseinandersetzungen darüber ein, was Engelhard über seinen Talk wusste, was die Unternehmensanwälte unternahmen - und ob Tausende von Menschen in den USA das Recht erhalten sollten, ihre Altklagen im Zusammenhang mit Asbest-Erkrankungen erneut zu erheben oder neue einzureichen – diesmal gegen BASF.

„Dies hat wirklich die Büchse der Pandora geöffnet”, sagt Tom Bevan, ein Anwalt, der in den 1990er- Jahren mehrere hundert Personen bei Klagen gegen Engelhard vertrat und derzeit in einen vor einem Bundesgericht verhandelten Fall gegen BASF involviert ist. „Ich möchte im Moment kein BASF-Aktionär sein, „denn es drohen Milliarden von Dollar an Zahlungen, weil sie für die Lügen eines Unternehmens haften müssen, das sie gekauft haben.”

BASF mit Sitz in Ludwigshafen steht im Zusammenhang mit dem Talk vor rund 300 Klagen. Der Konzern hat versucht, sich von Engelhard und deren Anwälten zu distanzieren. Klägeranwälte schätzen, dass im Zusammenhang mit dem Engelhard-Talk bis zu 10.000 Fälle neu aufgerollt werden.

Das Unternehmen, das keine Kosten-Prognosen den Asbest-Fällen, die mit Talk in Verbindung stehen, veröffentlicht hat, weist Bevans Einschätzung zu möglicher Haftung zurück. Es handele sich dabei um gegenstandslose Spekulation durch Kläger-Anwälte, sagt eine BASF-Sprecherin. BASF spekuliere grundsätzlich nicht über mögliche Haftungsfälle.


In den USA droht Sammelklage

Experten und Kläger-Anwälte sind sich bei der Frage nach der möglichen Haftungssumme für BASF nicht einig. „Für mich steht außer Frage, dass es BASF Milliarden von Dollar kosten könnte, diese Fälle hinter sich zu bringen”, erklärt Erik Gordon, Jura-Professor an der University of Michigan, gegenüber Bloomberg.

Andere sind sich da nicht so sicher. Jonathan George – Anwalt bei der Kanzlei Waters, Kraus & Paul, die den Konzern verklagt hat – meint zwar, BASF müsse „möglicherweise in beträchtlichem Umfang haften“. Doch die Einschätzung, es gehe dabei um Milliarden von Dollar, hält er für „unrealistisch“.

BASF hat in jüngerer Zeit in mehreren Rechtstreitigkeiten eingeräumt, dass Engelhard-Talk Asbest enthielt. Gesundheitsschäden seien daraus aber nicht entstanden. Der Nachweis, dass eingeatmetes Asbest aus der Engelhard-Mine stamme, sei schwer zu führen, argumentierte der Konzern. Die Ludwigshafener bezweifeln überdies, dass ein Richter eine Sammelklage annimmt.

„Kläger stehen vor hohen Hürden, wenn sie eine Sammelklage beantragen für Fälle, die Tausende verschiedener Asbestfälle umfassen, die vor verschiedenen Gerichten verhandelt wurden, zu verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Anwälten”, hieß es in Gerichtsunterlagen, die BASF am 4. Mai einreichte.

In den vergangenen Jahren habe BASF zusammen mit seiner neuen Anwaltskanzlei Kirkland & Ellis viel Mühe darauf verwendet, Engelhard-Unterlagen aufzuspüren, ehemalige Mitarbeiter von Engelhard ausfindig zu machen und Fakten zu sammeln über das Talk-Geschäft von Engelhard, sagte die BASF-Sprecherin. Den Anwälten der Kläger seien mehrere Zehntausend relevante Dokumente zugänglich gemacht worden.

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