Verkauf von Opel an PSA Überfällige Scheidung

Konzernübernahmen führen bei Mitarbeitern selten zu Freudentänzen, zu oft droht Stellenabbau. Beim Opel-Hauptsitz in Rüsselsheim wirken die Mitarbeiter dennoch bemerkenswert gut gelaunt.

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Die Konzerngrößen beim Townhall Meeting in Rüsselsheim. Quelle: Opel

Rüsselsheim Als die Chefin des US-Mutterkonzerns General Motors (GM) Mitte Februar überraschend im Opel-Stammsitz im hessischen Rüsselsheim erschien, ahnten viele, dass die Gerüchte um einen Verkauf stimmen und das Ende einer 88-jährigen Geschäftsbeziehung bevorstehen könnte. Rund drei Wochen später ist die Scheidung des deutschen Autobauers von GM amtlich. Am Montagvormittag verkündete Carlos Tavares, der portugiesische Chef der französischen PSA-Gruppe, in Paris die Übernahme des deutschen Autobauers für 1,3 Milliarden Euro.
Obwohl Unternehmensverkäufe bei Mitarbeitern selten Freudentänze auslösen, ist die Stimmung in der Opel-Konzernzentrale am Nachmittag weniger düster als der Himmel über Rüsselsheim. Schwere Wolken hängen über der Zentrale. Immer wieder fallen Regentropfen in den grünen Teich vor dem Haupteingang, in dem sich das Opel-Logo spiegelt.

„Müssen wir jetzt alle französisch lernen?“

Zum ersten Mal werden Karl-Thomas Neumann, der Vorstandsvorsitzende der Opel-Gruppe, die GM-Chefin Mary Barra und Carlos Tavares dort gemeinsam vor die Belegschaft treten. Gegen 15:00 Uhr füllt sich das Foyer im Adam-Opel-Haus.

In den vergangenen Wochen habe der Verkauf die Gespräche unter den Kollegen zwar immer wieder dominiert, berichtet der 25-jährige Jörg Finger, der bei Opel ein Vertriebspraktikum absolviert. „Müssen wir jetzt alle französisch lernen“, hätten sich manche gefragt. Doch die Atmosphäre sei grundsätzlich optimistisch.
Auch ein Mitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagt, er habe ein gutes Gefühl. Verkauf hin oder her. Wer jetzt jammere, solle bedenken, dass unter der Führung von GM einiges nicht rosig gewesen sei. All die Spardiktate. Nach acht Jahren bei Opel schrecke ihn daher so schnell nichts mehr.

Zwei andere Opelaner sitzen im riesigen Opel-Foyer und blicken auf die Bühne. Dort wird die geballte Konzernprominenz bald Einigkeit und Hoffnung verbreiten. „Ich bin sehr gespannt“, sagt eine Frau im rosa Blazer. Ihr Kollege gibt sich gelassen: „Bis Maßnahmen greifen, vergehen ohnehin noch Jahre“. Sie nickt und sagt: „Trotzdem. Das war eine sehr lange Ehe, so etwas zerbricht eigentlich nicht mehr“.
Doch die Trennung ist längst beschlossene Sache. Opel-Chef Neumann wird sie nun auch in Rüsselsheim verkünden. Unter warmen Applaus betritt er die Bühne und lächelt dabei friedlich. Neumann wirkt wie einer, dem viele Paartherapien die Erkenntnis brachten, dass eine Scheidung der beste Weg für alle ist. Statt gemeinsamer Kinder begrüßt er mehrere hundert Opel-Mitarbeiter, die sich im Foyer zusammendrängen.

Andere hängen wie reife Trauben an den Geländern der Freiluft-Etagen, sie wollen einen guten Blick auf das Schauspiel unten haben. „Heute ist ein wahrlich historischer Tag für Opel und Vauxhall. Und es ist ein sehr emotionaler Tag für uns alle“, sagt Neumann. „Er bietet die Chance, einen echten europäischen Champion zu schaffen".
Es folgen ein paar Floskeln, dann die Verneigung vor dem langjährigen Partner General Motors. Es habe in der Beziehung „ups and downs" gegeben, dennoch wolle er sich bei GM für die „große Unterstützung in den vergangenen Jahren bedanken". Er bittet die Ex-Partnerin Marry Barra – sie ist ganz in schwarz – ans Mikrofon. Sie haben unter anderem Großkaliber wie Dan Ammann, Chef des Opel-Aufsichtsrats und Präsident von General Motors(GM), sowie Chuck Stevens, CFO bei GM, nach Rüsselsheim begleitet.


Erstaunlich freundlicher Applaus für Barra

Auch Barra begrüßen die Opelaner mit erstaunlich freundlichem Applaus. Ein paar mal verhaspelt sie sich trotzdem, obwohl sie fast durchgehend vom Blatt abliest. Barra betont, dass GM die Entscheidung zum Verkauf angesichts der langen gemeinsamen Beziehung und der großen Achtung vor allen Mitarbeitern von Opel/Vauxhall schwer gefallen sei. Sie räumt ein, dass die Entscheidung für viele überraschend war.

Die Verhandlungen mit PSA hatte GM zunächst geführt, ohne den Betriebsrat und den Opelvorstand einzubinden, was viele Opelaner irritiert hatte. Doch davon ist jetzt nichts zu spüren. Angesichts drohender Umstrukturierungen geht es an diesem Nachmittag bemerkenswert harmonisch zu. Keine Pfiffe, keine Buhrufe.
„Es tut mir leid“, sagt Barra, „dass Sie davon nicht direkt von uns erfahren haben“. Sowohl Opel als auch Vauxall hätten Fortschritte gemacht, der Break Even wäre 2016 erreicht worden, wäre nur der Brexit nicht gewesen. „Das war ein dramatischer Einschnitt im europäischen Markt“, so Barra.

Sie sei überzeugt, dass PSA auf Grund seiner Fahrzeugarchitekturen und seiner Expertisen besser geeignet sei, Opel voranzubringen. Sie glaube daher, dass die neue Beziehung mit PSA eine „helle Zukunft" für Opel und Vauxhall bedeuten werde.

Mit Blick auf Carlos Tavares, der gemeinsam mit Jean-Baptiste de Chatillon, dem CFO von PSA und Xavier Chéreau, dem PSA-Personalchef, in der ersten Reihe sitzt, sagt Barra: „Ich bin sicher, dass PSA Opel als ein deutsches Unternehmen weiter führen wird.“ Ihr Schlussappell verhallt ein wenig, weil sie ihn ohne all zu viel Pathos und Blickkontakt mit dem Publikum vorliest: „Ich bin fest davon überzeugt, dass die besten Tage noch kommen."

Damit könnte Barra, anders als viele zunächst glaubten, durchaus Recht haben. Die Fusion mit PSA bietet Vorteile. Zwar verkauft sowohl PSA mit seinen Marken Peugeot und Citroën ähnlich wie Opel kleine Autos und Mittelklassewagen in Europa. Doch Tavares will die Marken nicht gegeneinander antreten lassen, sondern den Absatz mit höhere Stückzahlen ankurbeln und so hinter Volkswagen zum zweitgrößten Autohersteller auf dem Kontinent aufsteigen. Durch die Übernahme und Synergien in den Bereichen Einkauf, Fertigung und Forschung wollen die Franzosen bis 2026 1,7 Milliarden Euro pro Jahr einsparen. Ob das ohne Stellenabbau funktionieren kann, ist mehr als fraglich.

Für die rund 19.000 deutschen Beschäftigten gilt zwar eine Jobgarantie, die auch PSA übernehmen will. Die läuft allerdings Ende 2018 aus. Was Tavares nun auch in Rüsselsheim wiederholt, klingt jedenfalls nicht nach einer langfristigen Zusage für die Opel-Standorte. Europäische Politiker wollten immer Schutzgarantien. PSA könne nun einmal nicht darüber hinwegsehen, dass Opel keine profitable Firma sein. „Wir leben in einer chaotischen Welt, der beste Weg, der einzig ehrliche Weg sich zu schützen, ist Leistung." Dabei wolle PSA helfen.

Er verstehe, sagt der Portugiese, dass viele Fragen offen blieben. Doch versichere er, dass die Firma eine deutsche Firma mit einer deutschen Marke bleiben werde. Als er dann noch ruft, dass ein Großteil des Umschwungs beim Autobauer durch die Arbeit der Opelaner geschaffen wurde, brandet ihm Beifall entgegen. Diese Trennung war wohl bitter nötig.

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