Alle zwei Jahre fädeln die Manager der Maschinenbau-Industrie in Japan bei der Fachmesse JIMTOF in Tokio ihre großen Deals ein. Dennoch nahm sich Masahiko Mori, Chef des Werkzeugmaschinenbauers DMG Mori Seiki, bei der Messe Ende Oktober vergangenen Jahres mehr als eine halbe Stunde Zeit, um 22 Schweizer Maschinenbau-Studenten sein Unternehmen und den japanischen Markt zu erklären. Die jungen Schweizer staunten über einen locker Englisch parlierenden, extrovertierten Manager. „Er tut sich im Umgang mit Nichtjapanern sehr leicht und ist sehr interessiert an Leuten“, sagt Roger Zbinden, Leiter der Schweizer Außenwirtschaftsförderung in Tokio.
Das wird man in Ostwestfalen gerne hören: Mori will die frühere Gildemeister – seit 2013 DMG Mori Seiki AG – aus Bielefeld freundlich übernehmen und den Anteil von 27 Prozent bis Ende März auf mehr als 75 Prozent ausbauen. „Japanischer Fleiß und deutsche Gründlichkeit sind eine nicht ungefährliche Kombination“, zitierte das „Industriemagazin“ einen Mitbewerber. Wie tickt der 53-jährige Familienunternehmer, der mit geballter Marktmacht die Konkurrenz das Fürchten lehrt?
Umsatzanteile im Maschinenbau nach Ländern
Umsatzanteil im Jahr 2013: 2 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2003: 0,2 Prozent
Quelle: Branchenbericht Maschinenbau 2014 der Commerzbank
Umsatzanteil im Jahr 2013: 3 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2003: 3 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2013: 4 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2003: 4 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2013: 11 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2003: 17 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2013: 13 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2003: 20 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2013: 17 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2003: 21 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2013: 17 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2003: 28 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2013: 32 Prozent
Umsatzanteil im Jahr 2003: 7 Prozent
Der promovierte Ingenieur Mori ist mit Leidenschaft Unternehmer. „Er denkt strategisch, aber kann auch jedes Detail seiner Werkzeugmaschinen erklären“, sagt Zbinden. Seine Vorbilder seien deutsche und Schweizer Hersteller, weil sie nach Präzision strebten. Mori tauscht sich oft mit Konrad Wegener aus, der das Institut für Werkzeugmaschinen an der ETH Zürich leitet. Im Schweizer Jura kaufte sich Mori Seiki denn auch ihre erste Fabrik im Ausland hinzu. Die neue Europa-Zentrale wurde im Dezember in Winterthur eingeweiht.
Deutsche Hersteller als Vorbild
Moris Know-how kam jedoch zunächst nicht dem Familienunternehmen zugute, das heute mit 4200 Mitarbeitern 1,3 Milliarden Euro umsetzt. Wegen seines strengen Vaters flüchtet er früh von zu Hause und arbeitet nach dem Studium zunächst acht Jahre für das Handelshaus Itochu. Damals wählt er sein Lebensmotto: „Bis zum Alter von 30 arbeitet man mit Vitalität, bis 40 erwirbt man Eigenheiten, bis 50 vereint man Originalität in sich und über 50 gedeiht die Persönlichkeit“, erläutert Mori. Seine Mitarbeiter warnt er bis heute davor, die falsche Reihenfolge zu wählen.
Überraschende Partner
Als sich Mori 1993 mit seiner Frau gerade über das Angebot einer Versetzung nach Düsseldorf freut, nimmt ihn die Familie in die Pflicht. Wegen seiner schlechten Gesundheit muss Yukio Mori seinen Sohn zurückholen und überlässt ihm 1999 im Alter von 37 Jahren den Chefsessel des 1948 von drei Mori-Brüdern gegründeten Unternehmens – Seiki ist die Abkürzung des japanischen Ausdrucks für Präzisionsmaschinen. Masahiko Mori gehören noch 2,7 Prozent an dem börsennotierten Unternehmen.
2009 werden die Wettbewerber Mori Seiki und Gildemeister überraschend Partner. Vorstandschef Rüdiger Kapitza wird mit dem Kapitaleinstieg von Mori 300 Millionen Euro Bankschulden zu 9,5 Prozent Zinsen los. Und der Japaner rechnet sich die Chance aus, im Verbund mit Gildemeister zum Weltmarktführer zu werden.
Keine „Fusion unter Gleichen“
Nach innen Synergien nutzen, nach außen den Weltmarkt optimal ausschöpfen – so sind die beiden Unternehmen bei Vertrieb, Marketing und Forschung immer enger zusammengewachsen. Zuletzt wurde eine gemeinsame Steuerung für die Maschinen entwickelt.
Produkte des Maschinenbaus
Einfache Maschinen und Geräte für einen geringen Preis aus gegebenenfalls weniger hochwertigem Material; oftmals für einen breiten Markt.
Quelle: Branchenbericht Maschinenbau 2014 der Commerzbank
Die Qualität und Funktionalität dieser Maschinen liegt zwischen High- und Lowtech-Bereich – gut genug, aber nicht auf dem neuesten Stand der Hightech-Maschinen.
Sehr effiziente und hochpreisige Maschinen und Anlagen mit neuester Technologie, oftmals stark an Kundenwünsche angepasst. Ein hoher Grad an Automation und Softwareeinsatz kennzeichnet diesen Typ.
Hersteller von – in größeren Serien hergestellten – Standardmaschinen sind einem höheren Wettbewerbsdruck ausgesetzt, wobei die Konkurrenz im Midtech- in den nächsten Jahren stärker sein wird als im Hightech-Bereich, unter anderem durch Markteintritt chinesischer Hersteller.
Spezialmaschinenhersteller erfahren wenig Wettbewerb aus Niedriglohnländern. Bei der Abgrenzung von Spezialmaschinen wird als Stellvertreter für andere, schwer quantifizierbare Kriterien die Drittverwertbarkeit der hergestellten Maschinen betrachtet. Einfache Verwertung deutet auf Standardmaschinen, schwerliche Verwertbarkeit auf Spezialmaschinen hin.
Standard- und Spezialmaschinen deutscher Hersteller sind überwiegend dem Hightech-Bereich zuzuordnen. Es wird erwartet, dass die Unternehmen künftig zusätzlich zu Hightech verstärkt Midtech-Produkte anbieten werden. Dabei können Spezialmaschinen sowohl Hightech- als auch Lowtech-Merkmale aufweisen.
Eigentlich hatte Kapitza stets eine „Fusion unter Gleichen“ bis 2020 in Aussicht gestellt. Da Gildemeister heute deutlich ertrags- und finanzstärker ist, hätte dies jedoch in letzter Konsequenz eine Übernahme der Japaner bedeutet – für den Familienunternehmer Mori nicht tragbar. „Also wurde nach einer alternativen Deal-Struktur gesucht“, sagt Thomas Rau vom Research-Haus Montega in Hamburg.
Aktienkurs von Mori Seiki steigt
Der Analyst kann sich jedoch nicht erklären, warum Kapitza das Angebot von Mori Seiki entgegen der Interessen der anderen Gildemeister-Aktionäre jüngst als „einen Schlag zu hoch“ bezeichnete und er zudem die Geschäftsaussichten der Bielefelder schlechtrede.
Die Frankfurter Baader-Bank kritisiert, dass das Angebot eher zu niedrig ausfalle. Trotz des gebotenen Übernahmepreises von 1,6 Milliarden Euro sei der Aktienkurs der Japaner an der Börse in Tokio allein in den vergangenen zwei Wochen um 29 Prozent gestiegen.
Egal, wie das Übernahmeangebot ausgeht: An der prinzipiellen Einstellung von Mori, der in seiner Freizeit gerne rudert und golft, zu seinem Unternehmen dürfte sich nichts ändern: „Ein Präsident ist wie ein Mönch im Tempel – für ihn gibt es nichts anderes als die Sorge für seine Firma und seine Mitarbeiter.“