Abschied vom Smartphone Blackberry macht es richtig

Blackberry, einstmals Vorreiter in Sachen Handys, verabschiedet sich endgültig von seiner Smartphone-Sparte und setzt fortan auf Software. Warum das die richtige Strategie ist.

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Blackberry verabschiedet sich von seiner Smartphone-Sparte. Quelle: Presse

Vor ein paar Tagen kommentierte ein Kollege mit Blick auf meinen Blackberry „Classic“, ich sei vermutlich der letzte Mobilfunkkunde, der noch auf der charakteristischen Mikrotastatur herum tippe, die vor ein paar Jahren noch die handlichen E-Mail-Telefone aus Kanada zum absoluten Must-Have in den Taschen mobiler Manager machte.

Als die Hauptfunktion von Handys noch bloßes Telefonieren war, ermöglichte Technologie-Pionier mit seinen einzigartigen, etwas klobigen, aber eben extrem praktischen Geräten ein derart effizientes E-Mail-Management unterwegs, dass deren Nutzern beim Blick auf ihre Tastentelefone nur noch von Crackberry sprachen.

Diese Eigenständigkeit haben die Kanadier vor Jahren schon verloren. Die Überlegenheit beim Bedienkonzept im einen Fall beziehungsweise die immense Entwicklungspower auf der anderen Seite (gepaart mit dem Geschäftsmodell, die eigene Software zu verschenken), haben zur Dominanz von Apple und Google - mit der iPhones und der Android-Plattform geführt. Und zu einer drastischen Relevanzverschiebung im Markt.

Apple in Zahlen

Einstige Mobilfunkriesen mit großem Technologie-Know-how bei der Hardware sind dabei unter die Räder geraden. Motorola existiert in der Handywelt bloß noch als Sub-Marke des chinesischen Technikriesen Lenovo, Nokia hat sein verlustreiches Smartphone-Geschäft vor Jahren an Microsoft verkauft - das es inzwischen auch weitgehend hat abschreiben müssen. Nun hat es also auch Blackberry erwischt. Unternehmenschef John Chen kündigte an, die Entwicklung eigener Smartphones einzustellen.

Das ist - für praktizierende Tastenfans wie mich - eine überaus traurige Nachricht. Strategisch aber ist sie nachvollziehbar - nicht nur angesichts des verbliebenen 0,2-prozentigen Marktanteils im Smartphonegeschäft.

Mehr noch, was Chen mit dem Ausstieg aus der Handy-Entwicklung zum Ende bringt, ist der Endpunkt einer strategischen Kurskorrektur, die als Vorbild für einen Großteil der Mobilfunkbranche dient.

Das sind die wertvollsten Marken der Welt
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Platz 12: Marlboro Quelle: dapd
Platz 11: Tencent Quelle: REUTERS
Platz 10: IBM Quelle: dpa
Platz 9: McDonalds Quelle: dpa

Blackberry ist folgendes passiert: Hoch standardisierte Produkte mit einer exponentiell wachsenden Nutzerzahl und gleichzeitig immenser Innovationsgeschwindigkeit verdrängen die proprietäre Technik eines einzelnen Herstellers. Das Gleiche vollzieht sich mindestens so radikal auf der anderen Seite der Mobilfunkwelt: im Netzwerk.

Auch wenn die Masse der Smartphone-Nutzer davon kaum etwas mitbekommt, ist die Branche der Netzwerkausrüster mindestens so sehr in Aufruhr und im Umbruch wie die der Handy-Produzenten.

Die seit Jahren anhaltende Konsolidierung, die zuletzt den Zusammenschluss der einst eigenständigen Anbieter Alcatel und Lucent unter das Dach von Nokias Netzwerksparte getrieben hat, ist nicht minder getrieben vom Trend, dass Software die ehemals hochprofitable eigenständige Hardware ersetzt.

Wo die Netzwerk-Spezialisten in der Vergangenheit sündhaft teure Spezial-Hardware für den Betrieb der Mobilfunknetze verkaufen konnten, stehen heute immer häufiger hundsgewöhnliche PC-Systeme, technisch engst verwandt mit Desktop-Rechnern oder Laptops. Und damit drastisch billiger als die Gewinntreiber, die Ericsson, Nokia, Alcatel, Lucent, Motorola oder Nortel vor einem halben Jahrzehnt noch ein überaus auskömmliches Geschäft bescherten.

Weg von der Hardware, hin zur Software

Heute herrscht bei der Hardware ein dramatischer Preiswettbewerb, in dem keiner der Etablierten noch etwas zu gewinnen hat. Und in dem speziell wettbewerbsfähigeren chinesischen Anbieter sich Geschäftsanteile aus dem Markt geschnitten haben, als wären sie ein warmes Messer in der Butter – anfangs dank niedrigerer Personalkosten, inzwischen aber auch dank innovativerer Systeme.

Der Ersatz von Hardware durch Software beschleunigt sich noch. Längst sind große Teile der Netzwerk-Infrastruktur in den mobilen Netzen physisch gar nicht mehr vorhanden. Netzwerk-Management-Server, Kunden-Management-Systeme, Sendetechnik - all das existiert nur noch virtuell, in Form von Software, die die Funktionen der einst eigenständigen Hardware mehr und mehr imitiert.

Das ist flexibler, drastisch billiger und um ein Vielfaches innovativer. So mussten Netzbetreiber beispielsweise in der Vergangenheit an einzelnen Basisstationen für jede Übertragungstechnik – den alten 2G-GSM-Mobilfunk, das schnellere UMTS-Netz oder die neue, leistungsstärkste LTE-Infrastruktur – eigene (und damit unflexible) Spezialrechner installieren. Heute reicht es, einfach die Software in einen anderen Sendemodus umzuschalten. Ein immenser Effizienzsprung.

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Wer in dieser neuen Mobilfunkwelt überleben will, muss in großen Teilen weg von Hardware und Kompetenz in Sachen Software aufbauen. Das hat mancher der alten Riesen zu spät verstanden – mit den bekannten Folgen. Neue Konkurrenten wie etwa Huawei dagegen haben mit klarem Fokus auf die Bedeutung innovativer Softwaresysteme in kürzester Zeit so manchen etablierten aber weniger dynamischen Hersteller verdrängt. Auch, weil der sein traditionelles Hardware-Geschäft nicht durch konkurrierende Software-Systeme aus dem eigenen Haus kannibalisieren wollte.

Dieses Problem hat Blackberry-Chef Chen nun mit der endgültigen Aufgabe seiner Hardware-Entwicklung bei Smartphones endgültig gelöst. Nun fokussiert sich der einstige Smartphone-Pionier tatsächlich ausschließlich auf die Entwicklung seiner Software-Angebote. Und längst bietet er nicht mehr nur für die eigenen Telefone seine Systeme an, mit denen sich E-Mails oder Unternehmensdaten auf Smartphones übertragen lassen, ebenso verlässlich wie gegen Hackerzugriffe geschützt. Chen hat die Software längst auch für Apple- und Android-Telefone verfügbar gemacht.

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iPhone 5S Quelle: AP

Mit Erfolg. Denn der parallel zum Niedergang des Handy-Geschäfts vollzogene Ausbau der Software- und Serviceangebote schlägt sich zunehmend in der Kasse nieder. Zwar vermeldete Chen – zeitgleich mit dem Ausstieg aus der Handy-Entwicklung – einen Quartalverlust von 372 Millionen Dollar. Doch der resultierte größtenteils aus Abschreibungen. Der Softwareumsatz dagegen verdoppelte sich – und fürs dritte Quartal peilt Chen zumindest eine rote Null an.

Es wäre der zumindest ökonomische Lohn für den endgültigen Abschied vom Crackberry. Und ein Hoffnungsschimmer für die trudelnden Netzwerkriesen, dass sich die Strategiewende auszahlen kann.

 

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