Autonomes Fahren Die Uber-Formel für die Zukunft

Uber will vom Taxi-Schreck zum Pionier des autonomen Fahrens werden. Kurz nach Start der Tests gewährt das Unternehmen erste Einblicke hinter die Kulissen – und das Geheimrezept für seine Zukunftspläne. Ein Hausbesuch.

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Das Hauptquartier des Fahrdienst-Vermittlers grenzt an den übelsten Teil der Downtown. Quelle: AFP

San Francisco Der Kontrast könnte kaum größer sein. Draußen irrt ein Mann vorbei, den linken Schuh hat er schon verloren. Der Blick aus dem Gesicht wandert stumpf umher, ohne konkretes Ziel, so als führten die Wege alle gleichermaßen ins Nichts.

Die Zentrale des Fahrdienst-Vermittlers Uber grenzt an den übelsten Teil von Downtown San Francisco, die Tenderloin. Das Viertel erlangte durch Obdachlose, Drogen und Schießereien traurige Berühmtheit. Im vierten Stock des Bürobaus arbeiten allerdings Menschen, die ein Universum davon entfernt sind, was vor ihrer Haustür passiert.

Gruppen junger Männer mit strengem Gesicht und Augenringen ziehen vorbei, die Laptops unter dem Arm. Niemand vertrödelt Zeit bei Kaffee oder Öko-Mittagessen, alles bewegt sich. Immer. Die Atmosphäre ist eher kühl, viel Glas, Sichtbeton, Spiegel, die stark aufgedrehte Klimaanlage verstärkt das Gefühl.

Daniel Graf hüstelt. Der Schweizer ist eine zentrale Figur in der Gleichung von Uber-Chef Travis Kalanick, der das Transportwesen der Welt revolutionieren will – heute mit den Diensten UberX und UberPool, irgendwann mit autonomen Autos. Erste Tests dazu laufen derzeit gemeinsam mit der Carnegie Mellon University in Pittsburgh.

Dort können Kunden des Fahrdienstanbieters per Smartphone selbstfahrende Autos des Unternehmens buchen. Eine nicht näher genannte Zahl von autonom fahrenden Modellen des Typs Ford Fusion stehe den Fahrgästen zur Verfügung, teilte das Unternehmen im August mit. Allerdings befindet sich zur Sicherheit auch ein Fahrer an Bord.

Wie groß der Sprung für das Start-up, das inzwischen eine Bewertung von 68 Milliarden Dollar erreicht, in den Markt autonome Autos ist, bringt Daniel Graf auf eine einfache Formel: „Wir sind sehr gut gerüstet mit den Daten, die wir haben, diese nächsten Herausforderungen anzugehen.“

Graf versucht, diese durchaus aggressive Ansage mit Programmierern, Big Data-Analysten und Designern in ein Produkt umzusetzen. Der 42-Jährige ist verantwortlich für die mathematischen Modelle, die Fahrer und Passagier zusammenbringen und den Preis festsetzt. Er baut die Infrastruktur für die Zukunft von Uber und die großen Pläne mit selbstfahrenden Autos. Vor Uber arbeitete er bei der härtesten Konkurrenz, bei Google, wo er den Kartendienst Maps auf die Mobiltelefone brachte.

Jede Fahrt setzt eine komplizierte Mathematik in Gang. „Alles was wir tun, beginnt mit Daten, dann denken wir über Produkte und neue Features nach.“ Graf zeichnet mit schwarzem Filzstift auf die Tafel hinter ihm an der Wand. Später, nach dem Interview, wird er es wie alle Uber-Mitarbeiter sorgfältig abwischen. Alles hier ist auf maximale Effektivität getrimmt.


Google könnte Uber in Bedrängnis bringen

Ein Algorithmus berechnet, auf Basis von Informationen, die Uber aus bestehenden Services wie Google Maps, TomTom oder Open Street Maps generiert und der eigenen Plattform mit den zwei Milliarden eigenen Fahrten, die optimale Strecke. „Wir haben ziemlich gute Daten über Verlauf und Dauer fast jeder Route in allen 400 Städten, in denen wir sind, egal welche Uhrzeit oder welcher Tag“, erklärt Graf. „Wir können drei Monate nach einem neuen Launch all das schon ziemlich gut darstellen.“ Ob das stimmt, kann allerdings wohl nur Uber selbst überprüfen.

„Wenn wir in die Welt von autonomen Autos kommen, wird das das Spiel noch einmal komplett ändern.“ Aber für das Überleben der Firma er von hoher Bedeutung. „Wenn wir nicht selbst autonome Fahrzeuge auf die Straße setzen, wird es jemand tun und uns empfindlich damit treffen.“ Wie Google zum Beispiel? „Ja, genau.“

Ein autonomes Auto benötigt viele Infos, die die Plattform nicht besitzt. Bislang dient neben dem mathematischen Modell nur das Smartphone mit seinen vielen Kanälen als Infoquelle. Will ein Auto sicher selbst steuern, benötigt es diverse neue Sensoren, die die Außenwelt erfassen, vom Verlauf der Straßenspuren, über das Wetter bis hin zu unerwartet auftauchenden Hindernissen.

Immerhin schickt Uber jetzt Autos mit Kameras durch einige Städte, die Video-Aufnahmen anfertigen. Aber ob das reicht, um Google zurückzudrängen, nun, da es mit Waze, einem vom Suchmaschinenkonzern gekauften Start-up aus Israel, künftig ebenfalls einen Mitfahrservice anbietet?

Wenn der Milliarden-Konzern mit dem derzeit besten Kartenmaterial der Welt und der unfassbar detaillierten Datensammlung über Milliarden von Nutzern sich gegen den ehemaligen Partner Uber in Stellung bringt, könnten das Kalanicks Firma in große Bedrängnis stürzen. Der Vorsprung des Newcomers könnte empfindlich schrumpfen. Bereits im ersten Halbjahr brachte Uber der Expansionskurs laut Medienberichten einen Verlust von 1,27 Milliarden Dollar.

Doch bei Uber gibt man sich selbstbewusst: „Der Markt mit Personentransporten ist so groß und massiv, viel größer als das Geschäft mit Online-Werbung, in dem sich Google und Facebook engagieren“, sagt Graf. „Es gibt dort Möglichkeiten für ganz unterschiedliche Arten von Services.“

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