Empire-Entwickler Schwierigkeiten bei Goodgame

Goodgame Studios soll sich nach Handelsblatt-Informationen von mehreren hundert Mitarbeitern trennen. Dem Entwickler von Hits wie „Empire“ stehen schwere Zeiten bevor.

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Hinter der Fassade ging Goodgame rabiat mit missliebigen Mitarbeitern um. Quelle: Goodgame Studios

Hamburg Der Deutschland-Trip von Hugh Simons (Name geändert) dauerte exakt zwei Wochen. Für den Job beim bislang größten deutschen Computerspiele-Hersteller Goodgame Studios hatte er eine Anstellung in seinem Heimatland gekündigt und war nach Hamburg gezogen.

Drei Tage später war klar, dass er seinen neuen Job verlieren würde. Goodgame, bekannt für das Online-Strategiespiel „Empire“, kündigte an,binnen einer Woche zahlreiche Mitarbeiter zu entlassen und eines seiner Entwicklerstudios zu schließen. Angestellte in der Probezeit wie Simons hatten keine Chance.

Nach Handelsblatt-Informationen von mehreren Goodgame-Mitarbeitern sollen mehrere hundert Mitarbeiter das Abfindungsangebot von 1,5 Monatsgehältern pro Tätigkeitsjahr als Goodgamer angenommen haben – unter hohem Zeitdruck. Das Unternehmen will die Zahl auf Anfrage nicht kommentieren. Binnen einer Woche trennt sich die Hamburger Spielefirma damit offenbar von mehreren hundert Mitarbeitern. Im Vergleich zu den Hochzeiten, als knapp 1300 Menschen für arbeiteten, hat Goodgame seine Belegschaft nahezu halbiert.

Die Trennungswelle beendet eine Erfolgsstory der deutschen Digitalszene jäh. 2009 von den Brüdern Kai und Christian Wawrzinek gegründet, landete die Firma schon zwei Jahre später einen Welthit: „Empire“, ein Strategiespiel, bei dem Millionen Spieler weltweit Burgen und Dörfer bauen und sich ihre Ritterarmeen auf den Hals hetzen.

Obwohl das Spiel kostenlos ist, gelang es Goodgame lange, Spieler zum Kauf von „Rubinen“ für echtes Geld anzuregen, mit denen sie etwa den Bau von Gebäuden beschleunigen konnten. Vor allem dank des Erfolgs von „Empire“ machte Goodgame 2014 mehr als 200 Millionen Euro Umsatz und rund 35 Millionen Euro Gewinn vor Steuern.

Im Bereich des Community-Managements gingen bereits viele Mitarbeiter. Die Folgen dieses Abbaus spüren auch die Nutzer von „Empire“, dem umsatzstärksten Goodgame-Spiel. Das Forum, in dem sie Fragen zum Spiel stellen können, wurde zumindest zwischenzeitlich von Administratoren anderer Spiele mitbetreut. Das Unternehmen betont, man habe bei der Reorganisation „großes Augenmerk darauf gelegt, dass unseren Kunden (…) keinerlei Nachteile entstehen.“

Schneller als der Umsatz wuchsen nur die Ambitionen der Gründer. „Wir wollen bis 2020 eine der Top-Gamingfirmen der Welt werden“, sagte Chef Kai Wawrzinek noch vor einem Jahr. In wenigen Jahren wollten die Hamburger zu Branchenriesen wie Activision Blizzard oder Electronic Arts aufschließen. Statt den Strategiespielen treu zu bleiben, mischte Goodgame plötzlich überall mit: Hunderte neue Designer und Entwickler arbeiteten an Projekten vom Candy-Crush-artigen Gelegenheitsspiel bis zum polierten PC- und Konsolenspiel für überzeugte Gamer.

Die Branche betrachtete die Hamburger mit einer Mischung aus Bewunderung und Unglauben: „Selbst gemessen an ihren großen Ambitionen hatte Goodgame geschätzt doppelt so viele Mitarbeiter wie nötig“, sagt ein Manager eines anderen europäischen Spieleherstellers. Heute ist klar: Goodgame hat sich heillos übernommen.

Dabei zeichnete sich schon länger ab, dass Goodgame schwere Zeiten bevorstünden. Nach mehr als fünf Jahren hat „Empire“ seinen Umsatz-Zenit überschritten, andere Spiele floppten. Einen Jahresabschluss für 2015 hat Goodgame bis heute nicht veröffentlicht. Rocket Internet, das 15 Prozent an der Spielefirma hält, setzte den Wert seines Anteils an der Firma in seinem Jahresabschluss von 100 auf rund 85 Millionen Euro herab.

Schon vergangenen November kursierten auf dem Goodgame-Campus im Stadtteil Bahrenfeld Gerüchte, dass eine Entlassungswelle in der inzwischen realisierten Größenordnung bevorstünde. Die Wahl eines Betriebsrats lehnten die Goodgamer aber mehrheitlich ab und stimmten für eine alternative Mitarbeitervertretung. Das Unternehmen verweist darauf, dass die Konditionen des aktuellen Stellenabbaus mit dieser ausgehandelt wurden.

Allerdings konnte das Management der Firma so hunderte Mitarbeiter dazu bewegen, sich binnen weniger Tage selbst zu trennen oder ihre Entlassung zu riskieren. Am Donnerstag vorvergangener Woche informierte die Firma ihre Angestellten, dass sie bis Mittwoch, 11 Uhr, eine Aufhebungsvereinbarung unterschrieben haben müssten.

Warum man die Mitarbeiter erst so spät informierte und dann alles ganz schnell gehen musste, erklärt das Unternehmen recht verquast: „Wir haben sorgfältig alle denkbaren Optionen geprüft, wie eine Neuaufstellung aussehen könnte. Wir haben diese Szenarien und möglichen Implikationen durchgespielt und sind dann zu dem Schluss gekommen, diese für uns alle sehr schwierigen Maßnahmen umzusetzen, um angemessen auf die aktuelle Situation zu reagieren.“

Und warum wurden bis fast zum letzten Tag noch neue Leute eingestellt? „Leider gab es in wenigen Einzelfällen zeitliche Überschneidungen.“ Bei ausländischen Mitarbeitern wie Hugh Simons würden die Umzugskosten aber erstattet.

Für Goodgame beginnen nun schwierige Zeiten: Der Ruf der Firma in der Szene ist ruiniert, ihre Cashcow „Empire“ wirft immer weniger ab und den Beweis, dass sie mehr sind als ein „One-Hit-Wonder“, haben die Hamburger bis heute nicht erbracht. Steile Abstürze sind üblich in der Branche, in der einstige Stars wie Zynga(„Farmville“) und Rovio („Angry Birds“) inzwischen ums Überleben ringen.

Für ein nun denkbares Horrorszenario müssen die Goodgame-Gründer aber nicht mal über die Stadtgrenze Hamburgs hinausblicken: Konkurrent Bigpoint beschäftigte bis 2012 800 Mitarbeiter in der Hansestadt. Nach einer Massenentlassung kam die Spielefirma nicht wieder recht auf die Beine und wurde Anfang des Jahres für 60 Millionen Euro an einen chinesischen Investor verscherbelt – einen Bruchteil ihres einstigen Wertes.

Hugh Simons nimmt die ganze Episode immerhin mit Humor. Er sei ganz zuversichtlich, dass er in seinem Heimatland bald wieder einen Job findet, schreibt er dem Handelsblatt. „Für ein paar Tage Arbeit habe ich ein Monatsgehalt bekommen.“

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