Entwicklerkonferenz I/O Google verkündet die KI-Revolution

Auf der Entwicklerkonferenz I/O hat der Google-Chef mehr als nur neue Software präsentiert. Sundar Pichai verkündete nicht weniger als einen Strategiewechsel – künstliche Intelligenz soll künftig alle Produkte dominieren.

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„Wir werden alle unsere Produkte überarbeiten. Alles verändert sich dank künstlicher Intelligenz.” Quelle: dpa

Mountain View Wie immer waren die Ränge im Shoreline Amphitheatre in Mountain View, direkt um die Ecke vom Hauptquartier des Suchmaschinenbetreibers Google, gut gefüllt. 7000 Gäste aus aller Welt warteten gespannt auf die Neuigkeiten, die Google-Chef Sundar Pichai in seiner Keynote anlässlich der großen Entwicklerkonferenz I/O zu verkünden hatte.

Tatsächlich wartete der Manager mit nicht weniger als einem Strategiewechsel auf. Künftig würde nicht mehr wie bislang die Weiterentwicklung von Innovationen für Mobilgeräte im Zentrum stehen, sagte Pichai, sondern die Maschinenintelligenz. „Wir werden alle unsere Produkte überarbeiten. Alles verändert sich dank künstlicher Intelligenz.”

Der Hersteller will zeigen, dass sich die jahrelangen Investitionen in die Weiterentwicklung von Algorithmen und neuronalen Netzen, die in den 90er-Jahren mit Google Brain gestartet waren, endlich auszahlen. Google integriert künstliche Intelligenz in alle Produkte, vor allem in die Kommunikationsplattform Google Assistant.

Die Technologie wird künftig auch in deutscher Sprache verfügbar sein und auch für Nutzer von Apples Betriebssystem iOS. Die interaktive, kommunikative Technologie soll noch unmittelbarer als bisher mit dem Nutzer interagieren. „Ein Gespräch mit dem Google Assistant soll so sein, als würde sich der Nutzer mit Google unterhalten”, sagt Pichai.

Ein wichtigstes Werkzeug dafür wird Google Lens. Neuronale Netze, spezialisiert auf Bildauswertung, erkennen in einem Foto automatisch Gegenstände, zum Beispiel eine Blume, und liefern Zusatzinformationen aus Googles riesiger Datenbank.

Hält der Nutzer die Kamera seines Smartphones etwa über einen Wifi-Code, loggt sich das Telefon automatisch ins Netz ein, steht er vor einem Restaurant, sendet das Programm Informationen über die Speisekarte auf den Bildschirm. Auch automatische Übersetzungen von Schriftzügen auf Fotos, etwa aus dem Japanischen, sind künftig möglich.

Die Fähigkeiten von Googles Betriebssystem Android, das inzwischen auf zwei Milliarden Smartphones und Tablet-PCs läuft, soll durch künstliche Intelligenz ebenfalls entscheidend verbessert werden. Algorithmen im neuen Betriebssystem Android O, das im Sommer veröffentlicht wird, erkennen neben einzelnen Wörtern künftig auch ganze Ausdrücke, rufen automatisch Adressen auf und zeigen dem Nutzer die Route im Kartenservice Maps. „Wir werden immer besser darin, zu verstehen, was in den Bildern zu sehen ist”, sagt Pichai. „Unsere Algorithmen sind darin besser als Menschen.”


Jagd auf Amazon

Bislang unterscheidet sich Googles Bilderkennungsintelligenz nur unwesentlich von dem, was andere Hersteller bereits zeigten. Das soziale Netzwerk Facebook etwa stellte bei seiner Entwicklerkonferenz F8 eine ähnliche Bilderkennungssoftware für Fotos vor, inklusive Funktionen für Augmented Reality (erweiterte Realität), bei der aus Nutzersicht Zusatzelemente eingeblendet werden.

Doch Analysten schätzen, dass sich Google im Kampf um die Vorherrschaft bei künstlicher Intelligenz langfristig durchsetzen könne. „Googles breite kognitive Fähigkeiten und die großen Datenbanken sind definitiv ein Vorteil im Rennen um die Dominanz bei künstlicher Intelligenz”, sagt Adam Wright vom Marktforscher IDC.

Um die Erfahrung der Nutzer mit dem eigenen Assistenten besser kontrollieren und permanent verbessern zu können, produziert Google inzwischen eigene Hardware-Produkte und baut deren Ökosystem permanent weiter aus. 70 Hersteller von vernetzten Geräten für das Zuhause arbeiten inzwischen mit dem Konzern zusammen.

Googles „Home“-Lautsprecher wird künftig in weiteren Ländern verfügbar sein, darunter in Deutschland und Frankreich. Er rückt damit weiter ins Leben der Nutzer vor und tritt künftig weniger passiv auf. Statt wie bisher nur auf konkrete Kommandos zu antworten, wird Home den Nutzer künftig von sich aus aktiv ansprechen, zum Beispiel um ihn vor einem Termin zu informieren, dass er aufbrechen muss.

Auch Telefonate sollen künftig über den Lautsprecher möglich sein, dabei soll Googles Maschinenintelligenz die Stimme des jeweiligen Nutzers erkennen. Ebenfalls zugreifen soll Home auf Google TV und die Musikplattform Spotify.

Mit den neuen Funktionen macht Google jagt auf Amazon, das nach einer Prognose von E-Marketer das Geschäft mit smarten Assistenten mit einem Marktanteil von 70,6 Prozent dominiert. Google folgt mit großem Abstand und 23,8 Prozent.

Der Kampf um das vernetzte zu Hause spitzt sich zu. Vergangene Woche präsentierte Amazon die nächste Generation seines „Echo“-Lautsprechers, der einen Touchscreen besitzt. Auch Microsoft drängt in den Markt und zeigte den hauseigenen smarten Lautsprecher Invoke, produziert von der zu Samsung gehörenden Marke Harman Kardon, in dem künftig Microsofts Sprachassistent Cortana steckt. Wie Home und Echo kann auch Invoke Anrufe vermitteln, greift auf Windows-Anwendungen zu und fungiert als DJ oder Kalender-Manager.

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