Fernsehen EU erlaubt mehr Werbung im TV

Die EU will Privatsendern mehr Werbespots erlauben. So steht es im Entwurf der neuen Fernseh-Richtlinie, die dem Handelsblatt vorliegt. Netflix und Youtube dagegen müssen sich auf neue Vorschriften einstellen.

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Von den neuen EU-Vorschriften zur TV-Werbung sind auch Streamingdienste, wie etwa Netflix, betroffen. Quelle: dpa

Brüssel Werbung im Fernsehen nervt viele Zuschauer – demnächst wahrscheinlich noch mehr. Die EU will den TV-Sendern erlauben, besonders beliebte Sendungen öfter und länger für Werbung zu unterbrechen als bisher. Künftig dürfen private und öffentlich-rechtliche Sender alle 20 Minuten kommerzielle Spots bringen.

Momentan sind Werbeunterbrechungen nur alle 30 Minuten erlaubt. Insgesamt darf durchschnittlich 20 Prozent der Sendezeit zwischen 7 und 23 Uhr für Werbung reserviert werden. Das bedeutet: Die TV-Anstalten bekommen die Möglichkeit, die Werbespots vor allem auf die Primetime zu konzentrieren. Bei spannenden Filmen oder Fußballspielen könnten die Dauer der Werbung die bislang maximal erlaubten zwölf Minuten pro Stunde also künftig deutlich überschreiten. Es wird zudem erlaubt, einzelne Werbespots zwischen das Programm zu schalten. Bislang gültige Beschränkungen für Produktplacement sollen zum größten Teil entfallen.

So steht es in einer Novelle der EU-Richtlinie für audiovisuelle Dienste. Der 31 Seiten starke Rechtstext liegt dem Handelsblatt vor. EU-Digitalkommissar Günther Oettinger will den Richtlinienentwurf am kommenden Mittwoch veröffentlichen.

Auf eine Liberalisierung der Fernsehwerbung gedrängt habe vor allem die Bundesregierung, sagten EU-Diplomaten. In Brüssel wird daher erwartet, dass Deutschland die neuen EU-Vorschriften zur TV-Werbung in nationales Recht umsetzt – und zwar freiwillig. Die neuen großzügigeren Werbezeiten in der EU-Richtlinie sind nämlich nur eine Kann-Vorschrift. Das bedeutet: Die Mitgliedstaaten können sie in ihr nationales Recht übernehmen, müssen dies aber nicht tun. Großbritannien habe die Verlängerung der Werbezeiten bereits klar abgelehnt, sagten EU-Diplomaten. Im Vereinigten Königreich wird es also bei den bisherigen strengeren Werbebeschränkungen bleiben.

Die Kommission begründet die Liberalisierung der Werbung mit der rasanten Entwicklung des Videomarktes im Internet. Es gebe viele neue Anbieter, auch solche ganz ohne Werbung. Der Zuschauer könne heute „leicht zu solchen alternativen Angeboten wechseln“, heißt es in dem Entwurf. Eine Flexibilisierung der Werbevorschriften sei daher kein Problem mehr.

Die EU-Richtlinie für audiovisuelle Dienste hieß früher einfach nur Fernsehrichtlinie. Den alten Namen gab die EU auf, weil die früher nur für das TV geltenden Vorschriften nun auf die vielen audiovisuellen Internet-Angebote ausgeweitet werden.

Das gilt zum Beispiel für Youtube, Daily Motion und ähnliche Video-Plattformen. Da sie ihre Inhalte nicht selbst redaktionell verantworten, sondern lediglich im Internet verbreiten, gab es für Youtube und Co. bislang überhaupt keine gesetzlichen Vorschriften. Das soll sich mit der neuen Richtlinie ändern. Youtube und ähnliche Plattformen werden verpflichtet, Beiträge, die Hassreden gegen Ausländer oder Grundrechte enthalten, aus ihrem Angebot zu entfernen. Außerdem soll Youtube so weit wie technisch möglich den im Fernsehen üblichen Jugendschutz sicherstellen.


Verhaltenskodex für Unternehmen

Die Unternehmen sollen sich selbst einen entsprechenden Verhaltenskodex geben. Die für audiovisuelle Medien zuständigen Behörden der EU-Staaten, in Deutschland zum Beispiel die Landesmedienanstalten, sollen anschließend kontrollieren, ob dieser Verhaltenskodex eingehalten wird. Ist dies nicht der Fall, dann können die Behörden eine Geldstrafe oder andere Sanktionen verhängen.

Die neue Richtlinie erlaubt es den EU-Staaten zudem ausdrücklich, ihre nationalen Film- und Fernsehindustrie im Kampf gegen die übermächtige US-Konkurrenz zu unterstützen. Die Mitgliedstaaten dürfen Netflix und anderen Video-on-demand-Firmen deshalb einige Vorschriften machen.

Beispielsweise müssen mindestens 20 Prozent der bei Netflix ausgestrahlten Filme aus europäischer Produktion stammen. Im klassischen Fernsehen gibt es bereits seit Jahrzehnten solch eine Quote – sie beträgt sogar 50 Prozent. Außerdem können EU-Staaten Netflix und ähnliche Anbieter für die heimische Filmindustrie zur Kasse bitten.

„Die Mitgliedstaaten dürfen den On-Demand-Diensten finanzielle Verpflichtungen auferlegen“, heißt es in dem Richtlinienentwurf. Entweder könnten sich die Internet-Firmen direkt an Produktionskosten oder am Rechteeinkauf beteiligen. Oder man könne sie verpflichten, eine Abgabe in den nationalen Filmfonds einzuzahlen.

Die EU-Staaten dürften dies auch dann tun, wenn sich der Sitz der jeweiligen Internetfirma im europäischen Ausland befinde, heißt es in dem Entwurf. Bedeutend ist das für Netflix. Das Unternehmen hat in Deutschland immer mehr Kunden, doch der Firmensitz befindet sich in den Niederlanden. Trotzdem muss Netflix in Deutschland bereits heute eine Abgabe für den nationalen Film zahlen. Ob dies rechtlich einwandfrei ist, war bislang allerdings unklar. Mit der neuen EU-Richtlinie wird nun eine Rechtsgrundlage für diese Abgabe geschaffen.

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