Fusion mit Alcatel-Lucent Das ist der neue Nokia-Konzern

Nokia wird über Nacht zum größten Netzwerkausrüster: Ab Donnerstag treten die Finnen gemeinsam mit Alcatel-Lucent auf. Der neue Mammutkonzern ist in guter Position – und hat doch einen schweren Weg vor sich.

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Nokia und Alcatel-Lucent: Ein neuer Gigant ist auf dem Fest- und Mobilfunkmarkt geboren Quelle: REUTERS

Auf dem Weltmarkt für internetbasierte Fest- und Mobilfunknetze entsteht ein Gigant: Nokia und der französische Alcatel-Lucent-Konzern treten ab Donnerstag als ein Unternehmen auf, der Name Alcatel-Lucent verschwindet.

Nokia ist dann in 140 Ländern präsent, beschäftigt mehr als 110.000 Mitarbeiter und rückt über Nacht mit einem Umsatz von mehr als 25 Milliarden Euro an die Spitze der Netzwerkausrüster, bei denen die Telekom-Konzerne die Technik für ihre Netze einkaufen.

Ein Traditionshandy kommt zurück
Nokia Quelle: dpa
Nokia Quelle: REUTERS
„Connecting people“ lautet der Slogan von Nokia. Und in der Tat hat das Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten Millionen von Menschen verbunden – früher mit den ersten, koffergroßen Telefonen für unterwegs, zwischendurch mit Bestsellern wie dem 5110, heute mit den Lumia-Smartphones. Auch wenn Nokia in den letzten Jahren an Marktanteil und Einfluss verloren hat und seine Gerätesparte nun an Microsoft verkauft: Der finnische Konzern hat die Mobilfunkbranche geprägt. Quelle: Presse
Mobira Senator1982 stellte Nokia sein erstes Mobiltelefon vor, das heute nicht besonders mobil wirkt: Das Modell Mobira Senator ließ sich mit einem Tragegriffs aus dem Auto heben. Zumindest wenn man kräftig zupackte, wog das Gerät doch knapp zehn Kilogramm. Nach wenigen Stunden musste es wieder aufgeladen werden. Damals war es indes eine Sensation. Quelle: Presse
MikroMikkoWenig bekannt: Nokia entwickelte bereits in den 1980er Jahren Computer, hier ein Gerät der vierten Generation. Anfang der 1990er Jahre verkaufte das Unternehmen die Sparte aber. Quelle: Presse
Nokia 1011Mit der Zeit wurden die Mobiltelefone immer kompakter – so auch das Nokia 1011, das Ende 1992 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Besonderheit: Es war das erste massentaugliche Gerät, das mit dem Mobilfunkstandard GSM lief. In den Speicher passten 99 Telefonnummern. Quelle: Presse
Nokia 5110Mit dem 5110 wurden die Nokia-Geräte massentauglich – dieses ab 1998 verkaufte Modell sah man überall auf der Straße. Die Vorteile: Es war relativ günstig, nahezu unverwüstlich und ließ sich mit Wechselschalen optisch aufwerten. Zudem hatte es als eines der ersten Handys das Spiel „Snake“ an Bord. Quelle: Presse

Festnetz und Mobilfunk wachsen immer stärker zusammen – und all die Hard- und Software, die für die Erweiterung und Beschleunigung von mobilen und leitungsgebundenen Infrastrukturen benötigt werden, kann Nokia ab sofort weltweit aus einer Hand liefern. Ob das klappt, hängt sehr stark davon ab, wie schnell die beiden Firmenkulturen zusammenwachsen.

Nokia und Alcatel-Lucent sind das ideale Paar

Auf dem Papier ergänzen sich die beiden Unternehmen perfekt. Nokia gehört zu den Pionieren bei den neuen Mobilfunknetzen der fünften Generation (kurz: 5G), die von 2018 an die Datenübertragung auf ein Gigabit pro Sekunde und mehr beschleunigen sowie die Reaktionszeiten beim Datentransfer auf eine Millisekunde drücken sollen. Alcatel-Lucent ist dagegen einer der Marktführer beim Bau der Datenautobahnen, die für den schnellen Datentransport zwischen den Haushalten und den Mobilfunkstationen um mehrere Überholspuren erweitert werden müssen.

Im Prinzip ist das die ideale Kombination, um den Siegeszug der beiden chinesischen Netzausrüster Huawei und ZTE zu bremsen. Die EU-Kommission und auch die deutsche Bundesregierung hoffen darauf, dass Europa seine Führungsrolle in diesem Marktsegment mit den starken Spielern Nokia und Ericsson verteidigen kann. Wenn es schon keine Betriebssysteme und Endgeräte aus Europa gibt, dann soll die „digitale Souveränität“ wenigstens an dieser Front erhalten bleiben.

Viel hängt deshalb davon ab, ob Nokia beim Bau von 5G-Netzen zusätzliche Kunden und Marktanteile gewinnen kann.

Deutschland spielt eine Schlüsselrolle für Nokia

Der Standort Deutschland spielt dabei schon historisch bedingt eine Schlüsselrolle. Nokias Netzwerksparte entstand vor knapp zehn Jahren aus dem Schulterschluss mit der Siemens-Netzwerksparte in München. Alcatel schluckte schon 1992 die Standard Elektrik Lorenz AG (SEL) mit Sitz in Stuttgart.

Gemeinsam beschäftigten Nokia und Alcatel-Lucent Ende 2015 rund 4650 Mitarbeiter in Deutschland. Deshalb ist München bei Nokia auch noch immer der größte Standort mit insgesamt 1600 Mitarbeitern. Dort ist bis heute die Zentrale für die Marktregion Europa angesiedelt.

Der Übernahme von Alcatel-Lucent durch den finnischen Konkurrenten Nokia steht nichts mehr im Weg. Knapp 80 Prozent der Alcatel-Aktionäre nehmen das Angebot der Finnen an. Schon bald treten beide Konzerne gemeinsam auf.

Ähnlich ist es bei Alcatel-Lucent: Stuttgart ist die Auslandsniederlassung für Deutschland, Österreich, Schweiz und einige südosteuropäische Märkte, in denen die Deutsche Telekom mit Tochtergesellschaften präsent ist. Dort sind derzeit knapp 1.100 Mitarbeiter beschäftigt.

Nokia will 900 Millionen Euro einsparen

Klar scheint, dass Nokia zentrale Managementfunktionen für den europäischen Markt zusammenstreichen und sich vielleicht sogar auf einen Standort konzentrieren wird. Sonst lassen sich die von Nokia-Chef Rajeev Suri versprochenen Kosteneinsparungen in Höhe von jährlich 900 Millionen Euro ab 2018 kaum realisieren. Entscheidungen, wie und wann das passiert, sind noch nicht gefallen.

Ob Konzernchef Satya Nadella die Handy-Sparte mittelfristig ganz dicht macht oder weiter zukauft, ist noch offen. Einstweilen will er das Smartphone-Portfolio zusammenstreichen – auf wohl nur noch drei Lumia-Modelle.
von Michael Kroker

Wichtiger ist, dass beide Konzerne in Deutschland bedeutende Forschungsstätten aufgebaut haben. Bei Nokia arbeiten nicht nur am Europa-Sitz in München mehrere Hundert Forscher an der Entwicklung der neuen 5G-Technik sowie Lösungen für autonomes Fahren. Auch in Ulm entstand ein Technology Center für 4G- und 5G-Techniken mit insgesamt 720 Mitarbeitern. Vor gut einem Jahr eröffnete Nokia außerdem in Berlin das „Nokia Security Center“. Die meisten der 190 Mitarbeiter in der Hauptstadt beschäftigen sich mit der Abwehr von Cyberangriffen auf mobile Geräte.

Auch Alcatel-Lucent hat einen Teil seiner F+E-Programme in Deutschland angesiedelt. In Stuttgart konzentriert sich eine Außenstelle der legendären Bell Labs mit insgesamt 150 Wissenschaftlern um die Entwicklung besonders kleiner Funkzellen, die künftig beim Betreiben von 5G-Netzen in Ballungszentren benötigt werden. Außerdem arbeitet am zweitgrößten deutschen Standort in Nürnberg mit 440 Mitarbeitern eine starke Forschungsabteilung, die noch schnellere optische Übertragungsverfahren entwickeln soll.

Die meist ganz in der Nähe der Großkunden - den Telekom-Konzernen - angesiedelten Vertriebs- und Service-Niederlassungen gibt es nur noch bei Nokia. In Bonn und Düsseldorf kümmern sich 470 Mitarbeiter vorwiegend um die Deutsche Telekom, Vodafone und die von Telefónica geschluckte E-Plus-Gruppe. An den Standorten Hamburg, Mannheim und Leipzig arbeiten noch kleinere Service-Büros mit 30 bis 60 Mitarbeitern.

Zumindest eine Sorge müssen sich diese Mitarbeiter nicht mehr machen: Mit Dumping-Angeboten greifen Huawei und ZTE nicht mehr oft an. Einige Preise erhöhten die Konkurrenten zuletzt sogar.

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