WirtschaftsWoche: Herr von Hammerstein, Kabel Deutschland profitiert wie nie zuvor vom Boom bei schnellen Internet-Anschlüssen. Immer mehr Haushalte wechseln zum deutlich schnelleren Kabelanschluss. Wie lange hält dieser Boom noch an?
Hammerstein: Die richtig guten Zeiten kommen erst noch. Unsere Mittelfristplanung geht davon aus, dass wir unser Wachstum in den kommenden Jahren noch beschleunigen können. Im Vergleich zu anderen Ländern haben wir in Deutschland einen großen Nachholbedarf bei der Vermarktung neuer Angebote über das TV-Kabel. Kabelgesellschaften im europäischen Ausland kommen auf deutlich höhere Marktanteile bei bezahlten Premium-Angeboten wie hochauflösendes Fernsehen und Videos auf Abruf sowie bei schnellen Internet-Anschlüssen. Das liegt an der späten Privatisierung des TV-Kabels in Deutschland, durch die wir erst vor ungefähr fünf Jahren ins Internet-Geschäft eingestiegen sind und uns jetzt in einer rasanten Aufholjagd befinden.
Sind Sie da nicht etwas zu optimistisch? Telekom-Chef René Obermann bläst gerade zum Gegenangriff und will Ihnen überall dort, wo es Kabel-TV gibt, mit einem verstärkten Ausbau von Glasfasernetzen Konkurrenz machen.
Mit der Glasfaser können wir gut mithalten. Deshalb gibt es für uns auch keinen Grund, unsere Prognosen zu revidieren. Die mit der derzeit eingesetzten Technologie physikalisch maximal mögliche Geschwindigkeit für die Datenübertragung über ein Koaxkabel liegt bei 5 Gigabit pro Sekunde. Mit dem Übertragungsstandard Docsis 3.0 könnten wir bis zu 400 Megabit pro Sekunde in die Haushalte unserer Kunden liefern. Und unser aktuelles Spitzenprodukt mit bis zu 100 Megabit pro Sekunde vermarkten wir heute bereits an rund zehn Millionen Haushalte.
Insofern sind wir in Deutschland für die Versorgung des Marktes mit superschnellen Breitbandanschlüssen bestens positioniert. Städte und Kommunen, in denen unsere TV-Kabel bereits liegen, brauchen in der Regel keine neuen Glasfasernetze, die erhebliche Investitionen erfordern. Aber die Bürgermeister wissen oft gar nicht, welcher Schatz mit dem TV-Kabel in der Erde liegt.
Die Schwachstellen der Telekom
Im traditionellen Festnetz könnte die Deutschen Telekom mit Abschalten der alten Analog- und ISDN-Netze und dem Umstellen auf die Internet-Technik 50 Prozent ihres Umsatzes bis 2016 einbüßen.
50 Prozent der Umsätze gehen der Deutschen Telekom bis 2014 beim hochprofitablen Versand von Kurzmitteilungen über internetfähige Smartphones an Startups wie Whatsapp verloren.
33 Prozent der Haushalte buchen bei der Deutschen Telekom Telefon, Internet und Fernsehen im Paket. Mit dem Verlust der Bundesligaübertragungsrechte geht LIGA total als Zugpferd verloren.
Ihr größter Konkurrent Telekom spricht von Kabel-Monopolen und -Privilegien, die abgeschafft und reguliert werden müssen, damit auch die DSL-Anbieter Zugang zu ihrer Infrastruktur bekommen. Bauen Sie ein neues Monopol auf?
Mit Verlaub, das ist doch lächerlich. Die Telekom hat einen Marktanteil von 45 Prozent im Breitbandmarkt. Die Kabelnetzbetreiber sind dagegen ein kleines Pflänzchen, das durch die späte Privatisierung des Kabels erst seit Kurzem wächst und gerade einmal einen Marktanteil von 14 Prozent erreicht hat. Wir bringen zum ersten Mal Infrastrukturwettbewerb in diesen jahrzehntelang von der Telekom dominierten Markt. Von dieser veränderten Wettbewerbssituation profitieren die Kunden ganz erheblich. Solch ein zartes Pflänzchen sollte man hegen und pflegen und nicht mit Regulierungsauflagen erdrücken.
"Wir nehmen das als Kompliment"
Die Bundesregierung fördert den Glasfaserausbau durch ihre Breitbandoffensive mit dem Ziel, dass bis 2014 drei Viertel aller Haushalte einen Internet-Anschluss mit einer Geschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde bekommen. Traut Berlin den Kabel-TV-Anbietern zu wenig zu?
Die Bundesregierung macht einen Fehler, wenn sie ausschließlich auf Glasfaser setzt. Denn den größten Beitrag zur Breitbandoffensive leisten die Kabelnetzbetreiber. In unserem Verbreitungsgebiet in 13 Bundesländern gibt es 22,3 Millionen Haushalte. Davon werden wir bis Ende 2013 rund 62 Prozent oder 13,7 Millionen Haushalte mit schnellem Internet versorgen können. Ohne den von uns initiierten Infrastrukturwettbewerb wäre die Bereitschaft der Telekom, in Glasfaser zu investieren, deutlich geringer.
Die Telekom hat die Gefahr offenbar erkannt und tritt bei den zum Verkauf stehenden Kabelbetreibern wie Telecolumbus und Primacom inzwischen als Bieter auf. Kommt die Rückkehr der Telekom ins TV-Kabelgeschäft für Sie überraschend?
Man könnte fast sagen, dass die Telekom vor neun Jahren das falsche Netz, nämlich das TV-Kabelnetz, verkauft hat. Aber im Ernst: Mich wundert die Rückkehr ins Kabelgeschäft nicht. Aus Sicht der Telekom ist das sinnvoll, eben weil es sich beim Kabel um eine moderne und zukunftsfähige Infrastruktur handelt. Wir nehmen das als Kompliment.
Die größte deutsche Wohnungsgesellschaft, die Deutsche Annington, wechselt gerade zur Telekom. Werden weitere Wohnungsgesellschaften folgen?
Wenn ein Unternehmen von der Größe der Telekom sich den Einstieg in solch einen Markt vornimmt, müssen wir das ernst nehmen. Aber wir sind mit unseren Produkten und auch vertrieblich sehr gut aufgestellt. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft auf unsere guten und langjährigen Beziehungen mit der Wohnungswirtschaft bauen können.
Den Mietern kann doch egal sein, ob sie Fernsehen und Internet von Ihnen oder von der Deutschen Telekom bekommen?
Da widerspreche ich energisch. Wechselt ein Wohnungsunternehmen zur Telekom, gibt es in den betroffenen Objekten eben keinen Infrastrukturwettbewerb mehr zugunsten des Kunden. In jedem Haus gibt es typischerweise zwei konkurrierende Infrastrukturen, die bis in die Wohnungen reichen: Telefon und das TV-Kabel. Der Telefondraht ist im Vergleich zu unserem Koaxkabel zwar deutlich leistungsschwächer, kann aber auch Telefon, Internet und Fernsehen übertragen.
Wenn Wohnungsgesellschaften uns kündigen und der Telekom den Betrieb des Koaxkabels übertragen, gibt es nicht mehr zwei Infrastrukturanbieter, zwischen denen der Mieter wählen kann. Ob das im Interesse der Wohnungsgesellschaften und der Mieter ist, wage ich zu bezweifeln.