Microsoft attackiert Apple und Amazon Die Kriegserklärung

Die alten Rivalen sind zurück. Sie tragen ihre Fehde aus wie nie zuvor. Microsoft greift Apple frontal im ureigensten Premium-Markt an. Und ein neuer Gegner bekommt ebenfalls die Kriegserklärung zugestellt: Amazon.

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Microsofts neue „Surface Studio“-Geräte sollen Ende März auf den Markt kommen. Quelle: AFP

New York Es ist ein Angriff, der mitten ins Herz zielt. Der superschlanke 28-Zoll-Bildschirm des neuen „Surface Studio“-PC von Microsoft lässt sich dank eines speziellen Gewichtsausgleichs in der Bodenstation mit einem Finger sanft von der Senkrechten bis fast in die Horizontale bewegen. Die Auflösung mit 4500 x 3000 Bildpunkten ist höher als bei einem 4K-Fernseher und kommt nach den Papierwerten bis auf einen Wimpernschlag an Apples Flaggschiff-PC, den 27-Zoll-iMac mit einer Bildschirm-Auflösung von 5000 Pixeln, heran. Wie der Vergleich der Farbechtheit aussieht, wird die Zukunft zeigen, wenn die „Surface Studio“-PCs Ende 2016 im Markt sind.

Neue Designsoftware wie Adobe CC oder Bluebeam sieht nicht mehr aus wie bisher. Vergessen sind tausende verschachtelte Photoshop-Untermenüs zum Anklicken. Ein Steuergerät, in Form eines Eishockey-Pucks auf dem Bildschirm oder auf dem Schreibtisch platziert, öffnet je nach Arbeitsanspruch einen passenden digitalen Kreis von Steuerbefehlen. Ein Strich mit dem hochpräzisen Stift (Pen) über den Berührungsbildschirm und gleichzeitiges Drehen am „Surface Dial“ produziert eine Linie mit kontinuierlich wechselnder Farbe.

Microsoft umgarnt mit dem 3000 Dollar teuren „Surface Studio“ die Designer in New York und Shanghai, die Animatoren in Hollywood und Tokio, die Ingenieure in Detroit oder Ingolstadt. Mit anderen Worten: Die Kernzielgruppe, die Apple noch verblieben ist.

Der Angriff kommt natürlich nicht zufällig gerade jetzt. Am Dienstag hatte Apple Quartalszahlen vorgelegt, die von der Börse mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurden. Die Aktie brach am Mittwoch um 2,25 Prozent ein. Wo sind die Innovationen, lautete die Frage an Tim Cook.

Für den Donnerstag hat Apple eine Veranstaltung angesetzt, bei der es um Updates für die MacBook-Laptops gehen wird. Laut KGI-Analyst Ming-Chi Kuo sind aber keine Updates für die 21- und 27-Zoll-iMacs vorgesehen. Der Analyst erwartet sie erst im März oder April 2017.

Das ist die Lücke, in die Microsoft-Chef Satya Nadella hineinstößt. PCs stellten im abgelaufenen Quartal die problematischste Produktgruppe für Apple dar, mit Absätzen weit unter den Erwartungen. Doch Apples Computer liefern immer noch zehn Prozent des Jahresumsatzes und brauchen deshalb dringend eine Auffrischung.

Nadella hat nun die Messlatte für Tim Cook extrem hoch gelegt. Ein schnellerer Prozessor und ein paar kleine Features wird der Apple-Chef jetzt nicht mehr mit dem üblichen „Ist das nicht unglaublich?“ ankündigen können.

Auch das bei Kritikern hoch gelobte „Surface Book“ von Microsoft erhält ein Upgrade. Der Business-Laptop mit abnehmbarem Bildschirm, laut Hardware-Chef Panos Panay das Gerät mit der besten Kundenbewertung aller Windows-Geräte und besserer als Apples MacBook, bekommt einen stärkeren Intel i7-Prozesser, 16 statt zwölf Stunden Batterielaufzeit und verdoppelter Grafikleistung. Dafür kosten das Gerät jetzt 2400 Dollar aufwärts.

Microsoft hat einen guten Lauf. Erst vergangene Woche hat die Aktie zum ersten Mal seit 1999 ein neues Rekordhoch erreicht. Die Diversifizierung der einstigen Windows-Firma beschleunigt sich zusehends. Das Abenteuer Nokia ist abgeschrieben. Cloud-Computing und Software aus der Cloud, so wie das „Office 365“, gewinnen an Bedeutung. Künstliche Intelligenz und das lernende Maschinen sind Wachstumsfelder.


„Windows“ als Anlaufpunkt für Kreative und Gestalter

Einen neuen Anstrich bekommt auch das Miscrosoft-Betriebssystem „Windows“. Während das „Jahrestags-Update“ keine wirklich drastischen Änderungen brachte, wartet das „Creators-Update“ im Frühjahr 2017 mit erheblichen Neuerungen auf: Zum einen der Angriff auf die Kreativ-Industrie. Zum anderen die Aufwertung von 3D-, Holografie- und Gaming-Systemen: Zusammen mit Partnern wie HP, Dell oder Lenovo entsteht eine preisgünstige Serie von VR-Brillen.

Das alte Windows „Paint“, bekannt aus den Urtagen von Windows, feiert als „Paint 3D“ eine Wiederauferstehung. Minecraft-Fans können beispielsweise ihre Objekte direkt in das Programm laden und auf einem 3D-Drucker zum Leben erwecken. In New York reichte ein einfaches Windows-Smartphone aus, um in einer Demonstration eine Sandburg mit der Kamera von allen Seiten aufzunehmen und als dreidimensionales Objekt in Windows zu übertragen. Microsoft hat den klaren Anspruch, sich als führende 3D- und Hologramm-Plattform zu etablieren. 3D soll bald auch Bestandteil von PowerPoint-Präsentationen werden.

Mit dem Siegeszug von „eSports“ bekommt Windows 10 die Funktionalität integriert, Videospiele live ins Internet zu übertragen. Partner dabei ist Beam. Das ist ein klarer Angriff auf den Gaming-Sender Twitch.tv, von Amazon.com gerade erst für eine Milliarde Dollar übernommen. Windows-10-Nutzer können mit ihrer Xbox-Game-Bar sogar in der Cloud eigene Tourniere mit Freunden ausrichten, ohne auf andere Apps angewiesen zu sein.

Den ewigen Wirrwarr mit zahlreichen Kanälen wie SMS, E-Mail, Skype, WhatsApp oder anderen Diensten will ein kleiner Knopf auf dem Desktop beenden: Er bündelt alle Formen der Kommunikation an einem zentralen Punkt.

Satya Nadella muss Apple die Krone des Innovators entreißen und seinen mehr als eine Milliarde Nutzern klarmachen, dass „Windows“ mehr ist als nur ein Betriebssystem ist, um Bürosoftware zum Laufen zu bringen. „Windows“ muss der zentrale Anlaufpunkt für Kreative und Gestalter im 21. Jahrhundert werden. „Die vergangenen zehn Jahre waren geprägt vom Konsumieren“, fasst Nadella den Trend in der Industrie zusammen und meint damit auch den Hype um Apples Produkte wie dem iPad und dem iPhone. „Die kommenden zehn werden geprägt sein vom Erschaffen.“

Wie weit er damit kommen wird, ist unklar. Der neue PC „Surface Studio“ wird „in limitierten Stückzahlen“ ab Weihnachten ausgeliefert werden. Wer dabei sein will, muss schnell vorbestellen. Das Studio wird sogar in jeder Version ganz erheblich teurer als die konkurrierenden iMacs sein. Die extreme Hochpreispolitik verhindert eine direkte Konkurrenzsituation mit Partnern wie Lenovo oder Dell. Sie kann allerdings auch als Ausdruck des neuen Selbstbewusstseins gewertet werden. Wer es billig will, der soll doch Apple kaufen.

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