Pro Sieben Sat 1 Aufstiegsfeier mit leisen Zweifeln

Er herrschte Jubelstimmung auf der ersten Hauptversammlung von Pro Sieben Sat 1seit dem Aufstieg in den Dax: Die Aktionäre sind hoch zufrieden mit dem Medienkonzern. Doch der schwache Kursverlauf stört die Investoren.

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Zwei Drittel des Umsatzes erwirtschaftet der Konzern nach wie vor mit dem klassischen Fernsehen in Deutschland. Quelle: dpa

München Sind es nur die schmackhaften Weißwürste im traditionsreichen Paulaner-Gasthof auf dem Münchener Nockherberg? Oder ist es vielmehr der Aufstieg in den Dax, der an diesem Donnerstag wesentlich mehr Aktionäre als im vergangenen Jahr zur Hauptversammlung von Pro Sieben Sat 1 gelockt hat?

Tatsache ist: Die Anteilseigner sind hoch zufrieden mit dem Münchener Medienkonzern. „Das ist ein grundsolides Unternehmen, das es geschafft hat, sein Geschäftsmodell an die neuen Gegebenheiten anzupassen“, betonte Felix Schneider von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. „Wir Aktionäre können zufrieden sein“, fand auch Daniela Bergdolt, die Vertreterin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

So viel Lob ist selten auf einer Hauptversammlung eines Dax-Konzerns. Entsprechend entspannt gab sich Vorstandschef Thomas Ebeling: „Dass wir jetzt im Dax sind und damit zur ersten Liga in Deutschland gehören, ist ein schönes Kompliment für uns“, rief der Manager den Anteilseignern zu. Er versprach aber auch: Das sei vor allem Ansporn, die Ziele noch ehrgeiziger zu verfolgen.

Ende März ist Pro Sieben Sat 1 in die oberste Liga der börsennotierten Unternehmen hierzulande eingezogen; als vorläufiger Höhepunkt eines langjährigen Aufschwungs und eines kräftigen Wandels. Zwei Drittel vom Umsatz von zuletzt 3,26 Milliarden Euro erwirtschaftet der Konzern zwar nach wie vor mit dem klassischen Fernsehen in Deutschland. Ein Drittel der Erlöse stammte vergangenes Jahr jedoch bereits aus jungen Geschäftsfeldern, die alles in allem gut eine Milliarde Euro erwirtschaften. Davon wiederum entfallen rund drei Viertel auf die Internetsparte, ein Viertel steuert die Filmproduktion bei.

Das angestammte Geschäft mit den vor allem durch Werbung finanzierten deutschen TV-Sendern läuft stabil. Das Umsatzplus 2015 von gut vier Prozent auf 2,152 Milliarden Euro ist ordentlich und entspricht in etwa dem Wachstum des großen Rivalen RTL aus Köln.

Richtig dynamisch hingegen bewegen sich die jungen Divisionen. Der Umsatz der zweitgrößten Konzernsparte, Digital & Adjacent, kletterte 2015 um fast 40 Prozent auf 846 Millionen Euro. In diesen Bereich fallen hauptsächlich die Onlinespiele, die Videoplattform Maxdome und der Internethandel. Um annähernd 30 Prozent auf rund 262 Millionen Euro stiegen vergangenes Jahr die Erlöse in der Filmproduktion, der mit Abstand kleinsten Division.


Bei den Aktionären bleiben Zweifel

Dass die neuen Geschäftsbereiche so stark zulegen, liegt auch an den vielen Übernahmen. Allerdings muss Pro Sieben nicht immer Geld in die Hand nehmen, um Anteile von Start-ups zu ergattern. Lange vor den Konkurrenten in der deutschen Medienbranche hat Vorstandschef Ebeling das Modell Werbezeiten gegen Unternehmensbeteiligungen eingesetzt. Rückblickend eine geniale Entscheidung, denn so konnte er sich günstig ein gewaltiges Portfolio an jungen Firmen zulegen.

Doch Ebeling kauft auch in großem Stil zu und hat dafür 2015 mehr als eine halbe Milliarde Euro in die Hand genommen. Die größten Einkäufe des Managers, der einst in Diensten von Pepsi und Reemtsma stand: Für 235 Millionen Euro schluckte er das schwedische Reiseportal Etraveli und für mehr als 170 Millionen die Tarif-Vergleichsseite Verivox.

Solche Akquisitionen sorgen dafür, dass der Gewinn längst nicht so stark zulegt wie der Umsatz. So ist der Überschuss vergangenes Jahr lediglich um knapp zwölf Prozent auf rund 396 Millionen Euro gestiegen. Im Einklang damit erhöht sich auch die Dividende. Pro Sieben Sat 1 schüttet dieses Jahr 1,8 Euro je Aktie aus, ein Plus von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die Anleger freuen sich über die dynamische Entwicklung, haben aber auch ihre Zweifel. „Das Wachstum ist beachtlich, aber kommen Sie mit der Überwachung der vielen Firmen hin?“, wollte DSW-Vertreterin Bergdolt wissen. „Sind Sie mutig, oder werden Sie übermütig?“, stichelte Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung institutionelle Privatanleger.

Was die Anteilseigner am meisten stört ist die schwache Kursentwicklung dieses Jahr. Seit Jahresbeginn haben die Papiere 17 Prozent an Wert verloren. Im Vergleich zum Allzeithoch im vergangenen Herbst beträgt das Minus sogar fast ein Viertel. Der Dax hat demgegenüber seit Jahresbeginn nur zehn Prozent eingebüßt. Es frage sich, ob Ebeling die Wachstumsstory richtig bei den Investoren vermittle, gab Bergdolt zu bedenken.

Vorstandschef Ebeling verteidigte in seiner Rede vor den Aktionären den strammen Expansionskurs. „Wir stehen im direkten Wettbewerb mit globalen und äußerst finanzstarken Plattformbetreibern wie Amazon, Google, Facebook oder Netflix.“ Seine Strategie sei ebenso einfach wie erfolgsträchtig: „Wir müssen weitere Geschäfte identifizieren, die im Zusammenspiel mit unseren TV-Sendern hervorragend funktionieren.“ Die über Jahrzehnte etablierten Fernsehstationen seien der große Vorteil den Angreifern gegenüber. Das heißt: Wenn Pro Sieben Sat 1 ein neues Angebot bekannt machen will, werden die Zuschauer in allen Kanälen mit TV-Spots bombardiert.


Ebeling verspricht weiter kräftiges Wachstum

Dass das klappt, habe der Kauf des Internet-Vergleichsportals Verivox im vergangenen Jahr gezeigt, meinte Ebeling. Mit massiver TV-Werbung im ersten Quartal seien die Umsätze des Online-Unternehmens um fast 40 Prozent in die Höhe geschossen.

Pro Sieben Sat1 werde auch künftig auf Einkaufstour gehen, so Ebeling. „Wenn sich die Möglichkeit bietet, die Bereiche E-Commerce, Digital Entertainment, Werbetechnologie oder das internationale Produktionsgeschäft durch Zukäufe auszubauen, werden wir investieren.“

Ebeling verspricht daher auch weiter kräftiges Wachstum. Der Umsatz werde dieses Jahr um mindestens zehn Prozent klettern, der Gewinn soll über dem von 2015 liegen. Und: Bis Ende 2018 sollen die Erlöse auf rund 4,2 Milliarden Euro steigen, also etwa eine Milliarde mehr als vergangenes Jahr.

Der Brexit werde Pro Sieben Sat 1 übrigens nicht schaden. Zwar gehörten einige Produktionsfirmen in Großbritannien zum Konzern. Aber: „Wir sehen kein konkretes Risiko für Pro Sieben Sat 1, da der Anteil des britischen Geschäfts am Konzernumsatz sehr klein ist“, so Eberling. Allerdings könne es sein, dass das Unternehmen unter einer wirtschaftlichen Abkühlung in Europa leide.

Doch langfristig werde selbst ein Konjunktureinbruch die Medienfirma nicht bremsen. Ebeling hat kühne Visionen: „Wenn irgendwann das erste selbstfahrende Auto über Deutschlands Straßen rollt, müssen Produkte von Pro Sieben Sat 1 zum Entertainment-Paket dieses Fahrzeugs gehören.“

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