Silicon Valley Und dann fiel Mark Zuckerberg beinahe in Ohnmacht

Meta-CEO Mark Zuckerberg ist heutzutage geschult im Umgang mit Medien. Das war nicht immer so.

Für Autoren ist es schwer, Enthüllungsbücher über das Silicon Valley zu verfassen – die mächtigen Tech-Bosse versuchen, alles zu kontrollieren, was über sie veröffentlicht wird. Manches dringt dann aber doch durch.

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Wenn man Michael Moritz, einen ehemaligen Journalisten und prominenten Tech-Investor, fragt, welches Buch man lesen sollte, um das Silicon Valley zu verstehen, empfiehlt er immer zwei. „Es geht nicht um das Silicon Valley, aber sie haben viel mit dem Silicon Valley zu tun“, sagt er.

Eines davon ist „The Studio“ (1969) von John Gregory Dunne, einem amerikanischen Schriftsteller, der ein Jahr bei 20th Century Fox verbrachte, um zu beobachten, wie Filme gedreht werden, und wie Führungskräfte versuchen, Kreativität und Profitstreben in Einklang zu bringen. Das andere Buch, „Swimming Across“ (2001), sind die Erinnerungen von Andy Grove, dem ehemaligen Chef des Chipherstellers Intel. Darin beschreibt er, wie er den Holocaust überlebte. Das Werk führt uns vor Augen, wie die Widrigkeiten des Lebens in Menschen Mut hervorrufen können – und den braucht jeder Unternehmer.

Dass Moritz kein Buch über das Tech-Business vorschlägt, spricht Bände. Das Silicon Valley hat einige der gewaltigsten Unternehmen der Welt hervorgebracht, aber es hat kaum literarische Werke inspiriert, die viele Jahre überdauert hätten. Im Gegensatz dazu beansprucht die Wall Street einen kleinen Kanon, der den Test der Zeit bestanden hat, von Chroniken von Kernschmelzen („Too Big to Fail“) über die Gier der Konzerne („Barbarians at the Gate“) bis hin zu einem fiktionalisierten Bericht („Fegefeuer der Eitelkeiten“), der den Begriff „Masters of the Universe“ populär machte.

Warum nichts über die Herren des Silicon Valley? Ein Teil des Problems ist der Zugang – wie es oft der Fall ist, wenn man über die Mächtigen schreibt. Tech-Manager mögen sich mal beim Burning-Man-Festival öffentlich gehen lassen, doch ihre PR-Leute schulen sie akribisch darin, sich niemals Autoren zu sehr zu öffnen. Das ist schon seit einiger Zeit so. Als John Battelle das Buch „The Search“ über die Internet-Suche schrieb (2005), bat er über ein Jahr lang um ein Interview mit dem Mitbegründer von Google, Larry Page. Die Firma versuchte, ihm Bedingungen aufzuerlegen, wie zum Beispiel das Recht, das Manuskript vor Veröffentlichung zu lesen und jeder Erwähnung von Google eine Fußnote und eine mögliche Widerlegung hinzuzufügen. Battelle lehnte ab. Und Google gewährte das Interview am Ende trotzdem.

Journalisten, denen es gelingt, sich Zugang zu verschaffen, können das Gefühl entwickeln, dass sie einem Unternehmen und seinen Führungskräften etwas schulden, und schreiben dann im Gegenzug sanftmütige und wohlwollende Berichte, anstatt eindringliche Prosa zu verfassen. Oder es gelingt ihnen nicht, sich Zugang zu verschaffen – oder sie versuchen es gar nicht erst – und schreiben ihr Buch aus der Ferne, ohne die Einblicke eines Insiders.

Valley-Lektüre: „Filterworld“ und „Burn Book“

Zwei neue Bücher zeigen, wie schwer es ist, interessant über das Silicon Valley zu schreiben. „Filterworld“ ist der Bericht eines Außenstehenden über die Auswirkungen des Valleys, der sich liest, als wäre er vollständig in einem Café in Brooklyn recherchiert und geschrieben worden. Das Buch beklagt, dass unsere Kultur immer gleichförmiger werde, und beschuldigt die Algorithmen des Silicon Valley, „das technologische Gespenst, das unsere Ära heimsucht“.

Das ist die typische, heute so verbreitete technologiefeindliche Tirade. Sie ist nicht falsch, aber auch nicht erhellend. Kyle Chayka, der Autor, der als Journalist für den „New Yorker“ arbeitet, bringt die Spannung zwischen der kulturellen „Gleichförmigkeit“, die er anprangert, und der Personalisierung, die jeder erfährt, nie in Einklang, wobei Online-Nutzer doch individuelle Feeds besitzen und in getrennten Informationsblasen leben. Das ist auch kein völlig neues Phänomen. Die Menschen beklagten sich seit Beginn der „aufgezeichneten Zivilisation“ darüber, dass die Globalisierung die lokale Kultur aushöhle, räumt der Autor ein. Im Jahr 1890 beklagte Gabriel Tarde, ein französischer Soziologe, die „anhaltende Gleichförmigkeit von Hotelkost und Service, von Haushaltsmöbeln, Kleidung und Schmuck, von Theateranzeigen und den Bänden in den Schaufenstern“, die sich mit den Personenzügen ausbreiteten.

„Burn Book“ ist eine bessere, wenn auch unvollkommene Lektüre. Kara Swisher, eine erfahrene Chronistin des Silicon Valley, ist sowohl eine Insiderin als auch eine Außenseiterin. Sie hat an Babypartys für den Nachwuchs von Tech-Milliardären teilgenommen und sogar die Google-Spitze mal zu einer Übernachtung in der Wohnung ihrer Mutter eingeladen. Aber sie hat eine Abneigung gegen die Narzissten des Silicon Valley, die nur zu gerne für die Ideen anderer die Lorbeeren für sich beanspruchen.

In unterhaltsamen Details lässt sie sich über die Techies aus, die zu Größen der Branche geworden sind, wie etwa den Gründer von Facebook: „Mark Zuckerberg lief der Schweiß über sein käsiges und rundes Gesicht, und ich fragte mich, ob er wohl direkt zu meinen Füßen umkippen würde.“ Das war im Jahr 2010, bevor Zuckerberg ausgiebig Medientrainings durchlaufen hatte. Ähnlich wie Truman Capote es verstand, die Gockel der New Yorker Gesellschaft zu zeichnen, genießt Swisher es, einige ihrer Protagonisten aufzuspießen, um die Leser zum Schmunzeln zu bringen, wie den Medienmogul Rupert Murdoch („Onkel Satan“) und Jeff Bezos von Amazon (der „ein wirklich ansteckendes, manisches Lachen“ hat).

Swisher hat nicht Capotes Elan, aber ihr Buch gelingt dort, wo viele scheitern, weil sie es versteht, die Beziehung zwischen dem Autor und dem Gegenstand des Interesses zu erforschen. Indem sie ihre Interaktionen mit Tech-Bossen über drei Jahrzehnte hinweg detailliert beschreibt, zeigt sie, wie die Branche heimlichtuerischer und zerstörerischer wurde, weniger frei und lustig.

Während Kara Swisher ihre Erinnerungen dafür nutzt, um der Branche einen Spiegel vorzuhalten, tut sie das aber nur für begrenzte Zeit. Denn nachdem sie für die „Washington Post“, das „Wall Street Journal“ und ihr eigenes Unternehmen Recode im Valley tätig war, zog sie in den „Sumpf“ – nach Washington, D.C. Sie räumt ein, dass sie „zu sehr zu einem Geschöpf des Ortes geworden war“ und „auf eine Art und Weise Teil der Szene geworden war, die sich nicht gut anfühlte“.

Dennoch widmet sie sich schließlich nicht den komplizierteren Aspekten der Berichterstattung über das Valley, etwa dem schmalen Grat zwischen Quelle, Freund und Berater; und sie beschreibt auch nicht, wie sie über die Branche berichtete, als ihre damalige Frau eine Google-Managerin war. Trotz ihrer journalistischen Härte war es in Wirklichkeit so, dass Swisher viele ihrer Protagonisten nicht journalistisch ausbeuten konnte, weil sie darauf angewiesen war, dass diese ihre Einladungen zu Tagungen von Recode, die zeitweilig eine ihrer Haupteinnahmequellen waren, und in ihren Podcast annahmen. Sie war nicht nur „Teil der Szene“ – sie spielte eine Hauptrolle.

Die Geschwindigkeit des Silicon Valley

Natürlich sind Journalisten nicht die einzigen, die mit persönlichen Konflikten zu kämpfen haben, welche sich darauf auswirken, wie und was sie über Technik schreiben. Zu viele im Valley versuchen, mit Büchern ihre persönliche Marke zu stärken. Das erklärt auch, warum sich so viele Risikokapitalgeber an das Schreiben von Büchern herangewagt haben. Das beste von ihnen ist „Zero to One“ (2014) von Peter Thiel, dem frühen Facebook-Investor, und Blake Masters, einem Studenten, der einen Kurs bei Thiel in Stanford besucht hat. Allerdings ist der hier in seltener Offenheit beschriebene Aufbau eines Monopols, vermutlich etwas, das Thiel und seine Kollegen inzwischen bedauern, wenn man bedenkt, dass das Silicon Valley seitdem intensiv von den Regulierungsbehörden unter die Lupe genommen wird. Monopole sind heutzutage nicht mehr so en vogue.

Doch die einfachste Erklärung dafür, warum Bücher über das Silicon Valley so selten ins Schwarze treffen, ist wohl die naheliegendste: das Timing. Das Schneckentempo der Recherche und Veröffentlichung passt schlecht zur Geschwindigkeit des Silicon Valley. Die heutige dringende Buchidee ist die altbackene Idee des nächsten Jahres. Innovationszyklen und die Zukunft von Unternehmen ändern sich oft zu schnell.

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Dieser Artikel entstammt der Seite Economist.com. Er wurde übersetzt von Sebastian Lange und unter Lizenz publiziert. Der Originalartikel auf Englisch ist hier zu finden: Why is it so hard to write a good book about the tech world?

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