Marco Fuchs im Interview "Wir sind zu klein"

Der Bremer Satellitenbauer OHB wollte von Airbus Werke kaufen. Doch daraus wurde nichts. Firmenchef Marco Fuchs erklärt, was er als Nächstes vorhat.

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Marco Fuchs, Firmenschef des Satellitenbauers OHB Quelle: Pressefoto

WirtschaftsWoche: Herr Fuchs, bis vor Kurzem waren Sie als einziger Bieter für die hiesigen Werke des Flugzeugbauers Airbus ein Star der deutschen Wirtschaft. Doch die Übernahme platzte. Träumen Sie noch schlecht oder haben Sie das gut verkraftet?

Fuchs: Bestens. Das war wirklich kein Rückschlag – allerdings ist natürlich schon noch ein bisschen Wehmut dabei.

Kein Wunder – die Werke sollten ein wesentlicher Teil Ihrer Zukunft werden.

Das ist richtig, aber wir sind auch ohne sie erfolgreich. 2007 hatten wir ein sehr gutes Jahr, und das laufende Jahr wird noch besser. Wir streben einen Umsatz von 290 Millionen Euro und ein Ebit von 23 Millionen an. Unser Unternehmen in Bremen hat bereits eine Marge von zehn Prozent, und beim Rest sind wir auf Kurs. Das ist entscheidender als das Airbus-Thema.

Woran ist der Kauf gescheitert?

Das Geschäft war am Ende zu den Bedingungen, die wir hätten akzeptieren müssen, für uns schlicht nicht mehr attraktiv.

Das klingt nach einem Abschied im Streit.

Nein, keineswegs. Wir haben schon Verständnis dafür, dass Airbus unser Angebot nicht akzeptieren konnte, genauso, wie wir deren Angebot nicht akzeptieren konnten.

Wo konnten Sie sich denn nicht einig werden?

Bis zum Ende blieb das neue Großraumflugzeug A350, das noch in der Entwicklung steckt und ab 2012 ausgeliefert werden soll, für uns als industriellen Investor und erst recht für die Finanzpartner ein Fragezeichen. Wir wussten nicht genau, wie er technisch aussieht und vor allem, wie aus ihm ein Geschäftsmodell wird, das Investoren finanzieren können.

Der A350 verkauft sich doch bislang bestens.

Aus Sicht der Airlines ist das sicher ein gutes Flugzeug. Aber Investoren haben einen anderen Blick. Nach den Problemen des Airbus A380 und der Boeing 787 glauben alle, jedes neues Flugzeugmodell habe signifikante Verspätungen bei der Auslieferung und hohe Mehrkosten in der Entwicklung. Und das gefährdet jeden Business-Plan. Zudem hat sich das wirtschaftliche Umfeld grundlegend geändert seit unserem ersten Angebot im vergangenen Sommer. So will Airbus Zulieferungen aus den Werken in US-Dollar abrechnen – doch der Dollar-Kurs ist seit Ende vorigen Jahres um rund 20 Prozent gefallen. Da hätten wir viel mehr Eigenkapital einsetzen müssen. Und das war nicht möglich.

Hätten Sie mit Airbus nicht neue Bedingungen aushandeln können?

Sicher. Aber wir hatten den Eindruck, dass Airbus mittlerweile eine andere Einstellung gegenüber einem Werksverkauf hatte.

Heißt das, Airbus wollte die Werke gar nicht mehr verkaufen?

Das kann ich nicht beurteilen. Aber wir haben Airbus zuletzt selbstbewusster erlebt als am Anfang. Sie bekamen die Probleme mit dem A380 in den Griff, und dann haben sie in den USA den Auftrag zum Bau von Militärtankflugzeugen gewonnen. Als dann Boeing die Auslieferung ihres Zukunftsmodells 787 mehrfach verschieben musste, wurde klar, dass der Verkauf der Flugzeugwerke keine Erfolgsgarantie ist. Boeing hat ja einen Teil der Werke wieder zurückgekauft, um die Kontrolle zurückzubekommen. Wir hatten den Eindruck, da haben auch bei Airbus immer mehr Leute Bedenken bekommen bei der Aussicht, große Teile der Fertigung und der Entwicklung auszulagern.

Nachdem die Verhandlungen mit Ihnen gescheitert sind, will nun die Airbus-Mutter EADS die deutschen Werke übernehmen. Aber die Fabriken in Großbritannien und Frankreich sollen weiterhin verkauft werden. Was ist denn da anders als in Deutschland?

Der deutsche Verbund ist größer, und bei den französischen Werken wird man sehen, wie die Sache weitergeht.

In Frankreich wollen Airbus und EADS an den Werken beteiligt bleiben. Zudem hilft eine staatliche Bank bei der Finanzierung. Wäre das nicht auch eine Lösung für Sie gewesen?

Nein. Wir haben eine Beteiligung des Staats stets abgelehnt. Das führt zu starken Abhängigkeiten. Das mag in Frankreich gehen, wo der Staat in aus seiner Sicht strategischen Branchen aktiv sein will. In Deutschland geht so etwas nicht.

Marco Fuchs, Firmenschef des Satellitenbauers OHB Quelle: Pressefoto

Was wird jetzt aus Ihrem Luftfahrtgeschäft ohne die Airbus-Werke?

Wir sind gegenwärtig mit unseren Aktivitäten bei der MT-Aerospace zu klein und wollen zukaufen. Wir wollen schon ein größerer Akteur werden. Doch momentan gibt es nichts Konkretes.

Wachstumschancen bietet vor allem die Raumfahrt – die EU schreibt die Aufträge für die noch fehlenden Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo neu aus. Ist das eine Chance für Sie?

Ja. Bisher hat der Rahmenkonsortialvertrag der EADS-Tochter Astrium mit Thales einen Wettbewerb ja praktisch ausgeschaltet, weil beide das Projekt ohne Ausschreibung bekommen sollten. Nun sind wir die Alternative.

Sie wollen also ein eigenes Angebot vorlegen?

Ja, für alle 26 Satelliten und auch mögliche Einzeltranchen.

Haben Sie überhaupt eine Chance gegen die Großen?

Ja, denn wir können einen sehr attraktiven Preis bieten. Jetzt gibt es einen europaweiten Wettbewerb nach EU-Vergaberecht, beaufsichtigt von der europäischen Raumfahrt-Agentur ESA. Die sorgt für Konkurrenz. Damit will sie ein Szenario wie beim Transrapid verhindern, wo jahrelang nur geredet wurde und am Ende die Industrie als Monopolist den Preis verdoppelt hat.

Und wenn Sie den Zuschlag nicht bekommen?

Dann haben wir durch unser Konkurrenzangebot wenigstens den europäischen Steuerzahlern viel Geld gespart.

Zu Ihrem Konsortium gehört die britische Satelliten-Firma SSTL, die aber gerade ausgerechnet von Ihrem Hauptkonkurrenten, der EADS-Raumfahrttochter Astrium, geschluckt worden ist. Verlieren Sie damit nicht Ihren Partner?

Die Übernahme ist schon bemerkenswert. Wir hören sowohl von SSTL selbst als auch von Astrium, dass SSTL autonom bleibt und weiter mit uns arbeiten kann. Solange das der Fall ist, werden wir jedenfalls kein wettbewerbsrechtliches Verfahren starten. Aber wir sind natürlich nicht naiv und werden das genau beobachten.

Warum haben Sie nicht selbst gekauft?

Das war so teuer, dass es sich zu unseren Grundrechenarten nicht gelohnt hätte.

Was tun Sie, wenn SSTL doch aus dem Konsortium aussteigt?

Der Arbeitsanteil der SSTL ist technisch anspruchsvoll, aber nicht unersetzbar.

Wer gehört noch zu Ihrem Konsortium?

Kann ich Ihnen nicht sagen. Sonst werden die am Ende auch weggekauft (lacht).

Galileo hat heute fünf Jahre Verspätung. Kann das Programm trotz der Neuausschreibung wie geplant 2013 in Betrieb gehen?

Ja, wenn die Auftragsvergabe noch 2008 erfolgt. Es wird allerdings sportlich.

Sie arbeiten sehr oft mit Thales zusammen. Sind Sie eine Art U-Boot der Franzosen?

(lacht) Nein, wir kooperieren bei verschiedenen Projekten, teilweise weil wir schon früher mit Raumfahrtfirmen kooperierten, die wie Alenia und Alcatel jetzt zu Thales gehören oder mit denen eine Partnerschaft haben. Das ist nur natürlich, denn im Satellitengeschäft teilt sich die Welt weitgehend zwischen Thales und Astrium. Aber wir arbeiten auch gerne mit Astrium zusammen. Zum Beispiel bei der Ariane-5-Weltraumrakete oder bei nationalen Projekten für die Bundeswehr oder die Deutsche Raumfahrtagentur DLR. Übrigens stehen wir auch mit Thales of in hartem Wettbewerb, zurzeit ist das gerade bei Satellitenausschreibungen in der Türkei und Kasachstan der Fall.

Reicht das Raumfahrtgeschäft, um auf Dauer zu wachsen?

Ja, der Raumfahrt geht es zurzeit sehr gut. Wir arbeiten an dem ARTES-11 genannten Projekt eines neuen Telekommunikationssatelliten. Außerdem haben wir gute Aussichten beim nächsten Paket der Ariane 5. Beides sollte in diesem Sommer kommen. Doch wir schauen uns auch nach Akquisitionen um.

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