Digitalisierung Die schwierige Suche nach der neuen Balance

Die Digitalisierung ist längst auch im Mittelstand angekommen. Wo noch vor kurzem ein Zögern war, ist jetzt zumindest eine Annäherung spürbar. Zumal Unternehmern die größte Angst genommen wurde.

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Führend in Sachen Digitalisierung ist Experten zufolge Deutschlands größte Fluggesellschaft. Quelle: AP

Frankfurt Ausgerechnet die Lufthansa, wird jetzt vielleicht mancher sagen. Doch geht es um ein Paradebeispiel für den gelungenen Wandel beim Thema Digitalisierung, dann führen Experten gerne Deutschlands größte Fluggesellschaft an. Weil die Veränderung dort die meisten Menschen direkt miterlebt haben. Sie erinnern sich leidvoll an die langen Schlangen vor den Schaltern, ehe die ersten Automaten den Prozess des Eincheckens rapide beschleunigten. Heute ist das Online-Einchecken per Smartphone und App allgegenwärtig. Die Bordkarte ist auf dem Display.

„Es reicht nicht mehr, ein Erfolgsmodell zu entwickeln und dann darauf zu bauen“, sagt Jürgen Meffert von der Unternehmensberatung McKinsey. Vielmehr sei der Lebenszyklus eines Geschäftsmodells von 15 auf fünf Jahre geschmolzen. Daraus müssen auch Mittelständler die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Rund 4000 von ihnen hat TNS Infratest im Auftrag der Commerzbank im vergangenen halben Jahr zum Thema Digitalisierung befragt. Es ging um Chancen und Herausforderungen, aber auch um Ängste und Unsicherheit im Umgang damit.

Zumindest eine noch vor einiger Zeit zu hörende Befürchtung scheint indes inzwischen vom Tisch. Nur noch eine einstellige Zahl von Unternehmen befürchtet durch den Abbau von Arbeitsplätzen durch zunehmende Digitalisierung. Dagegen sind 43 Prozent sogar davon überzeugt, dass dadurch sogar Beschäftigung aufgebaut wird. Knapp die Hälfte der Befragten geht von gleichbleibender Beschäftigung aus.

Allerdings mit einer völlig anderen Ausgestaltung von Arbeitsabläufen und -prozessen. Für Markus Beumer, Vorstand für das Mittelstandsgeschäft bei der Commerzbank, findet das Thema Digitalisierung längst nicht mehr nur auf technologischer Ebene statt. „Es ist ein Prozess, der auch die Organisation und vor allem die Kultur von Unternehmen verändert“, sagte er bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch in Frankfurt. Die Konsequenz lautet: Anders arbeiten, anders denken und auch anders führen.

Das gilt ganz besonders für die Führungskräfte: „Digitale Transformation braucht kompetente, mutige und motivierende Führungskräfte, die Beweglichkeit und Veränderungsbereitschaft vorleben“, lautet einer der Kernsätze der Studie. Positive Beispiele dafür gibt es sogar bei familiengeführten Mittelständlern.

In der Regel gelten allerdings die Chefs dort, die den Job oft vom Vater übernommen haben und teils seit Jahrzehnten machen, nicht als Speerspitze der Bewegung. Immer öfter wird die Bank damit vom Geldgeber auch zum Ideengeber, die auch mal gezielt Kontakte zu Kooperationspartnern vermittelt.


Durchstarten junger Professionals ist nicht vorgesehen

Der Prozess der Veränderung durch das Thema Digitalisierung ist im Großen nicht anders als im Kleinen. Begriffe wie Lernbereitschaft, Fehlerkultur und Kooperation quer über alle Teams und Aufgabenbereiche bestimmen ihn hier wie da. Jedoch in unterschiedlicher Ausprägung. Das gilt speziell bei den Mitarbeitern.

Mittelständler mit ihren Standorten in regionalen Gebieten profitierten bisher oft von ihren guten Beziehungen zur nahe gelegenen Fachhochschule. Von dort kamen die benötigten Jungingenieure bislang quasi automatisch. Nun aber haben sie das Problem, dass dort womöglich Expertise vermittelt wird, die in unmittelbarer Nähe gar nicht benötigt wird. Dafür steht der Mittelständler dann vor dem Problem, dass er um Fachkräfte aus ganz anderen Ecken in Deutschland buhlen muss, die von großen wie kleinen Unternehmen umworben werden.

Commerzbank-Vorstand Beumer hat da eine andere Idee. „Häufig ist die Einstellung anzutreffen: Lass gute Leute im Unternehmen dort, wo sie sind. Sonst entsteht da ein Loch.“ Besser wäre es, diese für höhere Aufgaben weiter zu qualifizieren. Weiter unten ließe sich dann entsprechend leichter der Nachwuchs integrieren.

Denn ein Durchstarten junger Professionals vorbei an gewachsenen Strukturen ist bei vielen Mittelständlern noch immer nicht vorgesehen. Nur 15 Prozent der 4000 befragten Unternehmen bieten spezielle Expertenlaufbahnen außerhalb der gewachsenen Strukturen an, sogar nur in vier Prozent von ihnen wurden bislang eigenständige Gesellschaften für die Entwicklung digitaler Innovationen gegründet.

McKinsey-Mann Meffert hebt das Thema deswegen auf eine andere Ebene. „In den vergangenen 20 Jahren haben die Unternehmen den letzten Groschen an Effizienz rausgeholt.“ Jetzt gehe es darum, die richtige Balance zwischen erfahrenen Mitarbeitern und neuen Ideen zu finden.

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