Family Business Barometer Familienunternehmer sehen sich digital gerüstet

Deutschlands Familienunternehmen können digitalisieren – wenn sie denn wollen. Allerdings sehen nur wenige auch die Notwendigkeit dazu. Stattdessen sorgen sie sich um die Nachfolge, wie eine exklusive Studie zeigt.

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Jedes zweite Familienunternehmen in Deutschland sieht das eigene Haus als proaktiven und gestaltenden Vorreiter, wenn es um die Digitalisierung geht. Quelle: dpa

Düsseldorf Das Familienunternehmen Seca in Hamburg hat Tradition. 1840 gründete Schlossermeister A.C.C. Joachims die allererste Waagenfabrik in Deutschland. Heute ist das Unternehmen in vierter Generation mit großem Abstand Weltmarktführer für medizinische Waagen. Die Brüder Robert und Frederik Vogel könnten sich auf ihren Lorbeeren ausruhen.

Doch bevor sie Getriebene der Digitalisierung werden, treiben sie lieber den digitalen Wandel der Branche selbst voran. Viel Kraft haben sie investiert, von einer Hardware- zu einer Softwarefirma zu werden. Dafür haben sie ein völlig neues, digitales Gerät zur Bioimpedanz-Analyse entwickelt. Das misst nicht nur das Gewicht, sondern kann auch die Masse an Fett, Muskeln und Wasser im Körper bestimmen. Für die Traditionsfirma ein gewagter, aber notwendiger Schritt in die digitale Zukunft.

Damit steht Seca nicht alleine. „Die deutschen Familienunternehmen gehen mit der Digitalisierung durchaus selbstbewusst um“, sagt Lutz Goebel, Präsident des Verbands Die Familienunternehmer. 60 Prozent der deutschen Familienunternehmen sehen in ihrem Haus eine hohe Kompetenz für die digitalen Veränderungen in ihrem Unternehmen.

Das ist das Ergebnis des fünften Family Business Barometers. Die Umfrage wurde von der Beratung KPMG, dem Europäischen Verband der Familienunternehmen (EFB) und dem Verband Die Familienunternehmer durchgeführt. Europaweit beteiligten sich knapp 1000 Familienunternehmen, in Deutschland nahmen 142 Betriebe teil.

Erstmals wurden die Firmen dabei zur Digitalisierung befragt. Das Fazit: Immerhin fast jeder Zweite (46 Prozent) sieht das eigene Unternehmen als proaktiven und gestaltenden Vorreiter, wenn es darum geht, Prozesse digital anzupassen. Nur 28 Prozent betrachten das eigene Unternehmen in dieser Frage als eher reagierend und getrieben von den aktuellen Entwicklungen. Vera-Carina Elter, Bereichsvorstand Familienunternehmen bei KPMG in Deutschland, bringt es auf den Punkt: „Deutschlands Familienunternehmen können digitalisieren, wenn sie denn wollen. Aber viele glauben, dass sie es derzeit noch gar nicht müssen.“

Denn 76 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass die Digitalisierung ihre Wertschöpfungskette aktuell gar nicht oder nur in geringem Umfang verändern wird. „Von grundlegenden Änderungen gehen derzeit nur zwölf Prozent der deutschen Familienunternehmer aus“, sagt Elter. Ein überraschendes Ergebnis, das zu denken gibt.

Ältere können nur schwer von der Macht lassen

Neben der Digitalisierung sind Familienfirmen noch mit anderen Unwägbarkeiten konfrontiert. Sahen im vergangenen Jahr 44 Prozent der Befragten in den Lohnkosten ihre größte Herausforderung, sind es nun sogar 57 Prozent. Für Lutz Goebel ist dies ein deutliches Signal an die Tarifpartner.

An zweiter Stelle rangiert die Suche nach qualifiziertem Personal (41 Prozent), gefolgt von Sorgen angesichts politischer Unsicherheiten (35 Prozent). Allen Widrigkeiten zum Trotz: 69 Prozent der Familienunternehmer in Deutschland blicken zuversichtlich ins nächste Jahr.

Anders als Publikumsgesellschaften haben Familienunternehmen dabei noch ganz spezifische Dinge zu meistern: die Nachfolge. Für 88 Prozent der Befragten hat Priorität, dass die Familie bei einer Übergabe an die nächste Generation die Kontrolle über das Unternehmen behält. Allerdings: Im europäischen Vergleich scheinen die deutschen Unternehmer momentan noch etwas zögerlicher dazu bereit zu sein, Führungsaufgaben auch tatsächlich an die jüngere Generation zu übergeben. Diese ist nur in 43 Prozent im Management vertreten. In Europa ist dies bei 48 Prozent der Familienunternehmen der Fall.

Die eigene Unfähigkeit, die Zügel aus der Hand zu geben, beunruhigt immerhin 37 Prozent aus der älteren Unternehmergeneration hierzulande. Eine Sorge, die sie fast genauso stark bewegt wie das sich rasant verändernde Geschäftsumfeld (39 Prozent). Jeder Vierte leidet auch darunter, dass die Erben sich nicht für das Familienunternehmen interessieren.

Demgegenüber lasten auf jedem Zweiten der jungen Generation die Erwartungen, ins Familienunternehmen einzutreten, schwer. 21 Prozent leiden zudem unter familiären Konflikten. Das liegt wohl auch an unklaren beruflichen Perspektiven im Familienunternehmen und mangelnder betrieblicher Einarbeitung (je 16 Prozent).

Bei Seca in Hamburg hat die Übergabe an die vierte Generation relativ reibungslos funktioniert. Die Brüder Robert und Frederik Vogel haben zuvor viel Erfahrung im Unternehmen sammeln können. Vater Sönke Vogel hat sich 2010 ganz in den Beirat zurückgezogen und gibt von dort strategischen Rat. Das operative Geschäft überlässt er bewusst seinen Söhnen.

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